Wegen der Coronakrise sind Theater geschlossen, Spielstätten dicht, Konzerte und Auftritte – abgesagt. Das aber trifft eine Gruppe besonders hart: Freiberufler, Musiker, Autoren, Kabarettisten, Fotografen. „Ich bin, wie es aussieht, die nächsten paar Monate über zwangs-arbeitslos“, twitterte etwa die Kabarettistin Hazel Brugger, sie biete sich gerne als Kinderbetreuung an. Praktisch alle Auftritte im Kulturbereich werden von freiberuflichen Künstlern, Autoren, Musikern geleistet – sie alle stehen nun buchstäblich vor dem Nichts. Die Hilfsbeteuerungen der Politik erreichen bislang aber nur mittlere und große Unternehmen – kleine Freiberufler können mit Kurzarbeit und Krediten nichts anfangen. Doch Hilfe naht.
„Ein Vierteljahreseinkommen auf einen Schlag weg“ und keine Aussicht darauf, es nachholen zu können, schrieb ein Freiberufler in einem sozialen Netzwerk – unter Freiberuflern macht sich derzeit Verzweiflung breit. Künstler und Fotografen, Musiker, Jongleure und freie Autoren – ihnen allen bricht gerade jegliche Einkommensgrundlage weg. Theater und Kultureinrichtungen schlossen am Freitag ihre Tore, für wie lange, kann derzeit niemand sagen. Auch Festivals, Straßenfeste und Freiluftkonzerte – abgesagt. Rund fünf Millionen kleine Freiberufler gebe es in Deutschland, berichtete ein Gewerkschafter kürzlich – sie alle stehen nun buchstäblich vor dem Nichts.
Die Coronakrise trifft die Wirtschaft in Deutschland hart, die Gastronomie fürchtet um einen Großteil ihrer Betriebe, Unternehmen machen ihre Produktionsstätten dicht wie ab Dienstag der Autobauer Opel. Die Politik sicherte der Wirtschaft umgehend Unterstützung zu und gab unbegrenzte Hilfszusagen: Es werde „nicht gekleckert, sondern geklotzt, wir tun alles, was nötig ist“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und versprach unbegrenzte Kredite für die Unternehmen. Kurzarbeitergeld, Steuerstundung, Liquiditätshilfen – man lege „alle Waffen auf den Tisch.“ Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) versicherte nach Schließung der Theater und Konzerthallen prompt, Künstler und Kultureinrichtungen könnten sich darauf verlassen, „ich lasse sie nicht im Stich!“
„Wir werden die Künstler in dieser schwierigen Situation nicht alleine lassen“, versicherte auch der rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolff (SPD), auf Notlagen und Härtefälle werde man reagieren. Den Kulturbetrieben stünden grundsätzlich die Maßnahmen der Wirtschaftsförderung und der Kurzarbeit offen, betroffene Unternehmen könnten die Herabsetzung, Stundungen und Erlass der Steuerforderung oder Vollstreckungsaufschub beantragen. Man strebe zudem eine Härtefallregelung an, bei der Gelder der Kulturförderung des Landes ausgezahlt werden könnten, obwohl die Veranstaltungen nicht stattfanden, teilte ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage von Mainz& weiter mit.
Den zahllosen Freiberuflern helfen diese Maßnahmen aber praktisch gar nicht: Wie solle er denn Kredite zurückzahlen, wenn er kein Einkommen mehr habe, fragte ein Freier. „Viele meiner Kollegen sind nicht in der Lage, ohne weiteres einen oder zwei Monate ohne Einnahmen zu überbrücken, wie dies in der gegenwärtigen Lage jedoch vonnöten sein könnte“, schreibt David Erler – er startete vergangene Woche eine Online.Petition für schnelle „Hilfen für Freiberufler und Künstler während des Corona-Shutdowns“, mehr als 160.000 Unterschriften kamen bereits zusammen.
„Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert“, betont Erler, doch die Überlebensfähigkeit gerade derjenigen sei in akuter Gefahr, die diesen „geistigen Boden“ schaffen. „Die Gesellschaft mag für einige Zeit auf kulturelles Leben verzichten können, aber tut sie es zu lang, könnte am Ende niemand mehr da sein, der es wieder aufleben lassen könnte“, warnt Erler. Das Kompetenzzentrum für Populärkultur startete denn auch eine Blitzumfrage zu den Auswirkungen auf die Branche der Künstler und Freiberufler.
Minister Wolf betonte, man werde auch in solchen Notfällen „Lösungen im Sinne der Betroffenen finden“ – konkrete Hilfsprogramme aber gibt es bislang keine. Der Deutsche Kulturrat forderte umgehend einen Notfallfonds für Künstler, die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) schloss sich an: „Die fest angestellten Mitglieder der Konzert- und Theaterorchester sind durch die Lohnfortzahlung relativ gut abgesichert“, sagte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens: „Den Freischaffenden droht allerdings echte Existenznot.“ Das gilt noch viel mehr für Musiker, die mit Bands auf Festivals oder in kleinen Clubs auftreten, Schriftstellern, die von Lesungen leben. Der Kabarettist Florian Schröder bat deshalb Besucher von Kultureinrichtungen darum, sich solidarisch zu zeigen und ihre Eintrittsgelder nicht zurückzufordern.
Die Absagen treffen aber auch freie Journalisten und Fotografen ins Mark – ein Großteil der Berichte über Kulturveranstaltungen werden von ihnen geleistet. Der Berufsverband Freischreiber appellierte deshalb an die Auftraggeber, den Freien mit schnellen und unkomplizierten Zahlungen zu helfen und Ausfallhonorare zu gewähren. Der Deutsche Journalistenverband forderte, auch Freie müssten in den Genuss von Liquiditätshilfen kommen. Die DOV schlug vor, dafür die Künstlersozialkasse, die zentrale Sozialversicherung für Künstler zu nutzen: Ein dort angesiedelter Notfallfonds könne Betroffene kurzfristig mit Notfallzahlungen versorgen, sagte Mertens.
Auf den Punkt brachte die Sache wieder einmal Jan Böhmermann: „Kultur und Kunst sind kein Luxus“, schrieb der Comedian auf Twitter, „Wer Banken rettet“ müsse jetzt auch den Autoren, Künstlern und Kulturstätten helfen.“
Die gute Nachricht: Am Montag kündigten Kulturminister von Bund und Ländern nach einem Spitzengespräch Finanzhilfen und Härtefall-Mittel für Kultur- und Kreativwirtschaft an. Man habe vereinbart, „im erforderlichen Umfang Finanzhilfen und Mittel für Härtefälle insbesondere für freie Kulturschaffende sowie private Kultureinrichtungen und kulturelle Veranstaltungsbetriebe zur Verfügung zu stellen“, teilte Kulturminister Wolf mit, das sei ein wichtiges Signal: „Wir lassen die Kulturschaffenden jetzt nicht allein. Wir wollen ganz konkrete Hilfen gerade für die vielen freien Kulturschaffenden und die kleinen Kultureinrichtungen und -veranstalter.“
Die Auswirkungen des Corona-Virus gefährdeten die vielfältige und bunte Kulturszene in teilweise existentiellen Ausmaß, Bund und Länder müssten hier jetzt „gemeinsam unbürokratisch und schnell handeln.“ Wie genau Hilfsfonds jetzt organisiert werden sollen, das sei derzeit Gegenstand der Gespräche zwischen Bund und Ländern, teilte ein Sprecher des Ministers auf Mainz&-Nachfrage mit: „Wir wissen, dass der Zeitdruck hoch ist.“
Info& auf Mainz&: Die Petition zur Unterstützung für Freiberufler und Künstler in der Coronakrise findet Ihr hier im Internet. Ein selbstständiger Kollege, der freie IT-Berater Jürgen Kroder, hat auf startupwissen.biz eine sehr nützliche Linkliste zum Thema Coronavirus und Selbstständige zusammengetragen, dort findet Ihr auch Elster-Formulare zu Steuerstundungen und viele andere nützliche Tipps – hier entlang bitte! Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr ab sofort auf unserer neuen Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&. Aktuelle Informationen zum kompletten Shutdown ab Mittwoch findet Ihr hier bei Mainz&.