Am Sonntag ist nicht nur Kommunalwahl in Rheinland-Pfalz, der Kontinent Europa wählt auch ein neues Parlament – 27 Länder wählen vom 6. bis 9. Juni ihre Vertreter für das EU-Parlament in Brüssel. In Mainz sind aktuell genau 152.824 Menschen aufgerufen, bei der Europawahl ihre Stimme abzugeben. Sie haben die Auswahl unter 34 Parteien, ein Kandidat ist sogar ein prominenter Mainzer. Die große Besonderheit in diesem Jahr: Erstmals dürfen auch Jugendliche ab 16 Jahren ihre Stimme bei einer Wahl abgeben.
Für rund 3.000 junge Menschen in Mainz gibt es am Sonntag eine spannende Premiere: Sie dürfen erstmals an einer Wahl teilnehmen, und mit ihrer Stimme die Zusammensetzung in einem Parlament mitbestimmen. Möglich machte das eine Wahlreform, nach der nun erstmals auch in Deutschland junge Menschen im Alter von 16 bis unter 18 Jahren bei der Europawahl teilnehmen dürfen. Für Rheinland-Pfalz ist das eine Premiere: Hier gibt es das Wahlrecht ab 16 Jahren bisher nicht.
Die Wahl mit 16 Jahren ist durchaus umstritten, Studien haben festgestellt, dass sich viele Jugendliche in diesem Alter noch gar nicht für Politik interessieren. Viele andere tun es aber schon, Verfechter der Regelung argumentieren, wer wählen dürfe, interessiere sich auch eher – spannend dürfte hier also sein, wie die Wahlbeteiligung der Unter-18-Jährigen ausfällt. Die Stadt Mainz hatte jedenfalls die erstmalig wahlberechtigten rund 3000 Personen in einem persönlichen Anschreiben auf ihr neues Wahlrecht hingewiesen – das besteht aber nur bei der Europawahl, für die Stadtratswahl gilt das nicht.
Zahl der Briefwähler explodiert: In Mainz schon fast 40 Prozent
Insgesamt sind in Mainz genau 152.824 Menschen zur Stimmabgabe bei der Europawahl berechtigt, das sind rund 10.000 weniger als bei der Kommunalwahl. Insgesamt stehen für die Wahl in Mainz 221 Stimmbezirke zur Verfügung, davon sind 121 Urnenstimmbezirke und 100 Briefwahlbezirke – die Zahl der Briefwähler ist seit der Corona-Pandemie explosionsartig angestiegen. Vor fünf Jahren, bei der Europawahl 12019 gab es denn auch lediglich 57 Briefwahlbezirke, hier wurde deutlich nachjustiert.
Denn: Lag 2019 der Anteil der Briefwähler bei der Europawahl noch bei 29,5 Prozent, so hatten mit Stand 5. Juni 18.00 Uhr in Mainz bereits 39,33 Prozent der Wähler Briefwahlunterlagen für die Europawahl beantragt – das ist ein neuer Rekord. Nach Angaben der Stadt Mainz wird der Anteil der Briefwähler damit wohl im Vergleich zu 2019 um 8,5 und 9,5 Prozent steigen.
Ein Grund dafür waren sicher die Pfingstferien, die erst eine Woche vor der Wahl in Rheinland-Pfalz zuende gingen, ein anderer aber die Kommunalwahl: In Mainz etwa können die Wähler dabei bis zu 60 Stimmen einzeln vergeben, der überdimensionale Wahlzettel macht die Aufgabe mit dem Kreuz keine kurze Angelegenheit – wer aber bei der Kommunalwahl Briefwahl beantragt, tut das auch gleich bei der Europawahl mit.
34 Parteien stehen zur Wahl, darunter viele Kleinstparteien
Zur Auswahl stehen den Mainzern bei der Europawahl am Sonntag stolze 34 Parteien, der Grund: Bei der Europawahl gibt es in Deutschland bislang keine Fünf-Prozent-Hürde, zur Wahl tritt deshalb eine enorme Anzahl von Kleinstparteien an. Das gibt es so nur noch in Spanien, alle anderen EU-Länder haben eine Sperrklausel von drei Prozent. „Wer in Deutschland einen Stimmenanteil von etwa 0,5 Prozent erreicht, kann mit einem Sitz im Straßburger Parlament rechnen“, heißt es bei den Kollegen vom SWR.
Dabei hatte der Rat der Europäischen Union eigentlich schon 2018 seine Mitglieder dazu verpflichtet, „eine Sperrklausel von mindestens zwei und höchstens fünf Prozent bei der Europawahl einzuführen“, berichten die Kollegen weiter – Deutschland hat das aber bis heute nicht umgesetzt. Fest steht: bei der nächsten Wahl zum Europaparlament in fünf Jahren wird es dann aber eine Sperrklausel von zwei Prozent geben, denn Bundestag und Bundesrat haben dem bereits zugestimmt – das Gesetz ist aber noch nicht in Kraft getreten.
So können die Mainzer in diesem Jahr auch wieder munter zwischen Parteien wie SGP, „Menschliche Welt“, der Partei der Humanisten oder der Partei der Vernunft wählen. Auch die Klimaliste Deutschland tritt an, ebenso die „Letzte Generation“ mit einer eigenen Liste – sie hat sich den Slogan „Parlament aufmischen – Stimme der Letzten Generation“ sogar in den Namen geschrieben. Auch eine Partei namens „V hoch 3“ ist dabei, das Kürzel steht für „Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer.“
Auf Stimmzettel auch extremistische Parteien von Links und Rechts
Die Reihenfolge auf dem Stimmzettel ist übrigens in jedem Bundesland anders, bestimmt wird sie je nach dem Abschneiden der Partei bei der letzten Europawahl. So steht auf dem Stimmzettel in Mainz die CDU auf Platz 1, gefolgt von der SPD, den Grünen, der AfD, der FDP, den Linken und den Freien Wählern. „Die Partei“ folgt auf Platz 8, die Satirepartei von Martin Sonneborn holte 2019 genau zwei Sitze – seither hat Sonneborn Unterstützung von Nico Semsrott.
Die Tierschutzpartei folgt bereits auf Platz 9, gefolgt von der Familienpartei auf Platz 10 und der in Mainz eher bekannten ÖDP auf Platz 11, dahinter folgen Piraten und Volt. Auf der Liste stehen aber auf den Plätzen 22 bis 24 mit der „Deutschen Kommunistischen Partei“ (DKP) der „Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ und der „Sozialistischen Gleichheitspartei“ drei Parteien, die vom Verfassungsschutz als gesicherte extremistische Bestrebungen im Linksextremismus geführt werden.
Gleichzeitig gilt die Partei „Die Heimat“ (vormals: NPD) laut Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung, die AfD wird inzwischen als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus geführt. Neu dabei ist derweil das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das auf Platz 28 antritt. Trotz all der Vielfalt: Im Gegensatz zur Kommunalwahl hat man bei der Europawahl nur eine Stimme, Direktkandidaten stehen nicht auf dem Wahlzettel – doch einige Rheinland-Pfälzer wollen nach Brüssel oder sind schon dort.
Eine Mainzer auf dem Stimmzettel: Gerhard Trabert will nach Brüssel
Für die CDU ist das die Pfälzerin Christine Schneider, für die Grünen Jutta Paulus, die beide 2019 den Sprung nach Brüssel schaffte. Neu ins EU-Parlament will unter anderem der Fraktionschef der Freien Wähler im rheinland-pfälzischen Landtag, Joachim Streit, der auf Platz 3 der Europawahlliste steht. Doch die Mainzer dürfte vor allem einer interessieren: Gerhard Trabert, Sozialmediziner und bekannter Obdachlosenarzt, tritt als Parteiloser für die Linke auf Platz 4 der Europaliste an – bekommt die Linke bundesweit um die vier Prozent, könnte Trabert der Einzug gelingen. Gegenüber Mainz& versicherte er im Vorfeld, er würde das Mandat auch annehmen.
Tatsache ist: Wer es schafft, und wer wie abschneidet, wird am Sonntagabend ziemlich schnell feststehen: Die Europawahl wird in allen Kommunen, und so auch in Mainz, als erstes ausgezählt. Bis 20.00 Uhr dürfte also das Ergebnis der Europawahl in Mainz auf jeden Fall feststehen – verfolgen könnt Ihr die Ergebnisse hier bei der Stadt Mainz im Internet. Alternativ bietet natürlich auch der SWR detaillierte Wahlgrafiken sowie Sondersendungen über den ganzen Abend hinweg mit speziellen Ergebnissen und Interviews aus Rheinland-Pfalz an.
Bei der Europawahl 2019 wurden übrigens die Grünen mit 29,1 Prozent stärkste Kraft in Mainz, auf Platz 2 folgte die CDU mit 23 Prozent, Platz 3 belegte die SPD mit 17,8 Prozent. Die AfD kam mit 5,9 Prozent auf Platz vier, lag aber nur knapp vor der FDP mit 5,3 Prozent und der Linken mit 4,5 Prozent. Die Freien Wähler holten damals nur ein Prozent, die Partei 3,9 Prozent und die ÖDP 2 Prozent – alle Ergebnisse findet Ihr hier im Internet.
Wahllokale, Briefwahl und letzte Umfrage: CDU vorn
Die jüngste Umfrage im ZDF-Politbarometer sagt derweil erhebliche Verschiebungen voraus: Nach der am Donnerstag vorgestellten Projektion könnte die CDU am Sonntag deutschlandweit auf 30 Prozent der Stimmen hoffen, Grüne und SPD aber nur noch auf jeweils 14 Prozent – gleichauf mit der AfD. Die Linke würde auf 3 Prozent absacken, die FDP bei 4 Prozent liegen, und das Bündnis Sahra Wagenknecht käme aus dem Stand heraus auf 7 Prozent. Gleichzeitig gaben aber 42 Prozent der Befragten an., sie wüssten noch gar nicht, wen sie wählen wollten.
Wer in Mainz noch nicht gewählt hat: Die Wahllokale sind am Sonntag in Mainz von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Wer seine Wahlbenachrichtigung nicht findet: Macht nichts – bei der Wahl im Wahllokal reicht der Personalausweis. Das setzt allerdings voraus, dass man sein Wahllokal weiß… Wahlbriefe wiederum müssen spätestens mit der Schließung
der Wahllokale am Wahlsonntag um 18.00 Uhr im Briefwahlbüro im Stadthaus in der Großen Bleiche 46 vorliegen – unser Tipp: Einwerfen kann man dort rund um die Uhr.
Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) rief die Mainzer bereits auf, Wählen zu gehen: „Gehen Sie am 09. Juni wählen – nutzen Sie verstärkt die Chance, durch Ihr Votum Politik auf allen Ebenen, ob im Vorort oder im Stadtrat, mitzugestalten und Ihrer Sicht der Dinge vernehmlich Geltung zu verschaffen“, appellierte das Stadtoberhaupt, das erstmals als Wahlleiter fungieren wird. „Wer nicht selbst entscheidet, über den wird entschieden“, fügte Haase hinzu. Die Wahlbeteiligung betrug 2019 in Mainz übrigens 68,2 Prozent.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Spitzenkandidaten der deutschen Parteien bei der Europawahl findet Ihr hier beim Deutschlandfunk im Internet.