Anderthalb Jahre nach der Einleitung von Bußgeldverfahren wegen nächtlicher Verspätungslandungen am Frankfurter Flughafen hat Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) nun das Ergebnis präsentiert: Die Fluglinie Laudamotion werde „verpflichtet, ein Bußgeld in Höhe von 272.500 Euro zu bezahlen“, sagte Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) am Dienstag in Wiesbaden. Die übrigen der insgesamt 165 Verfahren gegen die Fluglinien Condor und Ryanair wurden hingegen eingestellt. Diese Fluglinien hätten ihre Abendflüge zum Teil deutlich nach vorne verlegt, um Verspätungen zu verringern, sagte Al-Wazir. 2019 sei die Zahl der nächtlichen Verspätungslandungen zudem auf rund 600 gesunken. Man werde aber die Lage weiter genau beobachten und notfalls erneut Verfahren einleiten.
Es war vor allem im Sommer 2018, als die Zahl der nächtlichen Verspätungsflüge geradezu explodierte: Bis zu 203 Verspätungsflüge nach 23.00 Uhr in einem Monat, und das, obwohl am Frankfurter Flughafen eigentlich ab 23.00 Uhr ein Nachtflugverbot gilt. Die Gesamtzahl des Jahres 2018 gab das hessische Verkehrsministerium nun mit 1.054 an, 2019 hatte man noch von 1.098 gesprochen – Fluglärmgegner sprechen gar von rund 1.600 Nachtflügen in Frankfurt. Die Differenz entsteht durch die Wertung: Das hessische Ministerium zählt dazu nur solche Flüge, die nicht aus echten Notfällen heraus entstanden sind.
Am Frankfurter Flughafen gilt seit dem Ausbau mit der dritten Landebahn ein Nachtflugverbot von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr morgens. Damit dürfen nach 23.00 Uhr nur noch solche Flugzeuge landen, die sich aufgrund von nicht-vorhersehbaren Schwierigkeiten verspäten – also wegen Streiks, Unwettern oder Notfällen. Die Fluglinien dürfen hingegen ihre Flugpläne nicht so eng takten, dass eine Landung nach 23.00 Uhr billigend in Kauf genommen wird – genau das aber warf Al-Wazir 2018 gleich drei Fluglinien vor: Condor, Laudamotion und Ryanair. Kritiker machten für den erheblichen Anstieg der Verspätungen denn auch die neu in Frankfurt angesiedelten Billigairlines verantwortlich, tatsächlich sorgte etwa die irische Fluglinie Ryanair zeitweise für 75 Prozent der Verspätungen.
Die Hessen leiteten 2018 insgesamt 163 Bußgeldverfahren gegen einzelne Piloten ein, so sieht es die aktuelle Gesetzeslage vor. Das Land wolle aber nicht den einzelnen Piloten treffen, der ja meist gar nichts dafür könne, hatte Al-Wazir wieder und wieder betont – Ziel sei, die Airlines zu Änderungen zu zwingen. Das sei gelungen, betonte Al-Wazir nun: Man habe die Verfahren gegen Condor und Ryanair eingestellt, weil die Zahl der Verspätungen bei diesen beiden Fluglinien deutlich zurückgegangen sei. Beide Airlines hätten Flüge deutlich nach vorne verlegt, um Verspätungen erheblich zu reduzieren, betonte Al-Wazir. Der Druck der Politik auf die Airlines habe also „durchaus Wirkung gezeigt.“ Das zeigten auch die auf rund 600 Verspätungslandungen gesunkenen Zahlen in 2019.
Fluglärm-Gegner hatten zuletzt allerdings auch aufgezeigt, dass nur noch jede dritte Nacht im Rhein-Main-Gebiet ganz ohne nächtlichen Fluglärm ist. Die Einstellung habe man mit der Warnung verbunden, jederzeit neue Verfahren einleiten zu können, betonte der Minister: „Wir wollen sicher gehen, dass dieses schärfste Schwert auch scharf bleibt.“ Das Bußgeld gegen Laudamotion zeige ja, „dass wir Verstöße nicht dulden und mit empfindlichen Strafen ahnden“, unterstrich Al-Wazir. Laudamotion gehört seit 2018 zu Ryanair, die Flüge von Frankfurt aus wurden inzwischen eingestellt.
Das Bußgeld wird nun wegen insgesamt 68 Verspätungsflügen des Fluges Laudamotion OE 319 von Mallorca nach Frankfurt eingeleitet. Der Flieger habe regulär um 22.45 Uhr in Frankfurt landen sollen, nicht einmal die Hälfte der Flüge sei aber rechtzeitig eingetroffen, sagte die hessische Fluglärmbeauftragte Regine Barth. Noch im September 2018 seien von 28 geplanten Landungen in Frankfurt 13 nach 23.00 Uhr eingetroffen, acht hätten es gar nicht erst bis Frankfurt geschafft. Man habe der Fluglinie nachweisen können, dass in diesem Fall die falsche Flugplangestaltung schuld sei.
Für das Bußgeldverfahren war eine aufwändige Ermittlungsarbeit nötig, um der Airline auch wirklich ein Organisationsversagen nachweisen zu können. Ein Bußgeld können die Behörden nur festsetzen, wenn der Grund der Verspätungsflüge nachweislich in der Flugplangestaltung der jeweiligen Fluggesellschaft liegt. In vielen Fällen hätten aber im Sommer 2018 mehrere Gründe vorgelegen wie Streik oder Unwetter, berichteten die hessischen Ermittler. In Frankfurt ging man dazu über, nach einer Verspätungslandung umgehend den Piloten nach den Gründen zu befragen, anschließend wurden die Angaben mit Daten des Ausgangsflughafens abgeglichen.
Den Durchbruch habe schließlich die Auswertung von Daten der europäischen Flugsicherung Eurocontrol gebracht, berichtete Barth weiter: Dort werde nicht nur erfasst, wann der Pilot abhob, sondern auch, wann er hätte abheben sollen. Dann sei geprüft worden, ob sich das systematisch von den Angaben der Piloten unterscheide – bei Laudamotion habe man so feststellen können, dass die Gründe für die Verspätungen tatsächlich hausgemacht waren. „Es hat auch deshalb so lange gedauert, weil wir es rechtlich absolut sicher machen wollten“, sagte Barth – Klagen der Fluglinie gegen den Bußgeldbescheid, der am Montag ausgestellt wurde, gelten als wahrscheinlich.
Für die Höhe des Bußgeldes wurde zum einen der Bußgeldrahmen von 50.000 Euro ausgeschöpft, dazu aber wurde auch der wirtschaftliche Vorteil für die Airline berechnet, die sonst Entschädigungsansprüche und Rückführungskosten für die Passagiere hätte zahlen müssen. Zugrunde gelegt wurden hier 150 bis 180 Passagiere bei jedem der 68 Verspätungsflüge. Al-Wazir kündigte zudem an, das Ministerium werde die weitere Entwicklung genau beobachten: „Die Zahl der Verspätungen war im Sommer 2018 inakzeptabel“, betonte er. Auffälligkeiten gegenüber den Airlines würden in Zukunft sofort angesprochen, rechtswidriges Verhalten geahndet. „Der Aufwand hat sich gelohnt“, fügte Al-Wazir hinzu. Gleichzeitig kritisierte er, dass eine Gesetzesänderung, die die Airlines in die Pflicht nehmen würde, zwar im August 2018 vom Bundesrat beschlossen, von der Bundesregierung aber nie an den Bundestag weitergeleitet wurde.
Aus der hessischen Politik kamen hingegen skeptische Reaktionen: Es sei ja grundsätzlich zu begrüßen, „dass endlich das Durchlöchern des Nachtflugverbots ein Bußgeld zur Folge hat“, sagte die hessische Linkenchefin Janine Wissler. Allerdings sei auch „zu beklagen, dass das Nachtflugverbot schon lange Zeit missachtet und durchlöchert worden ist“, das Verkehrsministerium habe dazu aber „nur mahnend den Finger gehoben.“ Wer sich die Flugpläne und Flugzeug-Umläufe der Billigairlines wie Ryanair anschaue, „sieht jedoch, dass dies nicht zuverlässig funktionieren kann“, kritisierte Wissler.
„Mit Bußgeldern alleine wird man das Problem nicht aus der Welt schaffen, es muss dringend an der Wurzel gepackt werden“, forderte auch die Fluglärmschutzbeauftragte der Stadt Frankfurt, Ursula Fechter, die sich zugleich freute, dass die Airlines endlich für Verspätungslandungen „tief in ihre Taschen greifen“ müssen. Die Flughafenentgelte des Flughafenbetreibers Fraport für den Nachtzeitraum seien aber immer noch viel zu niedrig. „Ich kämpfe für eine Erhöhung der Flughafenentgelte und gesonderte Lärmzuschläge für Verspätungsflüge, die vor 22.00 Uhr geplant waren“, sagte Fechter.
Enttäuscht äußerten sich auch Vertreter der Bürgerinitiative gegen Fluglärm in Mainz: Es werde nur eine einzige Gesellschaft belangt, nicht aber Condor und Ryanair, kritisiert Joachim Alt vom Arbeitskreis Fluglärm in Mainz-Hechtsheim. Bei Condor falle zudem auf, dass die Gesellschaft 4.000 Mitarbeiter in Hessen beschäftige und das Land Hessen aktuell eine Garantie im Zusammenhang mit einem Staatskredit gegeben habe. „Damit wird deutlich, dass die hessische Landesregierung unfähig ist, die Anwohner vor der Störung der Nachtruhe wirksam und vor allem nachhaltig zu schützen und lediglich eigene Interessen verfolgt“, kritisierte Alt. Die Gesundheit der Anwohner „mutiert so zu einer rein verbalen Floskel.“
Die Initiative „Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr e.V.“ (IKUL) ruft für den Fastnachtsfreitag zur Protestkundgebung vor der Fernsehsitzung von „Mainz bleibt Mainz“ auf. „Fastnacht ist traditionell fast schon eine Demo – besonders in Mainz, wird hier die politische Fastnacht doch groß geschrieben“, sagte Erwin Stufler vom Vorstand der IKUL. Die Themen der Bürgerinitiative seien aktueller denn je: Klimaschutz und CO2-Reduzierung, Umweltschutz und weniger Feinstaub, Lärmschutz und die Forderung nach einer „echten“ Nachtruhe von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr.
„Diese Themen bestimmen leider nicht nur zur Fastnachtszeit unser Leben“, betonte Stufler, vor der Fernsehsitzung wolle man aber die Gäste noch einmal auf die Themen hinweisen. Zwischen 18.00 und 20.00 Uhr „wollen unsere Teilnehmer die Gäste fastnachtlich begrüßen und schon ein bisschen auf einige Schwerpunkte der diesjährigen Kampagne einstimmen“, sagte Stufler: Klimaschutz, „Greta“ und CO2 fehlten aktuell in kaum einer Fastnachtssitzung. Damit veranstalte die BI bereits die 9. Mahnwache am Fastnachtsfreitag vor dem Mainzer Schloss, betonte Stufler: „Wir sind quasi das Vorprogramm der Sitzung.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Rekordjahr 2018 in Sachen nächtlicher Fluglärm könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen. Eine Bilanz der Nachtflüge von Seiten der Fluglärm-Initiativen lest Ihr hier bei Mainz&, einschließlich neuester Erkenntnisse, wie schädlich nächtlicher Lärm für die Gesundheit ist. Mehr zum Thema Nachtfluglärm und Verfahren dagegen lest Ihr auch in diesem Mainz&-Artikel aus dem Juli 2018.