Im Kampf gegen die Coronavirus Epidemie hat die Europäische Union am Dienstag ein sofortiges Einreiseverbot für nicht-EU-Bürger für die kommenden 30 Tage verhängt. Das verbot gelte für Einreisen nach Europa aus Ländern, die weder der Europäischen Union noch dem EFTA-Bereich angehören, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin. Eine Ausnahme gilt auch für Großbritannien. Damit werden aus allen nicht EU-Staaten in den kommenden 30 Tagen „keine Flüge mehr abgewickelt werden können“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Abend im Heutejournal. Das Auswärtige Amt sprach eine weltweite Reisewarnung aus. Zugleich betonte Maas, man werde rund 30 Chartermaschinen ausschicken, um im Ausland gestrandete Urlauber nachhause zu holen.
Damit hat die Corona-Pandemie eine bislang ungekannte Eskalationsstufe erreicht: Eine weltweite Reisewarnung gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie. „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen in das Ausland wird derzeit gewarnt“, heißt es auf der Homepage des Auswärtigen Amtes, „da mit starken und weiter zunehmenden drastischen Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr, und der weltweiten Einreisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen und der Einschränkung des öffentlichen Lebens in vielen Ländern zu rechnen ist.“ Das Risiko, dass Urlauber ihre Rückreise aufgrund der zunehmenden Einschränkungen nicht mehr antreten könnten, sei sehr hoch.
Weltweit sind den Angaben zufolge derzeit rund 100.000 Deutsche noch in anderen Ländern außerhalb der EU unterwegs, viele von ihnen berichten derzeit über die Medien, wie sehr sie gestrandet sind. Manche werden aus ihren Hotels geworfen, andere in ihren Hotels quasi eingesperrt, weil Ausgangssperren verhängt wurden – so etwa in Spanien und den Kanarischen Inseln. Aus Marokko berichten derzeit viele Urlauber, dass Flüge gestrichen sind und sie nicht wissen, wie sie nachhause kommen sollen.
Maas kündigte eine konzertierte Rückholaktion der Bundesregierung an: Das Auswärtige Amt schicke in den nächsten Stunden insgesamt rund 30 Chartermaschinen „in alle Richtungen“ los, um gestrandete deutsche Urlauber wieder nach Deutschland zurück zu bringen. An erster Stelle wird eine Reihe besonders betroffener Länder stehen, zunächst insbesondere Marokko, die Dominikanische Republik, Ägypten und die Philippinen. Reisende in diesen und in allen anderen Ländern sollten sich zunächst über die Reise- und Sicherheitshinweise informieren, und Kontakt zu ihrem Reiseveranstalter oder ihrer Fluggesellschaft aufnehmen und sich in eine Krisenvorsorgeliste der Auswärtigen Amtes eintragen.
„Wir bemühen uns um Sonderlandeerlaubnisse und Überflugrechte“, sagte Maas im Heutejournal, man arbeite mit Hochdruck daran, für jede Destination eine Lösung zu finden. Die Sonderrechte sind notwendig, weil die EU-Staaten am Dienstag gemeinsam ein Verbot von Flügen aus allen Nicht-EU-Gebieten in die EU beschloss. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte am Abend an, Deutschland werde dieses Verbot sofort umsetzen. Schon am Abend wurde am Frankfurter Flughafen nicht-EU-Bürgern die Einreise nach Deutschland verwehrt, berichtete die Hessenschau. Doch die EU streicht zugleich auch alle Flüge aus den nicht-EU-Staaten: „Aus Nicht-EU-Staaten sowie aus Norwegen, Liechtenstein, Schweiz und Island werden in den nächsten 30 Tagen keine Flüge mehr abgewickelt werden können“, sagte Maas im heutejournal. Die EU sperrt sich damit mit beispiellosen Maßnahmen gegen die sich rasant ausbreitende Coronavirus Pandemie.
Am Dienstagabend erreichte die Zahl der Infektionen mit dem neuen Virus nach Angaben der John Hopkins Universität weltweit 197.140, insgesamt gibt es nun 7.916 Tote. In Deutschland kletterte die Zahl der Infektionen auf 9.257, laut Johna Hopkins Universität gibt es inzwischen in Deutschland 24 Tote. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das eine enorm geringe Zahl: Das Nachbarland Frankreich, das am Montag eine Ausgangssperre im ganzen Land verhängte, zählt inzwischen 7.695 Infektionen und dabei 148 Tote. In Italien schnellte die Zahl der Infektionen auf 31.506 hoch, hier gibt es inzwischen 2.503 Tote.
In Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Infizierten mit der Lungenkrankheit Covid-19 auf 435, am Montag waren es noch 297 gewesen. In der Stadt Mainz sind es inzwischen 28, im Kreis Mainz-Bingen 20 – unter ihnen ist auch der Mainzer Polizeipräsident Reiner Hamm – mehr dazu hier bei Mainz&. Wiesbaden meldete unterdessen den ersten Todesfall: Am Dienstag verstarb ein stationär in einer Wiesbadener Klinik behandelter Patient an den Folgen der COVID-19-Infektion, teilte die Stadt Wiesbaden mit. Der Patient sei nach seiner Einlieferung sofort isoliert und medizinisch auf der Intensivstation behandelt worden. „Unser Beileid gilt allen, die dem Verstorbenen nahe gestanden haben“, sagte der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD): Der Fall zeige, „dass auch die beste medizinische Versorgung manchmal nicht mehr hilft, und man die Gefahren, die vom Coronavirus SARS-CoV-2 ausgehen, nicht unterschätzen darf.
In Wiesbaden gab es am Dienstag 22 positiv getestete COVID-19-Fälle mit 2.000 Kontaktpersonen beziehungsweise Reiserückkehrern aus Risikogebieten, die sich derzeit in häuslicher Quarantäne befinden. Die Bundesländer verschärften und konkretisierten am Dienstag noch einmal ihre Verordnungen zur Schließung von Läden, Restaurants und allen Einrichtungen des öffentlichen Lebens. Hessen beschränkte dabei die Besucherzahlen in Gaststätten auf maximal 30 Personen und verordnete einen Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Gästen. Wiesbaden kündigte zudem an, die Zahlungen für die Kitas der Stadt auszusetzen.
Auch in Rheinland-Pfalz müssen Restaurants, Mensen und Speisegaststätten strenge Hygieneregeln einhalten, Warteschlangen vermeiden und einen Mindestabstand von zwei Metern zwischen Tischen gewährleisten. Ab Mittwochfrüh, Mitternacht, müssen alle Läden und Einrichtungen im Land bis auf wenige Ausnahmen schließen, Restaurants dürfen nur noch zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr geöffnet sein. Museen, Kinos, Zoos und auch die Spielplätze müssen schließen. Geöffnet bleiben hingegen Lebensmittelmärkte und Drogerien, ebenso Postfilialen und auch Optiker und Hörgeräteakustiker – die vollständige Liste findet Ihr hier.
Am Dienstag tummelten sich auch in Mainz noch einmal zahlreiche Menschengruppen und Familien mit Kindern auf Spielplätzen und in Parkanlagen, junge Menschen saßen in Gruppen eng beieinander am Rheinufer, Ältere hielten Schwätzchen an Straßenecken – ohne Mindestabstand. „Wer jetzt noch Coronaparties feiert oder seine Kinder auf überfüllte Spielplätze schickt, wer also nach wie vor das Coronathema ignoriert, trägt nicht nur zur Gefährdung von Patienten bei, sondern verhält sich auch ignorant gegenüber den Sorgen von Ärzten und Pflegepersonal“, sagte Heutejournal-Moderatorin Marietta Slomka. Bundesweit mahnten Ärzte und Pfleger eindringlich mit Posts und Fotos in sozialen Netzwerken: „Wir bleiben für Euch da! Bleibt Ihr bitte für uns Daheim!“
Das Robert-Koch-Institut stufte am Dienstag die Gefahr durch das Coronavirus auf „hoch“ hoch. Es handele sich „weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Schon jetzt gebe es sogar gut aufgestellte Unikliniken in Deutschland, die die Last der Schwerkranken nicht mehr bewältigen könnten. Das Elsass meldete Anfang der Woche bereits ebenfalls überfüllte Klinken und vor allem einen Mangel an Beatmungsgeräten für Covid-19-Erkrankte. Der französische Präsident Emmanuel Macron mahnte die Franzosen mit leidenschaftlichen Worten, zuhause zu bleiben: „Wir sind im Krieg gegen einen Virus“, sagte Macron.
Aus Italien richteten inzwischen zahlreiche Italiener eindringliche Appelle an die Deutschen, nicht so lange zu warten wie ihr Land. Der Eltviller Bürgermeister Patrick Kunkel (CDU) teilte auf Twitter und Facebook einen bewegenden Appell seiner Kusine aus Bozen in Süditalien, die eindringlich warnte: „Worauf wollt ihr denn noch warten, warum handelt ihr nicht..? Wir wissen jetzt: Jeder Tag zählt. Jeder Tag mit strengen Maßnahmen rettet Menschenleben!!!“ – den ganzen Beitrag vom 16. März könnt Ihr hier nachlesen. Auch Virologen forderten, die Deutschen müssten das Virus endlich ernster nehmen und Abstandsregeln und das Prinzip der „sozialen Distanzierung“ viel konsequenter einhalten – wenn es noch gelingen solle, die rasante Ausbreitung der Ansteckungen zu verhindern.
Verhielten sich so viele Deutsche hingegen weiter so leichtsinnig, werde auch Deutschland um eine Ausgangssperre nicht herumkommen – gleich mehrere Politiker schlossen am Dienstagabend genau eine solche Maßnahme explizit nicht mehr aus. Womöglich könnte die Politik eine Ausgangssperre noch vor dem Wochenende verhängen, um Szenen in den Parks und an den Rheinufern wie in den vergangenen Tagen zu unterbinden. Dann dürften sich die Deutschen wohl nur noch zu Arbeitszwecken, zum Einkaufen und für Gänge zum Arzt oder zur Apotheke nach draußen begeben.
Der Mainzer Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD) unterstrich zur kompletten Schließung der Schulen und Kitas am Dienstag noch einmal: „Das sind tiefgreifende Entscheidungen für unsere Stadt, die sich keiner leicht gemacht hat. Jedoch gilt es, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und eine Überforderung unseres Gesundheitssystems abzuwenden.“ Der reguläre Betrieb in den Mainzer Schulen ist vorerst bis zum Ende der Osterferien (17.4.2020), ausgesetzt, die Abiturprüfungen finden statt. Aktuell werden Lensch zufolge 218 Kinder in den 57 städtischen Kindertagesstätten in einer Notfallbetreuung betreut, diese richtet sich vor allem an Berufsgruppen, deren Tätigkeit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Grundversorgung der Bevölkerung notwendig ist sowie an Alleinerziehende und für Notfälle.
„Wir sollen auf soziale Distanz gehen, das widerspricht der Mainzer DNA“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in einem Facebook-Podcast. Trotzdem seien die getroffenen Maßnahmen richtig, „wir wollen erreichen, dass nicht zu viele Menschen auf einmal krank werden“, betonte Ebling: „Sich nicht treffen heißt, dass wir trotzdem zusammenhalten.“
Info& auf Mainz&: Alle Maßnahmen der Stadt Mainz zur Coronavirus Epidemie findet Ihr hier bei der Stadt Mainz im Internet. Die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes sowie Informationen zur Rückholaktion findet Ihr hier im Internet. Die Pressekonferenz der Bundeskanzlerin könnt Ihr im Wortlaut hier nachlesen. Eine sehr gute Zusammenfassung der Ereignisse vom Dienstag sowie das Interview mit Außenminister Heiko Maas findet Ihr hier in der Sendung Heutejournal vom 16. März 2020. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr ab sofort auf unserer neuen Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&. Aktuelle Informationen zum kompletten Shutdown ab Mittwoch findet Ihr hier bei Mainz&, Aktualisierungen dazu gibt es hier.