3sat kann weg – wirklich?! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in der Krise, die Sendeanstalten von ARD und ZDF gelten als zu behäbig, zu teuer und oft auch als nicht mehr kritisch genug gegenüber der Politik. Gerade legte die Rundfunkkommission der Länder deshalb umfangreiche Reformvorschläge vor, die eigentlich Sparvorschläge sind, einer davon: Die Zusammenlegung der Sender ARTE und 3sat. Doch dagegen rührt sich prominenter Widerstand, auch von einem bekannten Mainzer: Kabarettist und Comedian Tobias Mann ruft nun dazu auf, 3sat zu retten – als Heimat von Kultur und Kabarett.

„Die Zeit drängt“, schrieb Tobias Mann am Dienstag auf seinem Facebook-Profil: „Nur noch bis zum 11.10. wird über die Reform beraten.“ Gemeint: Eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Reformvorschläge der Rundfunkkommission der Länder wurden Ende September vorgelegt. Darin: Spar- und Kürzungsvorschläge, die hauptsächlich Spartensender treffen sollen – an der grundlegenden Struktur der Sendeanstalten soll sich hingegen so gut wie nichts ändern.
Dabei sind die Probleme hinlänglich bekannt: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist eine Säule von Meinungs- und Pressefreiheit, die guten Journalismus gerade im Bereich Nachrichten garantiert, dazu den Bildungsauftrag mit Kultur, Wissenschaft und Kinderfernsehen erfüllt. Doch die Anstalten der Fernsehsender sind längst auch zu vielfach unbeweglichen Tankern mutiert, in denen immer mehr Geld in die Verwaltung der Verwaltung fließt – und immer weniger Geld für anspruchsvolle Programme zur Verfügung steht.
Reformplan: 3sat und ARTE sollen zusammengelegt werden
Allein die ARD leistet sich rund 70 Radiowellen, da wird dann schon mal die Frage gestellt: Braucht es das wirklich alles? Im föderal strukturierten Deutschland besteht zudem jedes der 16 Bundesländer auf einem eigenen Landessender, was zwar zu regionaler Vielfalt, aber eben auch zu vielfachen Doppelstrukturen führt – nicht immer mit produktiven Ergebnissen: Als Zuschauer stellt sich da schnell die Frage, ob es die ganzen Krimis von Nordsee bis Bodensee tatsächlich alle braucht, und ob stundenlange Schlager-Wohlfühlsendungen wirklich ein Bildungsauftrag sind.

In diesem Jahr verweigerten die Länder zudem eine Anhebung des Rundfunkbeitrags kategorisch, die Folge: Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss gespart werden – nur wie? Die Rundfunkkommission will nun die 70 Radiowellen auf 53 reduzieren und dazu Spartensender bei den Nachrichten – Tagesschau24, Phoenix, ARD-alpha und ZDFinfo – und im Bereich Kinder – KiKa, Funk, ZDFneo und ARD One – zusammenlegen.
Auch den Bereich der Kultur soll es treffen – doch hier regt sich massiver Widerstand: Der Kulturkanal 3sat nämlich soll nach dem Willen des Reformpapiers im deutsch-französischen Sender ARTE aufgehen, dagegen aber protestieren gleich Scharenweise Kulturschaffende aller Sparten: Eine Petition im Internet unter dem Titel „Rettet 3sat – unser Kultursender darf nicht verschwinden!“ haben Stand Dienstagabend bereits 91.869 Personen unterschrieben.
„3sat retten“: Petition hat bereits 92.000 Unterschriften
Gestartet hat die Petition die Kulturjournalistin Katja Riha, Adressat sind die Rundfunkkommission, die Ministerpräsidentenkonferenz sowie Kultur-Staatsministerin Claudia Roth (Grüne). „3sat steht seit 40 Jahren für anspruchsvollen Journalismus, Kunst, Kultur und Wissenschaften haben hier ihre Heimat“, schreibt Riha in ihrer Petition. Die Zusammenlegung mit ARTE aber werde nun „de facto das Aus für 3sat bedeuten.“ Die Gesellschaft aber brauche „Kunst, Theater, Kino, Literatur, Musik, Tanz, Comedy und all die vielen kreativen Menschen, die uns auf 3sat täglich bereichern, irritieren und nachdenken lassen.“, plädiert Riha.

„Lasst uns das nicht tatenlos hinnehmen“, fordert die Fernsehmacherin deshalb: „Wir brauchen 3sat als Plattform für kritische Debatten, als Bühne für kreative Vielfalt und als Stimme der europäischen Kultur.“ In dasselbe Horn stößt nun auch ein prominenter Mainzer: Faktisch wird von 3sat, wie wir es kennen, nicht viel übrig bleiben – ich halte das für einen großen Fehler“, schrieb am Dienstag Tobias Mann, Comedian und Kabarettist aus Mainz.
Mann hat mit 3sat Karriere gemacht, einen seiner ersten Kabarett-Fernsehauftritte hatte er bei 3sat in der Sendung „Volker Pispers und Gäste“. „Natürlich bin ich befangen, da ich seit vielen Jahren Teil des 3sat-Programms sein darf“, schreibt Mann weiter, und nennt als Beispiele das 3sat-Festival, die Sendung „Mann, Sieber!“ oder die Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises aus dem Mainzer Unterhaus, regelmäßig ausgestrahlt auf 3sat.
Tobias Mann: „3sat ist DIE Fernsehheimat für Kabarett“
„Zugespitzt formuliert: 3sat ist DIE Fernsehheimat für Kabarett – aber für so viel mehr noch. Wissenschaft, Forschung, Kultur, Musik, Diskussion – Sendezeit für wichtige Themen, die sonst im wilden Hashtag-Geballer des algorithmisierten Medienzirkus untergehen würden“, schreibt Mann weiter. 3sat sei „ein Gegenentwurf zu den oft unterkomplexen 60-Sekunden-Reels auf Social Media“, die Folge sei doch: „Wir brauchen also nicht weniger, sondern mehr 3sat – heute dringender denn je.“

Eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei „sicherlich sinnvoll und unausweichlich“, argumentiert Mann weiter: „Aber warum man gerade die größte Stärke des gebührenfinanzierten Fernsehens – nämlich die Freiheit, auch relevante Inhalte zu zeigen, ohne dem Massengeschmack folgen zu müssen – ‚reformieren‘ möchte, ist mir schleierhaft.“ Er lade jeden ein, einmal in der 3sat-Mediathek zu stöbern, er könne „garantieren, da wird jeder etwas finden, was er so noch nicht gesehen oder gehört hat, aber extrem spannend findet. Wenn es dergleichen nicht mehr gibt, verlieren wir buchstäblich ein Stück Kultur“, warnt Mann weiter.
346 Likes hat der Post auf Facebook bereits erhalten, Manns Follower geben ihm zum Großteil vollkommen Recht: „Habe unterzeichnet – gegen die weitere Verblödung durch soviel anderes….“, schreibt da ein Follower, ein weiterer klagt, das Bildungsniveau sinke allgemein, die vielen Privat-TVs jagten sich gegenseitig im Unterbietungswettbewerb für den kleinsten gemeinsamen Nenner, allenthalben gebe es Desinformationskampagnen – aber „die größtmöglich-unabhängigen Info- & Unterhaltungsmedien wollen wir kleinstutzen…“
Alternativ-Vorschläge: Weniger Schlager, weniger teuren Fußball
Andere schlagen vor, doch lieber bei überteuerten Fußballrechten zu kürzen, oder kommentieren schlicht: „Weniger Schlager, mehr Anspruch!“ Und eine weitere Followerin kommentiert trocken: „Wer 3Sat mit Arte zusammenlegen will trinkt auch Äppler mit Cola – das geht einfach nicht.“ 3sat wird übrigens gemeinsam von den vier öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern im deutschen Sprachraum gestaltet, nämlich der deutschen ARD und ZDF, sowie dem österreichischen ORF und dem Schweizer Fernsehen SRF – und zwar komplett ohne Werbung.

Was aber könne man tun, fragt Mann, und gibt auch gleich Tipps: Man könne natürlich bitte gerne die Petition unterzeichnen, aber auch der Rundfunkkommission der Länder eine Nachricht zukommen lassen – ein Formular dafür steht hier im Internet. Die Zeit dränge, heißt es auch in der Petition, denn schon am 11.10.2024 ende die förmliche öffentliche Anhörung zum Gesetzesentwurf. „Bis dahin zählt jede Stimme“, wirbt Riha, „denn nicht mal zwei Wochen später, auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz vom 23.- 25.10.2024 in Leipzig, könnte bereits das Aus des Senders beschlossen werden.“
Zu den Erstunterzeichnern gehörten übrigens Musiker wie Jan Delay, Wolfgang Niedecken und Hubert van Goisern, der Politikwissenschaftler Hajo Funke und Autorinnen wie Elke Heidenreich, Dietrich Grönemeyer oder Denis Scheck, dazu zahlreiche Schriftsteller, Schauspieler und Literaturkritiker.
Info& auf Mainz&: Die ganze Petition und ihre Unterzeichner findet ihr hier im Internet.