Die Fastnachtskampagne 2025 ist Geschichte, Zeit also für eine Bilanz – und da kann es nur eine geben: eine Garde nämlich. Genauer gesagt: Eine Ein-Mann-Garde, etwas, was es per Definitionem eigentlich gar nicht geben kann. Denn wie marschiert man als ein Mann im Gleichschritt? Wie verleiht man einander Orden oder Pöstchen? Die Antwort lautet natürlich: gar nicht – oder so, wie es die Mainzer Jägergarde tut: im Alleingang. Seit 11 Jahren beweist deren Gründer Bernd Frank, wie man dem Mainzer Gardewesen huldigen und es gleichzeitig auf den Arm nehmen kann. Und lebt damit das wichtigste in der Fastnacht überhaupt: das Talent, über sich selbst zu lachen.

„Nur wer sich selbst zum Narren macht, feiert echte Fassenacht“, heißt ein altes Sprichwort in Mainz. Doch gerade in der Fastnachtskampagne gibt es da die Tendenz zur eigenen Wichtigkeit. Da werden auf Ordensempfänge verdiente Mitglieder geehrt, man klopft sich gegenseitig auf die Schulter, wie bedeutend man sei, wie gelungen der Orden, wie sensationell die Sitzung – und über alle dem gerät ein wesentlicher Teil der Mainzer Fastnacht manches Mal klein und eher unbeachtet: Das zentrale Element der Narretei, nicht nur den anderen einen Spiegel vorzuhalten – sondern auch sich selbst.
Wie gut, dass es da diejenigen gibt, die dieses anarchische Element der Mainzer Fastnacht hochhalten, und vor genau elf Jahren traf das einen Teil der Fastnacht, der sich dagegen immun wähnte: das Gardewesen. Die Fastnachtsgarden wurden einst ja selbst als Parodie auf das preußische Militär erfunden, und sind doch heute selbst Meister der Regeln und Regulierungen, etwa bei Kleidungsvorschriften. Wehe dem, der aus der Reihe tanzt.
11 Jahre Ein-Mann-Garde: „Vielen hielten das für einen Witz“
„Vor elf Jahren kam ein gebürtiger Oberfranke, der zufällig über zwei Meter hoch ist, auf die absolut schwachsinnige Idee zu sagen, ich nenn mich jetzt mal Garde“, berichtete Bernd Frank, eben jener 2,04 Meter große Oberfranke und Wahl-Mainzer. Und bekannte zugleich auch: „Ich hatte von Fastnacht keine Ahnung, das hielten viele für einen Witz.“ In der Tat: Eine Garde ist nun wirklich per Definition jemand, der einer Gruppe angehört, doch Bernd Frank hat seit elf Jahren einen Heidenspaß daran, genau solche Traditionen auf den Kopf zu stellen.

Es begann im Jahr 2014 aus Franks Sammelleidenschaft für Jägermeister-Utensilien heraus, seine Sammlung könnte ein ganzes Museum ausstatten. Doch weil Frank eben auch ein großer Fan der Kneipenfastnacht war, zog der Jägermeister-Fan auch als Jägermeister in der Fastnacht umher. Irgendwann begann der studierte Grafik-Designer eigene Orden zu verteilen, von da war es nur noch ein kleiner Schritt zur eigenen Garde. Doch weil Frank eben „Hardcore-Individualist“ ist, wie er Mainz& Ende 2015 selbst erzählte, verhängte er nach der Gründung der „Meenzer Jägergarde“ gleich einen Aufnahmestopp – und macht auch daraus natürlich einen Witz.
Das mit dem Nachwuchs sei wirklich schwierig heutzutage, klagt Frank gerne, noch mehr schimpft er über die Ämterhäufung in seiner Garde: Da gebe es einen, der immer alles an sich reiße. Der sei Generalfeldmarschall, Leiter des Gardecorps und des Kadettencorps, sogar einen Frauenbeauftragten und einen Julia-Beauftragten gibt es – alles in einer Person. Und weil eine Garde eben eine Gruppe ist, spricht Bernd Frank auch konsequent von „wir“, gründete 2023 gar ein Trommlercorps, das natürlich ebenfalls aus einer Person besteht – ihm selbst – und marschierte damit bei Fastnachtsveranstaltungen auf, sehr zur Gaudi der übrigen Garden.
„Sind die anderen zu faul, können da nicht ein paar mehr mitlaufen?“
Das war nicht immer so: Die Ein-Mann-Garde stieß zu Beginn durchaus auf Irritationen und schiefe Blicke. „Mir hat man vor elf Jahren gesagt, eine einzelne Person kann doch keine Fastnachtsgarde sein“, erinnerte sich Frank nun bei seinem Ordensempfang zum 11. Jubiläum der Jägergarde. Als er sich erstmals zum Neujahrsumzug der Mainzer Garden am 1. Januar 2016 als Garde anmeldete, rief prompt der organisierende MCV an: „Der Thomas Rück sagte, du hast ja nur eine Person angegeben, sind die anderen zu faul, können da nicht ein paar mehr mitlaufen?“

Bernd Frank erklärte, das gehe wohl schlecht, er sei schließlich eine Ein-Mann-Garde: „Da hat der Thomas sich so kaputt gelacht, und sagte dann: da, haste ’ne Nummer – lauf!“ Bernd Frank lief, in orange leuchtender Paradeuniform, gesponsort von der Firma Jägermeister – und wenige Tage zuvor berichtete Mainz& über die kleinste Garde von Mainz mit dem größten Gardisten. „Dann schrieb die Gisela was bei Mainz&, dann schrieben Allgemeine Zeitung und SWR ab – und zack, war ich Stadtgespräch“, erinnerte sich Frank völlig korrekt: „Da bin ich mächtig stolz drauf.“ (Anmerkung der Autorin: wir auch…)
Nach dem Umzug Anfang 2016 wurde die Jägergarde gleich mal als Eskorte bei Fastnachtssitzungen eingeladen, ebenso zu Ordensempfängen. „Ich war Gardist und die Jägergarde ein Fakt“, erinnerte sich Frank. Dutzende Termine absolviert die Jägergarde heute in einer Kampagne, und Frank nimmt jeden einzelnen Ernst. Im Jahr 2020 nahm die Jägergarde dann erstmals auch am Rosenmontagszug Teil – mit „Darfschein“ und Unterstützercorps. In diesem Jahr war Frank mit einem rollenden Untersatz unterwegs, und natürlich hatte der Meister-Autoschrauber auch seinen eigene Pannendienst dabei.
Corona-Pandemie: Ein-Mann-Garde hält Fastnachts-Traditionen hoch
In der Corona-Pandemie wurde der Hüne in der orangenen Uniform dann gar in mehrfacher Hinsicht zum Symbol: „Als Garde konnten ‚Wir‘ ‚uns‘ komplett treffen“, berichtete Frank. Statt einem Ordensempfang fanden gleich 33 einzelne Empfänge statt – alle unter freiem Himmel und mit einem Gestell zum Sich-den-Orden-selbst-verleihen.

In Lockdown und Kontaktverbot absolvierte die Jägergarde den Neujahrsumzug der Garden buchstäblich im Alleingang, ein Symbol dafür, dass sich die Narretei eben nicht unterkriegen lässt. Ganz allein war Frank am Ende dann doch nicht, und so bot sich zufälligen Passanten ein kurioses Bild: Spazieren gingen am Neujahrsmorgen ein zwei Meter großer Gardist in leuchtend orangener Uniform samt Fahne – und in gebührendem Abstand dahinter liefen fünf Ranzengardisten spazieren, alle mit Mundschutz ausgestattet.
„Als ‚wir‘ 2016 zum ersten Mal beim Neujahrsumzug mitmarschiert sind, haben sich viele gefragt: was macht der jetzt daraus?“, erinnerte sich Frank einmal, und musste selbst bekennen: „‚Wir‘ wussten das auch nicht…“ Inzwischen ist aus der Jägergarde ein heimlicher Star der Mainzer Fastnacht geworden, 2020 gab es gar neue Uniformen für alle Mitglieder, seither tragen die Offiziere Samt und eine neue Standarte aus Seide wurde vorgestellt, natürlich von einem Hirschgeweih gehalten. „‚Wir‘ haben das alles so nicht geplant, aber ‚wir‘ sind sehr, sehr glücklich, dass der Zuspruch heute so ist“, sagte Frank damals. Auch ein Unterstützercorps gibt es inzwischen, 136 Mitglieder schwer.
„So viele Gardevertreter, die glauben, ein Mann kann eine Garde sein!“
Zum 5. Jubiläum im Januar 2018 kamen bereits 25 Vertreter Mainzer Garden, beim mittlerweile närrisch hochgerechneten 40. Ordensempfang zum 11. Jubiläum Mitte Januar 2025 waren es schon Vertreter von 50 Garden. „So viele Gardevertreter, denen ich elf Jahre vorlügen konnte, dass eine Person doch eine Fastnachtsgarde sein kann“, staunte Bernd Frank vor versammelter Gästeschar: „Vielen Dank dafür!“

Zum 11. Jubiläum hatte Frank sich vorgenommen, ein Video pro Tag der Kampagne mit Grußbotschaften auf seinen social Media-Accounts zu posten, es wurde eine echte Herausforderung. Nicht, dass es nicht genügend Gratulanten gegeben hätte: reihenweise gaben sich Vertreter von Garden und Fastnachtsvereinen vor einer Kamera die Ehre, lobten, staunten und gratulierten – doch immerhin „brauchen ‚wir‘ dafür nur lächerliche 130 Videos“, bekannte Frank.
Zustande kamen kurze spontane Statements, ausgefeilte Grußbotschaften, gesungene Glückwünsche, Fast-Schon-Büttenreden oder lustige Spontanaktionen – und wenn das Material mal ausging, halfen KI-generierte Größen wie Till Eulenspiegel, die Mainzelmännchen oder das Zugplakettcher Rolf Braun aus. „Was ‚wir‘, was ich hier mache, ist eigentlich das, was wir im Grunde alle machen wollen: es ist Fastnacht“, betont Frank: „Ich führe den andere Garden auch mal den Spiegel vor die Nase, und wer sich ertappt fühlt – das ist gut so.“
„Meenzer Hirsch“ für unsinnigstes Eigenlob der Kampagne
Und dann ehrt Bernd Frank das eine Mitglied der Jägergarde, „das tatsächlich schon elf Jahre dabei ist“ – tosender Jubel im Saal -, berichtet, dass selbiges Mitglied sich noch zu jung fühlt, um zum Alterspräsidenten ernannt zu werden, und sinniert, dass er zum Jubiläum ja auch gerne eine Prinzenpaar gehabt hätte. „War aber schwierig – die Prinzessin fehlte“, konstatiert Frank, und ernennet einfach sich selbst zum „Prinz des Abends“, Pappkrone inklusive.

Die Orden bekommen natürlich die Gäste, und das seit 2024 in verschärfter Form: Für den „Meenzer Hirsch“ der Mainzer Jägergarde „muss man sich selbst bewerben, der Grund muss besonders unsinnig sein, und man muss seine Laudatio selber halten“, erklärt Frank. 2025 schaffen das gleich zwei Kandidaten: Max Kiefer bewarb sich nach dem Motto, „ich mache alles in der Fastnacht, kann’s aber gar nicht“, um dann in seiner Laudatio einen astreinen gereimten Vortrag abzuliefern. „Du hast geschummelt“, stellte Bernd Frank fest, verlieh den „Meenzer Hirsch“ für die „diese erfrischende Erkenntnis und für seine dreiste Bewerbung“ aber natürlich trotzdem.
Preisträgerin zwei ging an Gaby Ackermann, die aus dem Urlaub heraus fünf Urlaubskarten mit „das Wetter ist schön, das Essen schmeckt lecker, und die Leute sind sehr nett“ schickte und anbot, sich sogar für den Preis in „Julia“ umzubenennen – was ihr prompt den preis einbrachte. „Ich habe wirklich alles versucht, den Meenzer Hirsch nicht zu bekommen, leider ist das Gegenteil eingetreten“, bekannte sie in ihrer Laudatio. Apropos Auszeichnung: Wenn eine Garde ein Jubiläum habe, stünden ihr ja zwei Stadtorden zu, merkte Frank an – die Jägergarde bekam ihren im Januar 2022 nach dem weltweit wohl ersten Fastnachts-Volksbegehren. „Bei uns hat wirklich jeder den Stadtorden“, musste Frank deshalb einräumen.
11 Jahre Jägergarde: „Der Herbert Bonewitz war genauso“
„Elf Jahre?“, sinnierte Frank nun: „Bin ich jetzt schon ’ne Traditionsgarde?“ Schwierige Frage, doch eines ist klar: Aus der Mainzer Fastnachtsszene ist die Jägergarde einfach nicht mehr wegzudenken. „Was Du hier abziehst, das ist wirklich Meenzer Fassenacht“, verneigten sich sogar die Brüder Andy und Matthias Bockius aka „Dobbelbock“ vor dem Jubilar, und das mit höchstem Lob: „Der Herbert Bonewitz war genauso. Nehmt euch bitte selbst nie zu ernst, es sei denn ihr heißt Ernst, dann könnt ihr nix dafür“, sagte Andy Bockius: „Denn so ist die Meenzer Fassenacht entstanden.“

Und dann sangen „Dobbelbock“ natürlich ihren Hit „Ohne Dich“, heißt es doch darin: „Ohne Dich, da gäb’s kein Fassenacht in Rot, Weiß, Gelb und Blau, die Welt wär‘ ziemlich grau- ohne Dich.“ Wie wahr doch Narrenworte sind. Zu Gast war übrigens auch der Vertreter der einzigen Garde in Deutschland, die ebenfalls noch die Farben Orange und Schwarz trägt: Die Prinzengarde im oberpfälzischen Hemau. Präsident Wolfgang Langbein höchstselbst war aus Bayern angereist, und staunte nicht schlecht ob des ausgelassenen Mainzer Narrentreibens.
Fazit des Abends: Gäbe es die Meenzer Jägergarde nicht, man müsste sie glatt erfinden. „Lieber Bernd“, sprach der langjährigste Gratulant der Garde, Franz Winkler von der Meenzer Kleppergarde: „Wir sehen uns in 111 Jahren wieder.“ Und die Ziele der Jägergarde für die nächsten Jahre? „Ich muss es mal schaffen, dass die Jägergarde Eskorte bei der Fernsehsitzung ‚Mainz bleibt Mainz‘ macht“, sagte Bernd Frank noch, „man muss ja Ziele haben.“ Na denn, liebe Fernsehmacher – vielleicht liest das hier ja jemand…
Info& auf Mainz&: Mehr zur Meenzer Jägergarde findet Ihr übrigens hier im Internet. Und natürlich: hier kommt noch schnell eine kleine Fotogalerie zum Jubiläumsempfang 11 Jahre Meenzer Jägergarde.