Nach der beispiellosen Flutkatastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz rollt nun eine Welle der Hilfsbereitschaft durch das Land. Auch in Mainz und in ganz Rheinhessen wollen Menschen helfen, an Feuerwehrstationen und bei Hilfsorganisationen werden Sachspenden gesammelt, die Landesregierung hat ein zentrales Spendenkonto eingerichtet. Derweil ist die Lage in den betroffenen Katastrophengebieten weiter angespannt, es drohen weitere Regenfälle – und die Zahl der Opfer steigt: Inzwischen wurden mehr als 60 Tote bestätigt, allein im Landkreis Ahrweiler werden 1300 Menschen vermisst, womöglich einfach weil die Telefonnetze ausgefallen sind. „Das Leid nimmt zu“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Freitag in Mainz.

Informierte am Freitag über den Stand der Hochwasserkatastrophe: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). - Foto: gik
Informierte am Freitag über den Stand der Hochwasserkatastrophe: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). – Foto: gik

Es ist eine Jahrhundertkatastrophe, und sie ist noch nicht vorbei: „Wir haben heut noch nicht den Stand, dass wir sagen können: Die Lage entspannt sich“, sagte Ministerpräsidentin Dreyer am Freitagmittag bei einem Statement in der Mainzer Staatskanzlei. In der Nacht zum Donnerstag war eine nie zuvor gesehene Flutwelle über zahllose Dörfer vor allem in der Eifel und im Landkreis Ahrweiler hereingebrochen, Dörfer standen unter Wasser und waren von der Außenwelt abgeschnitten, Häuser wurden weggerissen, Menschen starben in den Fluten, die oft binnen Minuten über die Dörfer hereinbrachen.

„Das Leid in Rheinland-Pfalz nimmt zu“, sagte Dreyer am Freitag, inzwischen seien bereits 60 Tote zu beklagen, „und es ist zu befürchten, dass die Zahl weiter ansteigen wird.“ Allein der Landkreis Ahrweiler meldete am Donnerstagabend 1.300 vermisste Personen, es ist unklar, ob diese einfach nur nicht erreicht werden können, weil Handy- und Telefonnetze zusammengebrochen sind. Die Kommunikation in den betroffenen Gebieten ist ebenso ausgefallen wie Trinkwassersversorgung und Stromnetze.

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Bilder der Zerstörung nach der Hochwasserkatastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz. - Fotos: SWR, Screenshot: gik
Bilder der Zerstörung nach der Hochwasserkatastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz. – Fotos: SWR, Screenshot: gik

Starkregen und über Tage hinweg anhaltende Regenfluten von Tief „Bernd“ hatten am Mittwochnachmittag Bäche und Flüsse in einem Gebiet von Trier über die Eifel bis nach Bonn anschwellen lassen, die wassergetränkten Böden konnten die zusätzlichen Massen nicht mehr aufnehmen. Die Folge: In der Nacht zum Donnerstag wurden winzige Bäche binnen weniger Stunden zu reißenden Fluten, Flüsse stiegen von Normalhöhe 60 Zentimeter auf drei Meter und mehr. „Die Menschen mussten binnen Sekunden erleben, wie die Wassermaßen hereinbrachen“, sagte Dreyer.

In Sinzig starben 12 Menschen in einer Behinderteneinrichtung der Lebenshilfe, weil sich das Erdgeschoss der Einrichtung so rasant mit Wasser füllte, dass die Bewohner im Schlaf überrascht wurden und nicht mehr rechtzeitig gerettet werden konnten. Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) zeigte sich tief betroffen: Man sei in engem Kontakt mit dem träger der Einrichtung, die Behörden im Land böten konkrete Unterstützung an, und das nicht nur hier: Das Unwetter habe in Rheinland-Pfalz mehr als ein Dutzend stationärer Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe sowie betreute Wohnangebote in unterschiedlichem Ausmaß betroffen“, teilte Schweitzer mit.

Unglaubliche Zerstörungen in den Orten entlang der Ahr wie hier in Schuld. - Foto: SWR., Screenshot: gik
Unglaubliche Zerstörungen in den Orten entlang der Ahr wie hier in Schuld. – Foto: SWR., Screenshot: gik

Besonders betroffen ist das Ahrtal, hier stieg der sonst idyllische Fluss auf acht Meter an und riss in zahlreichen Dörfern alles mit sich. Am schlimmsten habe es die Orte Schuld, Insul, Altenahr, Mayschoss, Dernau sowie Bad Neunahr-Ahrweiler getroffen, sagte Dreyer. Hier wurden Häuser einfach weggerissen, mindestens 100 Gebäude im Ahrtal seien stark beschädigt oder einsturzgefährdet, sagte der Katastrophenschutzinspekteur des Landkreises Ahrweiler am Donnerstagabend in Medien. Ortschaften sind teilweise gar nicht zugänglich, mancherorts steht keine einzige Brücke mehr über die Ahr.

Und noch immer müssen Menschen aus ihren zerstörten oder bedrohten Häusern gerettet werden: Allein in der Nacht zum Freitag seien mehr als 300 Menschen per Hubschrauber gerettet worden, viele auch mit Booten, sagte Dreyer weiter, das Wasser habe alles eingeschlossen: „Wir setzen alles daran, Leben zu retten und Schäden zu beseitigen“, betonte die Ministerpräsidentin: „Ich kann den Einsatzkräften gar nicht genug danken.“ Dem Land werde von allen Seiten Unterstützung angeboten, die Bundeswehr sei vor Ort mit im Einsatz, Unternehmen böten ihre Hilfe an. „Diese Hilfe wird sehr, sehr nötig werden, wenn man das Ausmaß der Katastrophe betrachtet“, sagte Dreyer.

Die Fluten haben riesige Schäden hinterlassen, wie hier in Schuld an der Ahr. - Screenshot: gik
Die Fluten haben riesige Schäden hinterlassen, wie hier in Schuld an der Ahr. – Screenshot: gik

Das Ausmaß der Schäden ist noch gar nicht absehbar: „Es ist eine nationale Katstrophe“, betonte Dreyer, deren Kabinett bereits am Donnerstag eine Soforthilfe von 50 Millionen Euro an Landesmitteln bereit gestellt hat. Reichen wird das nicht einmal ansatzweise: Vielerorts sind Straßen, Brücken und Schienen zerstört, Bahnhöfe standen unter Wasser, ebenso Firmen, Fertigungswerke, Läden, ganze Einkaufsstraßen. Hunderte Existenzen sind vernichtet, zahllose Menschen dürften ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben.

„Die Schäden sind so dramatisch und gewaltig, dass wir noch lange Zeit mit dem Thema zu tun haben werden, auch mit dem Wiederaufbau“, sagte Dreyer. Die Landesregierung setzte deshalb am Freitag eine Stabsstelle Wiederaufbau unter Federführung des Innenministers ein. Und sie richtete ein Spendenkonto ein (mehr dazu unten), Dreyer sprach von einer Welle der Solidarität und der Hilfsbereitschaft. „Aktuell erreichen uns zahlreiche Anfragen, wie die von der Unwetter-Katastrophe in Rheinland-Pfalz betroffenen Menschen unterstützt werden können“, sagte Dreyer, die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung sei wirklich groß. „Diese nationale Katastrophe zeigt einmal mehr: Rheinland-Pfalz steht in dieser schwierigen Zeit zusammen. Das macht mich unglaublich stolz“, betonte die Regierungschefin.

Spendenaufruf des Uni-Sportclubs. - Foto: gik
Spendenaufruf des Uni-Sportclubs. – Foto: gik

Auch in Mainz und Rheinhessen rollt eine Welle von Hilfsangeboten: Die Feuerwehr der Verbandsgemeinde Nieder-Olm postete einen Spendenaufruf für die Menschen aus Ahrweiler und Umgebung auf der Plattform Facebook – und wurde förmlich überrannt. Binnen weniger als 12 Stunden wurden so viele Kleider und Haushaltsgegenstände gespendet, dass das Lager der Feuerwehr überlief. Die Freiwillige Feuerwehr in Essenheim sprang daraufhin ein und meldete, Sachspenden könnten noch bis 17.30 Uhr im Feuerwehrgerätehaus Essenheim abgegeben werden. Benötigt würden Kleidung & Schuhe in allen Größen, für Damen, Herren, Kinder, Hygiene und Drogerieartikel, Geschirr, Töpfe, Pfannen, Tassen, Gläser, Kinderspielzeug und andere Unterhaltungsgegenstände sowie Kuscheltiere, die bitte unbedingt gewaschen sein sollten.

In Mainz startete der verein „Mombach hilft“ umgehend ebenfalls eine Sammelaktion für die von der Katastrophe betroffenen Menschen. „Die Bilder sind grausam, wir wollen helfen“, sagte Daniela Gönner von „Mombach hilft“ gegenüber Mainz&. Sie selbst habe viele Freunde oben in Ahrweiler, „ich erreiche die nicht“ sagte Gönner, „ich mache mir so tierisch Sorgen um die Leute.“ Vergangenes Jahr habe ihr Verein für Kroatien gesammelt, „das war weit weg“, sagte sie noch, „jetzt ist es so nah, das sind gerade einmal 100 Kilometer.“ Jetzt gälten die Gedanken und Gebete allen Opfern und Toten der Katastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen.

Daniela Gönner (Mitte) sammelt mit ihrem Verein "Mombach hilft" Hilfsgüter für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. - Foto: Mombach Hilft
Daniela Gönner (Mitte) sammelt mit ihrem Verein „Mombach hilft“ Hilfsgüter für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. – Foto: Mombach Hilft

Mombach hilft hat deshalb eine Sammelstelle für Hilfsgüter an der Ortsverwaltung Mombach eingerichtet, noch bis mindestens 21.,00 Uhr werden hier Sachspenden wie Kleidung, Hygieneartikel oder Haushaltsgegenstände sowie Kinderspielzeug entgegen genommen. „Wir sammeln bis Dienstag, dann fahren wir die Sachen zum Nürburgring“, sagte Gönner, dort wurde eine große, zentrale Sammelstelle für Hilfsgüter eingerichtet. Den Transport übernehme die Mainzer Unternehmerin Janet Kolbenschlag von Stark Umzüge.

30 Kartons voller Sachen seien bereits innerhalb der ersten Stunde abgegeben worden, sagte Gönner weiter, schon jetzt sei klar, dass der Raum an der Ortsverwaltung nicht reichen werde. „Wir sind auch auf der Suche nach einem größeren Lagerraum“, sagte Gönner – wer also etwas weiß: Bitte bei Daniela Gönner unter 0152 -31701948 melden.

Derweil entspannt sich die Hochwasserlage noch immer nicht, die Wetterdienste warnen weiter vor Platzregen und Gewittern und weiter steigenden Flusspegeln – auch am Rhein. In Koblenz werde infolge des Moselhochwassers ab Freitagmittag ein Scheitel im Bereich von 6,40 Meter bis 6,60 Meter erwartet, teilte das Regierungspräsidium Darmstadt am Freitag mit, in Köln könnte der Rhein bis auf 8,10 Meter steigen. Und vom Oberrhein her werden am Wochenende weiter steigende Wasserstände erwartet, der Höhepunkt der Welle werde am Oberrhein in der Nacht zu Samstag erwartet, die Wasserstände danach „auf hohem Niveau verharren.“

In Mainz werde am Samstag in den frühen Morgenstunden voraussichtlich die Meldehöhe von 5,50 Meter überschritten, der Scheitel werde hier am Sonntag erwartet, heißt es weiter. In Mainz könnte das Wasser dann auf bis zu 5,90 Meter steigen, entlang des Ufers wurden bereits Rheinstrände geräumt, in Eltville das Riesenrad samt Sommer-Biergarten abgebaut.

Info& auf Mainz&: Die Mainzer Unimedizin schickt Notärzte, Opel stellt kostenlose Autos – mehr Hilfsaktionen und ein Update der Katastrophen lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zu der Flutkatastrophe im Norden von Rheinland-Pfalz haben wir hier auf Mainz& berichtet. Das Mehr zu der Spendensammelaktion von „Mombach hilft“ findet Ihr hier bei Facebook, auch der Sportverein der Mainzer Uni sammelt Spenden und bittet um Sportkleidung und Sportschuhe. Eure Spenden könnt Ihr getrennt verpackt, frisch gewaschen und intakt an der Leichtathletikhalle der Uni Mainz abgeben, und zwar heute von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr, Samstag von 11.00-14,.00 Uhr und Montag und Dienstag von 15.,00-18.00 Uhr.

Spendenkonto der Landesregierung: Unter dem Kennwort „Katastrophenhilfe Hochwasser“ können Spenden auf folgendes Konto bei der Sparkasse Mainz überwiesen werden: Empfänger: Landeshauptkasse Mainz, IBAN: DE78 5505 0120 0200 3006 06, BIC: MALADE51MNZ

Weitere Spendenkonten:

— Bistum Mainz: Unter dem Stichwort „Hochwasser 2021“ können Spenden eingezahlt werden: Spendenkonto Diözesan-Caritasverband Trier, Pax-Bank, IBAN: DE43 3706 0193 3000 6661 21, BIC: GENODED1PAX
— Bündnis der Hilfsorganisationen „Aktion Deutschland Hilft“, Stichwort: Hochwasser Deutschland, IBAN: DE62 3702 0500 0000 1020 30 (Bank für Sozialwirtschaft), Online spenden unter: www.Aktion-Deutschland-Hilft.de.

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