Die Alicenbrücke über dem Mainzer Hauptbahnhof ist eine der wichtigsten Verkehrstangenten in Richtung Mainzer Innenstadt – und das nicht nur für den Autoverkehr: Mehr als 1.800 Fußgänger und Radfahrer zählte das Bündnis MainzZero gemeinsam mit dem Mainzer Radfahrforum an einem Nachmittag binnen zweier Stunden auf der Brücke. Doch während den Autofahrern sieben Verkehrsspuren zur Verfügung stehen, müssen sich Radfahrer und Fußgänger schmale Wege teilen – ungerecht, findet das Bündnis, und ruft zu einer Demo am 15. Juni auf. Das Ziel: Eine Fahrspur zur Radspur umwandeln.

Die Alicenbrücke führt mit sieben Fahrspuren für Autos über den Mainzer Hauptbahnhof. - Foto: gik
Die Alicenbrücke führt mit sieben Fahrspuren für Autos über den Mainzer Hauptbahnhof. – Foto: gik

Die Alicenbrücke wurde einst als Anschluss einer innerstädtischen Autobahntangente in Richtung Mainzer Innenstadt geplant worden, und verfügt bis heute über sieben Fahrspuren für den Autoverkehr, sowie über zwei Spuren für Busse und Tram. „(Zu) Viel
Platz für den motorisierten Verkehr“, finden das Mainzer Radfahrforum und die Bürgerinitiative MainzZero – und rufen für Donnerstagnachmittag, den 17. Juni, zu einer Raddemo auf der Alicenbrücke auf. Genau zwischen 16.00 Uhr und 18.00 Uhr wollen die beiden Initiativen zeigen: Es braucht an dieser Stelle dringend mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer.

Und dafür führten MainzZero und das Radfahrforum Anfang Mai eigens eine Verkehrszählung durch: Am 11. Mai wurden zwischen 16.00 Uhr und 18.00 Uhr Fußgänger, Radfahrer und Rollerfahrer mit einer Strichliste erfasst, die auf der Alicenbrücke unterwegs waren. Als Zeitraum wurde eigens eine Hauptverkehrszeit gewählt, erfasst wurde auch, auf welcher Seite der Alicenbrücke sich die Gezählten bewegten: Auf der Nordseite des Hauptbahnhofs mit Fahrradparkhaus und Tangente zwischen Neustadt und Hartenberg-Münchfeld, oder auf der Südseite mit Autoparkhaus und Tangente in Richtung Innenstadt.

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Verkehrszählung: Wenige Rechtsabbieger, viel Rad- und Fußverkehr

Gleichzeitig beobachteten die Verkehrszähler aber auch den Autoverkehr – und zwar ganz besonders auf zwei Spuren: In Richtung stadtauswärts finden sich auf der Alicenbrücke nämlich neben den zwei Fahrspuren Richtung Saarstraße auch zwei Abbiegespuren. Die eine führt dabei hinauf zur Wallstraße, die ganz rechte Spur aber dient vor allem als Zufahrt zur Hochbrücke sowie zur Vorfahrt Hauptbahnhof West.

Blick aus dem Me and All-Hotel auf Binger Straße und Alicenbrücke. - Foto: gik
Blick aus dem Me and All-Hotel auf Binger Straße und Alicenbrücke. – Foto: gik

Die Zähler stellten nun Überraschendes fest: Auf den beiden Abbiegespuren fand auch zur Hauptverkehrszeit kaum Verkehr statt, beide Spuren seien „kaum ausgelastet gewesen“, berichten die beiden Initiativen: „Insbesondere die zweite Spur von rechts weist eine ‚Belastung‘ von lediglich 130 Fahrzeugen pro Spur und Stunde auf – das entspricht zwei Fahrzeugen pro Minute.“ Im gesamten Beobachtungszeitraum sei kein Rückstau von mehr als fünf stehenden Fahrzeugen zu beobachten gewesen, in der zweiten Spur hätten bei Rot meist sogar weniger als drei Fahrzeuge vor der Ampel gestanden.

Gleichzeitig aber stellten die Zähler eine überaus hohe Auslastung in Sachen Fuß- und Radverkehr fest: 816 Fußgänger, Radfahrer und Rollerfahrer tummelten sich auf dem südlichen Gehweg der Alicenbrücke binnen der beiden beobachteten Stunden – das waren im Schnitt rund 400 Nutzer pro Stunde. Noch dichter drängte es sich auf der Bordseite: Hier wurden binnen der zwei Stunden sogar 1022 Nutzer gezählt, somit also sogar mehr als 500 pro Stunde.

Viel zu wenig Platz für Radfahrer und Fußgänger

Doch dem geballten Rad- und Fußgängerverkehr steht auf der Nordseite der Brücke gerade einmal ein 3,90 Meter breiter Weg zur Verfügung, den sich Fußgänger und Radfahrer auch noch teilen müssen – viel zu wenig, finden die beiden Initiativen. „Die Flächenungerechtigkeit zugunsten des motorisierten Verkehrs auf einer der Hauptverkehrsachsen ist offensichtlich“, kritisieren sie. Dazu kämen verschiedene weitere Konfliktpunkte: So seien die „Aufstellflächen“ vor den Fußgängerüberwegen viel zu schmal,  Konflikte von wartenden Passanten vor der Ampel mit Durchgangs-Radfahrern vorprogrammiert.

Ergebnisse der Verkehrszählung von MainzZero und Radfahrforum auf der Alicenbrücke im Mai 2023. - Grafik: Radfahrforum
Ergebnisse der Verkehrszählung von MainzZero und Radfahrforum auf der Alicenbrücke im Mai 2023. – Grafik: Radfahrforum

„Auch die Zufahrt zum Fahrradparkhaus und zur Mombacher Straße ist ohne separate Radspuren ungeregelt und ein Gefahrenpunkt“, kritisieren die Initiativen weiter. Gleichzeitig biete die Binger Straße „wegen des hohen Verkehrsaufkommens eine schwer zu überwindende Barriere“, es gebe kaum Querungsmöglichkeiten. Radelnde aus Richtung Wallstraße oder aus dem der Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof, die Richtung Innenstadt wollten, fänden keine angemessene Querungsmöglichkeit vor.

So nutzten Radfahrer den Fußgängerüberweg an der Haltestelle Hauptbahnhof West oder schlängelten sich gar um die Wartehäuschen und durch wartende Gruppen auf dem Bussteig – eine höchst gefährliche Situation. Anfang Juni hatte genau hier ein Radfahrer beim Queren auf Höhe der Bushaltestelle einen Bus zu einer Vollbremsung gezwungen, eine Frau stürzte in dem Bus und verletzte sich. „Eine klare Trennung zwischen Fuß- und Radverkehr würde die Querung deutlich sicherer machen“, finden die beiden Organisationen.

Lösung: Umwandlung einer Rechtsabbiegespur zur Radspur

Als Lösung schlagen MainzZero und das Radfahrforum nun vor, eine der beiden Rechtsabbiegerspuren einfach zur Radspur umzuwidmen: Da die beiden Abbiege-Fahrspuren stadtauswärts „deutlich weniger ausgelastet sind als die beiden Geradeaus-Spuren, bietet sich eine Umnutzung einer Spur an“, so das Fazit der Verkehrszähler. Gleichzeitig könnte eine Reduzierung auf drei Fahrspuren sogar zu mehr Sicherheit für die Autofahrer führen: Die Zähler stellten in den zwei Stunden über 70 plötzliche Spurwechsel auf der Brücke fest, weil Autofahrer zu spät merkten, dass sie sich falsch eingeordnet hatten. Weniger Fahrspuren könnten zu mehr Orientierung führen, konstatieren sie.

So könnte ein Radschnellweg in der Binger Straße aussehen - finden MainzZero und das Mainzer Radfahrforum.- Grafik: Radfahrforum
So könnte ein Radschnellweg in der Binger Straße aussehen – finden MainzZero und das Mainzer Radfahrforum.- Grafik: Radfahrforum

Für diese Lösung wollen MainzZero und Mainzer Radfahrerforum nun am Donnerstag, den 15. Juni werben – just zur selben Zeit und am selben Ort wie ihre Verkehrszählung im Mai. „Angesichts des höheren Aufkommens des Fußgänger- und Radverkehrs ist diese Umwidmung sogar im Sinne der Flächengerechtigkeit geboten“, fordern sie. Derzeit führten die Verkehrsverhältnisse hingegen dazu, „dass die Mobilität der umweltfreundlichen Verkehrsarten unterdrückt und Potentiale nicht ausgeschöpft werden.“

Info& auf Mainz&: Die Fahrraddemo für mehr Vekehrsflächengerechtigkeit findet am Donnerstag, den 15. Juni 2023 von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr auf der Alicenbrücke statt, Treffpunkt ist auf dem Bahnhofsvorplatz.