Nach der Explosion der Sanierungskosten für das Mainzer Rathaus hatte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) ja plötzlich einen Bürgerentscheid zur Sanierung angekündigt – nun lehnt die CDU-Opposition diesen Vorschlag vehement ab. „Es ist ein schlechter Witz, dass Oberbürgermeister Ebling jetzt plötzlich vorschlägt, in dieser Frage die Bevölkerung entscheiden zu lassen“, kritisiert CDU-Fraktionsvorsitzender Hannsgeorg Schönig. Ebling und seine Ampel-Koalition wollten damit nur die Verantwortung für die Kostenexplosion „auf die Bürger abschieben.“ Das sei „ein Armutszeugnis und ein Zeichen von Schwäche.“ Mit ihrer Kritik steht die CDU nicht allein: Auch die ÖDP und die Architektenkammer Rheinland-Pfalz äußerten ganz ähnliche Kritik am Bürgerentscheid zum Rathaus. Und selbst die „Initiative Bürgerentscheid zum Mainzer Rathaus“ zeigte sich irritiert: Es sei gar nicht klar, über welche Frage jetzt abgestimmt werden solle.
Vergangene Woche hatte Oberbürgermeister Ebling einräumen müssen: Der 50 Millionen Euro-Deckel für die Sanierung des Mainzer Rathauses ist nicht zu halten, die Kosten werden auf 60 Millionen Euro klettern – mindestens. Ebling schlug deshalb einen Bürgerentscheid für die Rathaussanierung vor: Die Entscheidung für oder gegen eine Rathaussanierung müsse sorgfältig diskutiert und von einer breiten Mehrheit getragen werden, betonte Ebling, deshalb sollten neben dem Stadtrat auch die Bürger entscheiden, ob der Arne Jacobsen-Bau saniert werden und weiter als Rathaus dienen solle – oder ob das Rathaus verlagert werde. Als Alternativmöglichkeit nannte Ebling das Haus der früheren West LB an der Großen Bleiche, das derzeit zum Verkauf steht.
Doch auf den Vorschlag des OBs hagelte es Kritik: Das sei „eine Bankrotterklärung“ Eblings, der 50 Millionen Euro-Deckel „von Anfang an nichts anderes als eine reine Mogelpackung“ gewesen, kritisiert Schönig. OB und die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hätten „den Menschen in unserer Stadt bewusst Sand in die Augen gestreut und ihnen vorgegaukelt, dass mit diesem Betrag eine Sanierung des Rathauses möglich sei.“ Der Grund für den jetzigen Sinneswandel sei doch schlicht, dass „immer klarer wird, dass die Kosten für eine Sanierung aus dem Ruder laufen“, schimpft Schönig, und mit ihm die Mainzer CDU-Kreischefin Sabine Flegel. Nun wollten Ebling und Ampel „mit einem Bürgerentscheid die Verantwortung auf die Bevölkerung abschieben.“
Die CDU-Opposition kritisiert zudem, dass Ebling zwar seit fünf Jahren die Sanierung des Rathauses wolle, aber nie alle Fragen dazu beantwortet oder gar eine realistische Kostenschätzung vorgelegt habe. „Die von ihm vorgelegten Zahlen waren nie vollständig, auch in der aktuellen Vorlage sind eine Vielzahl von zwingend notwendigen Maßnahmen nicht aufgelistet“, kritisiert Schönig. Eine echte Sanierung des Jacobsen-Baus würde „vermutlich mehr als 100 Millionen Euro kosten“, die CDU habe stets vor diesen „horrenden Kosten“ gewarnt.
Tatsächlich standen Kostenschätzungen von zwischen 80 und 100 Millionen Euro schon vor Jahren in entsprechenden Expertengutachten. Denn der 43 Jahre alte Bau des dänischen Architekten bröckelt an allen Ecken: Dach und Keller sind undicht, von der Fassade drohen Steine zu fallen, die Verankerungen der Fenstergitter sind sämtlich beschädigt, und sogar der Beton des Grundwerks bröckelt, wie der Generalgutachter der Stadt nun herausfand.
„Wir wissen doch in Wahrheit bereits jetzt, dass dieses Projekt im dreistelligen Millionenbereich landen wird, was uns auch diverse Experten bestätigt haben“, heißt es deshalb auch von der „Initiative Bürgerentscheid zum Mainzer Rathaus“. Die Initiative wird von Vertretern der Jungen Union und der Jungen Liberalen getragen, die beiden führenden Köpfe Felix Leidecker und Tobias Huch hatten bereits im Januar 2013 einen Einwohnerantrag im Stadtrat über einen Bürgerentscheid zum Mainzer Rathaus eingebracht – ausreichend Unterschriften der Mainzer Bürger inklusive. Der Bürgerentscheid kam nie, doch erst mit dem Einwohnerantrag habe eine seriöse Berechnung der Kosten begonnen, betonte Leidecker nun. Auch die nun genannten Kosten von 60 Millionen Euro seien aber doch „eine Milchmädchenrechung, weil erhebliche Faktoren wie Zwischenmiete, Umzüge, Denkmalschutz und Inneninstallationen nicht adäquat berücksichtigt wurden.“
Leidecker warf Ebling zudem vor, einen Stadtratsbeschluss vom Februar 2013 zu ignorieren, nach dem die Initiatoren des Einwohnerantrags für ein Bürgerbegehren durch OB und Hauptamt regelmäßig über die aktuellen Sachstände hätten informiert werden müssen. „Das ist seit vier Jahren nicht mehr geschehen, auch die aktuellen Zahlen wurden uns nicht vorgelegt“, kritisierte Leidecker, „das ist ein ungeheuerlicher Vorgang und für uns nicht akzeptabel.“ Man begrüße zwar, dass sich Ebling jetzt der Forderung nach einem Bürgerentscheid anschließe, wundere sich aber, dass der OB fast fünf Jahre gebraucht habe. Die Initiative fordere nun ein schlüssiges, seriöses und transparentes Finanzkonzept, eine Prüfung mehrerer Alternativen sowie eines Verkaufs des Rathauses und die Einbindung der Initiative, wie im Stadtratsbeschluss vorgesehen.
Die CDU wiederum hatte vor mehr als zwei Jahren vorgeschlagen, das marode Rathaus an einen Investor zu verkaufen, die repräsentativen Bereiche des Rathauses ins Schloss uzu verlegen und im Übrigen das Allianzhaus an der Großen Bleiche zu einem Verwaltungshaus umzubauen. Ebling hatte das als nicht machbar abgelehnt: Das Schloss sei viel zu klein, ein Umbau des Allianzhauses nicht sinnvoll. Nun aber liest sich der Alternativvorschlag des Oberbürgermeisters überraschend ähnlich: Die Verwaltung könne in der alten West LB untergebracht, der Stadtrat im derzeitigen Interimsplenarsaal des Landtags im Landesmuseum ein neues Zuhause finden.
„In der Machbarkeitsstudie der Verwaltung kam wenig überraschend am Ende das Ergebnis heraus, was Herr Ebling, der Stadtvorstand und die Ampel von Anfang an präferiert haben, nämlich die Sanierung des derzeitigen Rathauses“, kritisiert die CDU deshalb – eine ernsthafte, neutrale Abwägung unterschiedlicher Optionen sei das nicht gewesen. „Jetzt rächt sich das einseitige Vorgehen“, kritisieren Schönig und Flegel, mit dem Allianzhaus hätte nämlich ein Grundstück für einen Neubau in Stadtmitte zur Verfügung gestanden, das sich zudem im Besitz einer stadtnahen Gesellschaft befinde. „Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass diese Option umsetzbar gewesen wäre“, betonen die Oppositionspolitiker: „Jetzt sind zwei weitere Jahre vergangen, und der OB, Herr Graffe und der Generalplaner verkündigen Ergebnisse, die eigentlich seit langem feststehen.“
Mit dem Bürgerbegehren versuche Ebling „letztlich nur, von seinem eigenen Versagen in dieser Sache abzulenken“ und die Verantwortung auf die Bevölkerung abzuschieben, kritisiert die CDU weiter: „Wenn sich die Bürger nämlich für eine Sanierung aussprechen und die Kosten immer weiter ausufern, dann kann er sich hinstellen und auf den Bürgerentscheid verweisen“, kritisieren Schönig und Flegel: „Ebling will schlichtweg nicht selbst Verantwortung übernehmen und einen Freibrief für die Sanierung erhalten.“ Der richtige Ort für diese Entscheidung sei in einer repräsentativen Demokratie das Parlament, hier würden Entscheidungen für die Allgemeinheit getroffen und Verantwortung übernommen.
In dieselbe Kerbe schlägt die ÖDP: Der Bürgerentscheid zum Rathaus sei „die reine Flucht nach vorn“, der OB schiebe „eine Verantwortung von sich, die er kurz nach seinem Amtsantritt noch ganz allein tragen wollte“, kritisiert ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler. Die Einbindung der Bürger hätte in den vergangenen fünf Jahren längst erfolgen können – die ÖDP-Fraktion habe etwa schon 2012 einen Bürgerentscheid zur Rathaussanierung gefordert. „Ebling hat die vergangenen fünf Jahre nun damit vergeudet, alle Versuche zu torpedieren, an tragfähigen Lösungsalternativen zu arbeiten“, wirft Moseler dem Stadtchef vor, den Fraktionen seien über ein Jahr hinweg Informationen vorenthalten worden mit dem Hinweis, die Rathaussanierung sei eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung. Die weitere Diskussion um die Rathaussanierung sei dann „vor allem durch Denkverbote geprägt“, mögliche Alternativen zu keiner Zeit ernsthaft erwogen worden.
Und selbst von der Architektenkammer Rheinland-Pfalz kommt harsche Kritik: „Wer entscheiden soll, ob Bürgerschaft oder Rat, braucht gleichwertige Alternativen, die liegen ernsthaft aber beim Rathaus nicht vor“, kritisiert die Geschäftsführerin Annette Müller. Nach zwei Jahren Schweigen der Stadtspitze zu den genauen Kosten der Rathaussanierung solle es „nun Knall auf Fall“ gehen, das Bürgerbegehren zur Rathaussanierung bereits am 29. November im Stadtrat beschlossen werden. „Das Gutachten zur Sanierung liegt öffentlich noch nicht vor, breit diskutiert ist es bei Leibe nicht“, betont Müller. Bislang sei völlig unklar, wieviel der Mehrkosten auf Mehrleistungen entfalle und ob nicht doch mit den 50 Millionen Euro eine Basissanierung von Fassade, Dachflächen, Fenstern und Haustechnik erfolgen könne.
„Alle Fragen offen, aber ein Bürgerentscheid steht schon einmal im Raum“, kommentiert Müller, „fundierte Information über die Folgen? Fehlanzeige.“ Der Stadt drohe „ein Mainzer Brexit“, denn „wenn es dumm läuft, steht anschließend eine ganze Stadt vor den Scherben der selbst herbeigeführten Misere.“ Das sei unverantwortlich, schimpft Müller: „Bürgerschaftlicher Unmut trifft auf Mutlosigkeit der Gewählten, wie soll sich daraus für Mainz Positives entwickeln?“
Info& auf Mainz&: Die neueste Entwicklung zur Mainzer Rathaussanierung und den Vorschlag von OB Ebling zu einem Bürgerentscheid findet Ihr hier auf Mainz&. Die ganze Geschichte mit dem ursprünglichen Kostendeckel sowie der Frage der Schloss-Sanierung könnt Ihr hier nachlesen. Infos rund um die Rathaussanierung samt altem Ideenwettbewerb und Schloss-Potenzialstudie findet Ihr hier bei der Stadt Mainz.