Krisen beleben Kreativität, in der Zeit des Shutdowns wegen der Coronakrise lautet die Devise: Go digital. Das gilt auch für die Weinbranche: Der Weinverkauf übers Internet boomt, doch das ist noch nicht alles – auch die Weinprobe verlagert sich zunehmend ins Internet. Das geht nicht? Geht doch – Mainz& hat recherchiert und es ausprobiert. Mehr als 100 Winzer hat das Deutsche Weininstitut (DWI) inzwischen auf der Internetseite zusammengetragen, sie alle bieten Online-Weinproben an – der Kunde sitzt dabei bequem im eigenen Wohnzimmer oder am Küchentisch. Das DWI sieht hier durchaus auch Potenzial für bleibende Angebote in der Zukunft.
“Es gibt zurzeit eine Verunsicherung darüber, wie der Absatz gesichert werden kann, wenn Teile etablierter Kanäle vorübergehend nicht funktionieren”, sagt Frank Schulz vom Deutschen Weininstitut (DWI). Die Coronakrise brach in Deutschland im Frühjahr aus, ausgerechnet zu der Zeit, in der große Weinmessen und die traditionellen Frühjahrspräsentationen sonst den Winzern die Gelegenheit geben, den neuen Weinjahrgang und überhaupt ihre Neuerungen in Weinberg und Keller den Kunden ausführlich nahe zu bringen. Die ProWein, die weltgrößte Weinmesse, die VDP-Weinbörse Ende April, die Frühjahrsverkostungen der Mainzer Winzer – alles gestrichen.
Zwar dürfen Weingüter weiter ab Hof ihre Produkte verkaufen, doch nicht jeder Kunde mag oder kann jetzt noch zum Einkaufen vor die Tür gehen – der Absatz stockt vielerorts. “Die Ausgangsbeschränkungen schlagen auch auf Weinerzeuger durch, denn auch deren Händler sowie die Gastronomen können – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt arbeiten”, sagt Schulz. Und die Outdoor-Veranstaltungen fielen ja derzeit flächendeckend ganz flach. Die Krise aber belebt auch die Kreativität – der Weinhandel kommt jetzt endgültig in der digitalen Zeit an. Schon in den vergangenen Jahren wurde der Online-Absatz über den eigenen Internetshop oder über gemeinsame Vermarktungsportale in der Branche immer wichtiger, Weinvertriebsplattformen wie etwa das Mainzer Startup Vicampo zu wahren Großplayern der Szene.
Die Coronakrise befördert nun den Trend zum Digitalen noch einmal enorm: “Täglich entstehen neue, digitale Absatz-Impulse innovativer Player, die in der Übergangszeit von großer Bedeutung sind”, sagt Schulz. Sollten sich die Formate als wirtschaftlich tragfähig erweisen, könnten sich daraus womöglich auch neue, ständige Formate entwickeln – “immer vorausgesetzt, die Einzelunternehmer der Branche haben dauerhaftes Interesse daran”, betont Schulz.
Und so verlegen zahlreiche Winzer ihre Frühlingsverkostungen kurzerhand ins Netz oder bieten jeden Freitagabend einen Online-Weintreff an. Andere präsentieren Genusstipps zur Kombination von Essen und Wein, füllen live vor der Kamera die neuen Weine ab oder zeigen spannenden Dokumentationen aus dem eigenen Weingut, die der Kunde mit dem passenden Wein aus derselben Lage daheim genießen kann. In Mainz-Ebersheim hält Winzerin Eva Vollmer regelmäßige Wein-Sprechstunden, in denen sie mit den Gästen über Weinmachen und das Leben als Winzerin plaudert. Und im Mainzer Weingut Mirjam Schneider gibt’s am Freitag, den 17. April 2020 um 19.00 Uhr eine Live-Weinprobe mit
Fernsehkoch und Fastnachter Frank Brunswig.
Die Weine für die Probe kommen vorher per Post zum Kunden nachhause, dann heißt es auch hier: rechtzeitig Technik, Weine und Gläser richten. “Die Idee digitaler Weinproben ist, dass Weinfreunde mehr Informationen über ihre zuvor erworbenen Weine erhalten”, erklärt Schulz: “Niemand weiß besser, als der Erzeuger selbst, auf welchem Boden die Reben wuchsen und Trauben heranreiften, aus denen dann ein Wein kreiert wird.” Die Weine zu erklären, dem Kunden Tipps und Assoziationen zu Aromen und Geschmack an die Hand geben, und Hintergründe wie Böden, Klima und Terroir zu erklären – die virtuelle Weinprobe kann hier gut aushelfen, und das auch noch in der ganzen Republik.
“Am meisten Spaß macht das, wenn man das per Video oder Live-Schalte Gesagte am Gaumen selbst nachvollziehen kann”, sagt Schulz. Es gebe aber auch Weinfans, die sich einfach so zuschalteten, “weil sie beispielsweise ihr Wein-Vokabular verbessern möchten.”
Das DWI hat zudem seine Online-Marketing-Angebote verstärkt: Seit dem 6. April starten bis Mitte Juni neue Themenwochen, in denen im 14-tägigen Rhythmus wechselnde Themen rund um die heimischen Weine in den Fokus gerückt werden. Start ist natürlich unter dem Hashtag #osterweine, hier werden Weine aus deutschen Landen zum Osterfest vorgestellt, es gibt Rezepte mit Weinempfehlungen, Gewinnspiele, Quizfragen, Osterweisheiten und vieles mehr. Auch die Deutsche Weinkönigin und die Deutschen Weinprinzessinnen werden sich mit kleinen Videos und Tipps zum Osterfest äußern, verspricht das DWI.
In den Kalenderwochen 17 und 18 wird sich dann alles um das Thema liebliche bzw. süße Weine (Spätlese, Kabinett, liebliche und süße Qualitätsweine) drehen. In den Kalenderwochen 19 und 20 – passend zu Muttertag – geht es um das Thema Sekt, in den zwei Wochen danach stehen “Regionale Helden”, also gebietsspezifische Rebsorten wie Trollinger, Lemberger, Gutedel, Elbling, Silvaner oder Goldriesling im Mittelpunkt. Abschließend folgen unter dem Motto “Burgunderwunder” die zunehmend beliebten Burgundersorten wie grauer und weißer Burgunder, Spät- und Frühburgunder.
Info& auf Mainz&: Das Deutsche Weininstitut (DWI) hat eine Liste mit Weingütern erstellt, die Online-Weinproben anbieten, inzwischen stehen hier mehr als 100 Weingüter darauf, Ihr findet sie hier im Internet. Wie eine Online-Weinprobe abläuft, und wie gut das klappen kann – das könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Wir haben die virtuelle Weinprobe bei Malenka und Niklas Stenner mitgemacht und können nur sagen: Ran an die Weinprobe im Wohnzimmer! Die nächste Online-Weinprobe gibts am 16. April bei Stenners.
Die nächste Gelegenheit hier in der Region habt Ihr am Ostersonntag: Um 19.00 Uhr lädt dann das Rheingauer Weingut Kaufmann zum Wein-Live-Jazz-Happening genau hier im Netz auf Facebook. “Bei entspanntem Live-Jazz genießen wir gemeinsam mit Ihnen mindestens drei ausgewählte Kaufmann-Weine, plaudern aus dem Nähkästchen, lüften das Geheimnis was Schweizer Käse mit Boogie-Woogie zu tun hat und warum sich bei uns Brieftauben und Bienen gute Nacht sagen”, heißt es in der Ankündigung. Wegen der Weinbestellung im Vorfeld kommt Ihr jetzt dann natürlich leider zu spät – sorry, unsere Schuld.