Der Titel heißt „… das klickt sich gut“, das Video zeigt einen Song in cooler moderner Rap-Fashion, die Protagonistin erscheint in goldenem Proleten-Outfit und schmeißt mit Geld um sich: Missy Motown, Geschäftsführerin des Helfer-Stabs, sorgt mit einem gerade veröffentlichten Video für erheblichen Wirbel in den sozialen Netzwerken. Während die einen es als „cool“ und „geile Mediensatire“ feiern, sind gerade viele Flutbetroffene im Ahrtal zutiefst entsetzt: Man sei „fassungslos“ über dieses Video, das Werk sei „beschämend“ und „armselig“, heißt es in Dutzenden Kommentaren: Kurz vor dem Jahrestag der Flutkatastrophe sei das schlicht „geschmacklos“.
Hintergrund sind Kritik an Missy Motown, die Geschäftsführerin des Helfer-Stabs und einer Firma mit dem Namen m2a artitude Betriebs GmbH, im Zuge von großen Auftragsvergaben der Landesregierung sowie der Investitions- und Strukturbank (ISB) des Landes Rheinland-Pfalz rund um die Betreuung von Flutopfern nach der Katastrophe im Ahrtal. Ende April war bekannt geworden, dass die in Frankfurt ansässige Firma „m2a artitude Betriebs GmbH2“ der Eventmanagerin Missy Motown alias Nicole Schober nach der Flutkatastrophe im Ahrtal Verträge in Millionenhöhe erhalten hatte – um beratende Hilfe an den sogenannten Info-Points zu leisten.
Es geht um insgesamt vier Verträge mit der Dienstaufsicht ADD, der Kreisverwaltung Ahrweiler sowie der landeseigenen ISB im potenziellen Auftragswert von rund 5,5 Millionen Euro, davon wurden bislang rund 3,14 Millionen Euro ausgezahlt. CDU, Freie Wähler und AfD kritisieren die Auftragsvergabe, weil keine Vergleichsangebote eingeholt wurden, und die Qualifikation der Auftragnehmerin überhaupt nicht geprüft worden sei.
Vorbestrafte Politikberaterin beschäftigt, Vorwürfe wegen Helferszene
Tatsache ist auch: Motown beschäftigte über mehrere Monate hinweg eine wegen Nötigung, Körperverletzung und auch Internet-Hetze vorbestrafte Politikberaterin, die mit der Facebookseite „Faktencheck Ahrtal“ wahre Hetzkampagnen gegen Helfer im Ahrtal mit hoher Reichweite startete. Besonders Helfer mit großer Reichweite wie der Landwirt Markus Wipperfürth und der Gartenbauer Wilhelm Hartmann sehen sich bis heute einer massiven Hetze ausgesetzt, beide klagen einer organisierten Diffamierungskampagne gegen sie und ihre Unternehmen, die bis heute anhalte, vor Gericht.
Motown hatte offiziell eingeräumt, über mehrere Monate hinweg Zahlungen an die Politikberaterin geleistet zu haben – wofür genau, ist bis heute unklar. Ein angebliches Konzept „KaitAid“ in Sachen Katastrophenschutz wurde bis heute nicht öffentlich vorgelegt, weitergehende Fragen beantwortet Motown auch auf Anfragen der Presse nicht – auch nicht auf mehrfache Nachfrage.
Immer wieder erheben Helfer aus dem Ahrtal stattdessen Vorwürfe: Man habe die freie Helferszene systematisch vergrault, stattdessen seien die Leistungen an Motown und ihre m2a vergeben worden – tatsächlich sollten Personalleistungen für andere Hilfsorganisationen exklusiv über die m2a abgewickelt werden, wie Mainz& im Juni berichtete.
Geldgeiler Typ im Proleten-Outfit: „geldgierig, machtgeil“
Stattdessen veröffentlichte Motown nun ein Video auf Youtube, in dem sie den gesamten Themenkomplex offenbar satirisch spiegeln will. In dem Video inszeniert sich Motown als geldgeiler Typ im Proleten-Outfit mit goldener Jacke, goldenem Käppi und Goldkette um den Hals, oder als Bonzenartiger Investor mit Zylinder, dem es nur um Geld geht. Immer wieder fliegen Geldscheine durch Bild, verschwindet Steuergeld in ihrer Weste oder wird im Boden in Form von Melonen verbuddelt.
Im Text heißt es dazu: „Sie hat alle getäuscht und uns dann ausgelacht, Hat sich die Spendengelder eingesteckt! Das steht alles auf Facebook! Regierungslakaie, Von den Behörden eingesetzt! Das klickt sich gut, das liebe Geld, der ganzer Hass, das klickt sich gut.“ Eingeblendet werden schließlich Sprechblasen mit angeblichen Kommentaren gegen Motown aus den sozialen Medien – ob sie tatsächlich gefallen sind, ist angesichts der anonymisierten Sprechblasen ohne Quellenangabe nicht nachzuvollziehen
Motowns Hauptvorwurf richtet sich indes gegen die Medien, allen voran Springer und die BILD-Zeitung: Man habe allein wegen Klicks im Internet Vorwürfe konstruiert rufe „Skandal!“ und werfe Motown vor, sich an Steuergeldern bereichert, „gnadenlos abgezockt“ und „geldgierig, machtgeil“ andere Helfer vertrieben zu haben. „Das alles, alles, alles, alles bringt die BILD ans Licht. Die Wahrheit interessiert da nicht“, heißt es und weiter: „Das klickt sich gut, ganz Deutschland findet Missy scheiße, Fett abgedruckt, und nur das Ahrtal zweifelt leise.“
Heftige Reaktionen auf Video: „mega“ bis „geschmacklos“
Gleichzeitig zieht Motown erneut die Karte in Sachen angeblicher Diskriminierung: Die werde angefeindet wegen ihrer blauen Harre, wegen ihrer lesbischen Orientierung und „mit wem war Missy noch im Bett“ – dabei spielten alle diese Punkte in der Berichterstattung der Medien oder in den Fragen der Opposition im Parlament nachweislich keinerlei Rolle. „Ich antworte sehr persönlich auf den ganzen Stuss, der über mich verbreitet wird“, schrieb Motown dazu auf ihrer Facebookseite, und ergänzte: „Viel Spaß beim Abfeiern und dann geht mal alle raus spielen!“
Doch nach Spielen war insbesondere vielen Betroffenen aus dem Ahrtal beim Anblick des Videos nicht zumute. Motowns eigene Follower reagierten euphorisch: „Meeeegaaaaa Dieses Video als Reaktion auf dieses ganze Gebashe ist einfach brillant“, kommentierte eine Unterstützerin auf Youtube. Das sei „eine geile Mediensatire“, ergänzte ein anderer, und ein weiterer schreibt: Das sei eine „super Antwort auf das Geschwurbel der Freien Wähler und diverser Lohnunternehmer.“
Doch einem großen Teil der Zuschauer verschlug es offenbar den Atem: „Ich finde das sehr geschmacklos“, kommentieren gleich mehrere Zuschauer, und ein anderer schreibt: „Was ist das für ein schei… was soll das? Sich auch noch über die Opfer lustig machen, Ihr seid das Allerletzte!“ Andere Reaktionen sprechen von „Schwachsinn“, das Video zeige, wie „unseriös“ Motown auftrete. Auch andere teilten ähnliche Eindrücke: „Sorry, das geht mal gar nicht…sich bis zum heutigen Tag öffentlich nicht äußern wollen zu den Vorwürfen und dann so ein Video raus kloppen…bestätigt nur mein bisheriges Bild von Frau Motown… Glückwunsch zum Eigentor.“
Video stößt Flutbetroffenen übel auf: „Viele fühlen sich verspottet“
Tatsächlich stieß das Video gerade vielen Flutbetroffenen im Tal ausgesprochen übel auf – sie äußerten sich fassungslos, dass so kurz vor dem Jahrestag der Flutkatastrophe im Ahrtal am 14. Juli ein solches Werk gepostet werde. „Findest du das eigentlich richtig Missy?“, fragt etwa eine Ahrtalerin: „Ich bin als Flutbetroffene fassungslos über dieses Video… besonders paar Tage vor dem Jahresgedächtnis!“ Das Ahrtal zweifele angeblich „leise“, kritisiert eine andere Flutbetroffene: „Ich denke nicht! Das Ahrtal hat für solch einen Schwachsinns Video aber keine Zeit und auch keine Kraft!“
„Das Thema Geld ist im Ahrtal ein Tagesthema“, berichtet Wilhelm Hartmann, Gartenbauer aus Fulda, der als einer der ersten Helfer am Tag nach der Flutkatastrophe im Ahrtal anpackte, ein Baustoffzelt und ein Containerdorf aufbaute, und bis heute zahlreiche Kontakte zu Flutbetroffenen hat. Bei ihm sie den ganzen Tag über das Telefon heiß gelaufen mit wütenden und entsetzten Reaktionen auf das Video, berichtete Hartmann gegenüber Mainz&.
Der Grund: Geld sei ein höchst sensibles Thema im Ahrtal – eben weil gerade so viele Betroffene bis heute keine Entschädigung oder Wiederaufbauhilfe von Versicherungen oder Land erhalten hätten. „Ich wüsste nicht einen Betroffenen, der sich nach der Flut besserstellt als vorher, aber Missy schmeißt in dem Video mit Geld herum und kommt als wandelnder Goldbarren daher“, sagte Hartmann: „Für die Betroffenen ist Geld aber ein Leidthema, sie stellt sich als Gewinnerin hin – vielen Betroffenen ist das regelrecht in den Magen gefahren“, berichtet Hartmann von den Reaktionen: „Sie haben es als persönlichen Angriff empfunden, viele Ahrtaler fühlen sich verspottet.“
„Soll das Satire sein? Es ist geschmacklos und pietätlos.“
Viele Betroffene hätten bis heute Existenzängste, „das Nervenkostüm ist ganz, ganz dünn geworden“, berichtet Hartmann weiter. Gerade eine Woche vor dem Jahrestag der Flut kämen bei vielen die Emotionen wieder hoch, das Video stoße da „ganz vielen Leuten extrem bitter auf.“ Auch dass die Helfer nun in dem Video auf einmal „zum Feind erklärt“ würden, tue weh – mit Satire habe das nichts zu tun, findet Hartmann.
Tatsächlich hatten offenbar auch viele Zuschauer auf Youtube Schwierigkeiten, in dem Video die Satire zu sehen: „Unterste Schublade“, schrieb da eine Kommentatorin, „nichts anderes habe ich erwartet, pietätlos. Respekt 7 Tage vor dem Jahrestag sich so in Szene zu setzen, dass sagt doch schon alles aus und die Anhänger jubeln, schämen sollten sich alle Ziemliches Eigentor, wie armselig.“
Eine solche Häufung kritischer Kommentare ist auf der Plattform Youtube eher ungewöhnlich – zumal die kritischen Stimmen deutlich mehr Likes bekamen als die jubelnden. Und so schreibt ein Kommentator: „Soll das Satire sein? Man weiß es nicht. Eines aber ist es auf jeden Fall. Geschmack- und pietätlos. Gerade zu dieser Zeit.“
Info& auf Mainz&: Das ganze Video könnt Ihr Euch hier auf Youtube ansehen, ebenso alle oben zitierten Kommentare im Wortlaut. Alle Berichte rund um die Auftragsvergaben an den Helferstab und Missy Motown findet Ihr hier unserem großen Ahrtal-Dossier – dort könnt Ihr auch selbst mal nachschauen, ob es Diffamierungen wegen Aussehens oder sexueller Orientierung von Motown gab… Einen grundlegenden Text zu Hass und Hetze in der Helferszene im Ahrtal lest Ihr hier bei Mainz&.