Am Ende waren es dann doch „nur“ 12,8 Prozent, doch die Tatsache bleibt: Die Alternative für Deutschland (AfD) ist der große Gewinner der Kommunalwahl in Hessen. In Wiesbaden kamen die Rechtspopulisten beim vorläufigen Endergebnis am Montagabend auf 12,8 Prozent und wurden damit vierstärkste Kraft in der Stadtverordnetenversammlung. Damit sitzen künftig 11 (!) AfD-Vertreter im Wiesbadener Rat. Derweil ruft die rechtsextreme NPD in Rheinland-Pfalz dazu auf, die AfD zu wählen. Die freut sich darüber nicht – offiziell zumindest.

Rathaus Wiesbaden
Im Wiesbadener Rathaus sitzen künftig 11 AfD-Vertreter im Rat – Foto: gik

15,9 Prozent standen am Sonntagabend in Wiesbaden bei der AfD zunächst zu Buche – es war der vorläufige Trend nach Auszählung von rund 60 prozent aller Stimmzettel. Am Montag dann wurden die Stimmzettel ausgezählt, auf denen Wähler kumuliert und panaschiert, also Stimmen quer an Personen und durch Parteien verteilt hatten. Und diese Feinheiten lagen den AfD-Wählern wohl nicht so: Von der Auszählung am Montag profitierten in ganz Hessen wieder die etablierten Parteien, vor allem SPD und CDU.

In Wiesbaden rettete das die Große Koalition hauchdünn: Mit 41 Sitzen im Rat könnten CDU und SPD auch künftig weiter regieren, allerdings ist jetzt die SPD stärkste Kraft. Die CDU brach mit 8 Prozentpunkten weniger regelrecht ein und kommt nun noch auf 24,7 Prozent. Die Sozialdemokraten verloren ebenfalls 3 Prozentpunkte, stellen nun aber mit 25,9 Prozent die stärkste Fraktion mit 21 Sitzen – die CDU hat nun 20 Sitze.

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Nur noch Viererbündnisse oder Große Koalition – also Weiter So

Die Grünen verlieren 5 Prozentpunkte, werden aber mit 14,1 Prozent noch drittstärkste Kraft. Allerdings haben die Grünen mit 11 Sitzen genau so viele wie die AfD. 8 Sitze gehen an die FDP, die auf 9,8 Prozent kommt (+4,8 Prozentpunkte), 5 Sitze an die Linke für 6,2 Prozent (+2,1 Prozentpunkte). Je ein Sitz geht an Piraten, BLW, Freie Wähler und ULW, sogar die AfD-Abspalktung Alfa kommt auf einen Sitz. Im 81-Sitze-Rat wären abseits einer Großen Koalition sonst nur noch Viererbündnisse möglich – damit wachen die Wiesbadener trotz Protest womöglich mit einem Weiter so auf. Ob das der Sinn einer Protestwahl ist?

Auch die Ergebnisse in den Stadtteilen relativierten sich am Montag: In Kastel kam die AfD am Ende auf 15,1 Prozent, die CDU auf 21,9 Prozent, die SPD wurde mit 27,3 Prozent stärkste Kraft. Die grünen lagen mit 15,4 Prozent hauchdünn vor der AfD, die Linke kam hier auf 8,5 Prozent, die FDP bei 6,3 Prozent. In Kostheim votierten aber noch immer 17 Prozent für die AfD, stärkste Kraft wurde auch hier die SPD mit 28,9 Prozent, die CDU sank auf 23,3 Prozent. Die Grünen holten in Kostheim nur 10,1 Prozent, die Linke 7,5 Prozent und die FDP 6,5 Prozent. Das waren die Ergebnisse zur Stadtverordnetenversammlung – die Ergebnisse zu den Ortsbeiratswahlen standen schon Sonntagabend fest, Ihr lest sie hier.

„AfD kann Dankeskarte an Horst Seehofer schicken“

Vorläufiges Ergebnis Stadtratswahl Wiesbaden 2016
Vorläufiges Ergebnis der Stadtratswahl Wiesbaden 2016

Im politischen Wiesbaden herrschte unterdessen am Tag nach der Wahl Katzenjammer. „Wir hatten gestern eine klassische Protestwahl“, sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Montag in Wiesbaden. Der AfD sei es „gelungen, Ängste in der Bevölkerung aufzugreifen“, den etablierten Parteien hingegen sei „nicht gelungen klar zu machen, welchen Plan wir haben.“ Die AfD spiele mit Ängsten aus Fernsehbildern und habe nur „das Ziel, die Gesellschaft zu spalten“, warnte SPD-Generalsekretärin Nancy Faeser. Die Menschen aber „wollen Antworten haben, wie es jetzt weiter geht“, betonte sie.

Und so verwiesen die Wiesbadener Landespolitiker bei ihrer Ursachensuche denn auch gemeinschaftlich nach Berlin: „Der Streit in der Koalition in Berlin war mit Sicherheit nicht förderlich“, kritisierte Bouffier. Denn eigentlich müsse die Politik doch deutlich machen, dass sie arbeite, voran komme und Lösungen habe. Auch Faeser nannte den Dauerstreit in Berlin als Hauptursache – und Linksfraktionschefin Janine Wissler meinte nur trocken: „Die AfD kann eine Dankeskarte an Horst Seehofer schicken.“ Der bayrische CSU-Chef habe viel „dazu beigetragen, dass das Klima so vergiftet ist.“

Denn wer jetzt weiter nach Rechts rücke, wer weiter über Grenzschließungen diskutiere und Stimmung gegen Flüchtlinge schüre, „der macht die AfD erst richtig stark“, warnte Wissler: „Dann wählen die Leute das Original, dann wählen sie gleich AfD.“

Rechtsextreme NPD ruft zur Wahl der AfD in Rheinland-Pfalz auf

Plakat der NPD Wahlaufruf für AfD
Plakat-Aufruf der rechtsextremen NPD zur Wahl der AfD in Rheinland-Pfalz – Foto: SWR

Zumal die von dezidiert rechter Ecke nun kräftig Unterstützung bekommt: Die rechtsextreme NPD rief am Montag dazu auf, AfD zu wählen und präsentierte dafür ein Plakat mit den Namen beider Parteien darauf, wie der SWR berichtete. Die AfD warb dabei auf ihrer Pressekonferenz in Berlin dafür, bei der Landtagswahl kommenden Sonntag die Erststimme der AfD und die Zweitstimme der NPD zu geben – entsprechende Plakate sollen jetzt gehängt werden.

Bei der AfD hieß es zwar, dies sei „keine abgestimmte Aktion“ und twitterte, das seien „unerträgliche Kooperationsangebote“, „mit der möchte die nichts zu tun haben!“ Doch bei der Kommunalwahl in Hessen zeigte sich das Stimmensplitting schon in der Realität: Nirgendwo traten AfD und NPD gleichzeitig an – und wo die AfD nicht antrat, holte die NPD zum Teil zweistellige Werte. Umgekehrt profitierte offenbar die AfD von Stimmen vom rechten Rand – AfD-Landeschef in Hessen ist Peter Münch, und der war früher bei den rechtsextremen Republikanern. Woran sich bei der AfD Hessen niemand stört.

Der NPD-Vorsitzende Frank Franz betonte jedenfalls die Gemeinsamkeiten der Parteien: Die Flüchtlingskrise zeige, dass „die Parteien, die grundsätzlich in eine ähnliche Richtung wollen, auch an einem Strang ziehen sollten“, sagte Franz laut SWR.de. NPD und AfD seien kein Gegensatz, sondern ein „gemeinsames Gegenmodell“, beide seien „heimattreu und patriotisch“.

Ein Wahlerfolg der AfD könnte sich jedenfalls auch in Rheinalnd-Pfalz wiederholen, glauben Politikbeobachter und -forscher. In den Umfragen liegt die AfD derzeit bei 9 oder 10 Prozent, dass die Rechtspopulisten in den Landtag einziehen, gilt als wahrscheinlich – wenn sich die Rheinland-Pfälzer nicht noch komplett umentscheiden. Sympathisanten könnten durch den Wahlerfolg in Hessen bestärkt werden, meint die Landauer Politologin Manuela Glaab. Das Ergebnis könne aber auch viele Bürger aufschrecken und an die Wahlurne treiben. Denn das gute AfD-Abschneiden wurde auch durch eines befeuert: die niedrige Wahlbeteiligung von 48 Prozent.

Info& auf Mainz&: Die große Analyse zur Wahl in Wiesbaden und dem Abschneiden der AfD bei der Kommunalwahl 2016 in Hessen lest Ihr in dem Mainz&-Artikel „Weckruf aus Wiesbaden“. Zum Bericht des SWR über die NPD-Aktion geht es hier.

 

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