Der Fluglärm in Mainz und Rheinhessen ist 2018 deutlich gestiegen, das bestätigt nun auch der Monitoringbericht zur Lärmobergrenze des Landes Hessen. Dem Bericht zufolge gab es 2018 im Vergleich zu 2017 genau 7,3 Prozent mehr Flugbewegungen in den verkehrsreichen Monaten Mai bis Oktober. Mehr Fluglärm bedeute aber auch mehr Ultrafeinstaub aus der Luft, betonten nun die Landtagsabgeordneten Nina Klinkel und Johannes Klomann (beide SPD) – und forderten Ultrafeinstaubmessungen auch in Rheinhessen. Das rheinland-pfälzische Umweltministerium hatte die noch vor wenigen Wochen abgelehnt. Die Mainzer Initiative gegen Fluglärm hat sich deshalb in einem Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gewandt.

Fluglärm-Messstation im hessischen Raunheim. - Foto: gik
Fluglärm-Messstation im hessischen Raunheim. – Foto: gik

Ultrafeinstaub sind mikroskopisch winzige Rußpartikel, die bei Verbrennungsprozessen vor allem in Motoren, in Fabriken und in Kaminen entstehen. Die ultrafeinen Partikel (UFP) gelten als hochgradig gesundheitsgefährdend und das schon in kleinsten Mengen, weil sie über die Lunge sofort in die Blutbahn und in die Gefäße hinein gelangen und dort unmittelbar zu Entzündungen führen können. Erst im August 2019 hatte das Hessische Landesamt für Umwelt offiziell eingeräumt, dass diese ultrafeinen Partikel in erheblichen Mengen unmittelbar von Flugzeugtriebwerken ausgestoßen werden –  die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) hatte daraufhin UFP-Messungen auch für Mainz gefordert.

„Wir müssen wissen, inwieweit die Landeshauptstadt betroffen ist“, sagte Eder im August gegenüber Mainz&: „Ich will als Mainzer Umweltdezernentin wissen: was kommt nach Rheinland-Pfalz?“ Doch die Mainzer Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) lehnte erneut eigene Ultrafeinstaub-Messungen ab – obwohl die bereits Ende 2017 schon einmal eingeplant waren. Man werde erst den Abschlussbericht der Ufoplan-Studie des Umweltbundesamtes abwarten, dies sei „ein wichtiger Schritt“ zur Klärung noch offener Fragen, sagte Höfken. Auch müssten erst standardisierte Messverfahren zur Erhebung von Ultrafeinstäuben durch die EU-Kommission definiert und europaweit eingeführt werden.

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Das 2016 gestartete Projekt Ufoplan sollte methodische Berechnungsverfahren für eine mögliche Ausdehnung von UFP-Partikeln im Umfeld von Flughäfen entwickeln. Auf der Frankfurter Expertenanhörung räumten die Verfasser der Studie allerdings ein, das Modell habe noch erhebliche Unsicherheiten und passe mit den realen Messungen nicht richtig zusammen. Die Ergebnisse von Ufoplan hatten eigentlich bereits Ende 2018 vorliegen sollen, der Abschlussbericht wurde aber immer wieder verschoben.

Experten widersprachen auf einer Ultrafeinstaub-Tagung Ende August in Frankfurt der Darstellung, es gebe noch keine standardisierten Messverfahren für UFP-Messungen: „Wir haben Erfahrung aus zehn Jahren, es gibt etablierte Messtechnik und ein großes Messnetzwerk“, betonte etwa der renommierte Leipziger Messtechnik-Experte Professor Alfred Wiedensohler. Rheinland-Pfalz fehle in dem Netzwerk bislang völlig, sagte Eder am Rande der Tagung Mainz&, solche Erkenntnisse seien aber auch für die Umgebung der Flughäfen von Spangdahlen und Ramstein wichtig.

In der Schweiz habe man bereits seit 2008 valide Messverfahren zu UFP entwickelt, in den vergangenen drei Jahren sogar erste Grenzwerte für Triebwerke, berichtete Theo Rindlisbacher vom Bundesamt für zivile Luftfahrt. Hessen kündigte im August an, die eigenen Messungen zu Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen ausweiten zu wollen – Rheinland-Pfalz winkte dennoch ab.

Die Ingenieure Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt von der Mainzer Initiative gegen Fluglärm mit ihren Ergebnissen zu Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen. - Foto: gik
Die Ingenieure Wolfgang Schwämmlein (links) und Joachim Alt von der Mainzer Initiative gegen Fluglärm mit ihren Ergebnissen zu Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen. – Foto: gik

Nun fordern die Landtagsabgeordneten Klinkel und Klomann erneut eigene UFP-Messungen auch in Mainz und Rheinhessen. „Die Messergebnisse des laufenden Jahres zeigen, dass vor allem der Flughafen Frankfurt für jede Menge Ultrafeinstaub verantwortlich ist“, betonten die Abgeordneten nun. Bundesweit gebe es aber nur 17 Messstationen, fünf davon um den Flughafen der Mainmetropole. „Diese Stationen sind wichtig, sie geben uns wichtige Daten die die Forschung, die in diesem Bereich noch an vielen offenen Fragen arbeitet, so dringend braucht“, sagten Klinkel und Klomann.

„Wir müssen die Forschungslücke schließen – dass das Land Hessen kein Interesse hat bei uns zu messen, liegt auf der Hand“, betonten Klinkel und Klomann: „Also sind wir in der Pflicht!“ Eine entsprechende Anfrage an das rheinland-pfälzische Umweltministerium laufe. So müsse etwa geklärt werden, ob die Ultrafeinstaubwolke, die nach Angaben des hessischen Landesamtes rund um den Flughafen bis zu einer Distanz von acht Kilometern reiche, noch weiter trage. Die Mainzer Fluglärm-Experten Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein hatten schon 2015 UFP-Konzentration von 16.000 Partikeln im Mainzer Stadtgebiet gemessen – das Vierfache der normalen Konzentration. Alt und Schwämmlein warnen seither vor Gefahren durch Ultrafeinstaub aus dem Flugverkehr, ihre bisherigen Befunde wurden gerade durch die Expertenanhörung in Frankfurt umfangreich bestätigt.

Karte des Frankfurter Flughafens mit Messstationen. - Foto: HLNUG
Wie weit dehnt sich Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen aus – und inwiefern kommt er aus den Flugzeugen? Abgeordnete fordern nun Messungen auch in Rheinhessen. – Foto: HLNUG

Mehr Fluglärm bedeute auch mehr Ultrafeinstaub, sagten Klinkel und Klomann – und die Zunahme des Flugverkehrs habe die Fraport gerade offiziell bestätigt. Die neuesten Daten stammen aus dem Monitoringbericht des Hessische  Verkehrsministeriums zur Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen. Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hatte die sogenannte Lärmobergrenze vor zwei Jahren, im November 2017 eingeführt – sie erlaubt eine weitere deutliche Steigerung des Lärms. Nun wurde der zweite Monitoringbericht dazu erstellt und auf der Homepage des Hessischen Verkehrsministeriums veröffentlicht.

Demnach ist die Zahl der Flugbewegungen 2018 im Vergleich zu 2017 um 7,3 Prozent gestiegen, und zwar in den verkehrsreichen Monaten Mai bis Oktober. Der Bericht bezieht nächtliche Flugbewegungen nicht mit ein. Mit einem Lärm von 60 Dezibel werden nun schon 7.176 Hektar überzogen, 2017 waren das noch 6.911 Hektar. 55 Dezibel laut ist es inzwischen auf 17.582 Hektar rund um den Flughafen, 2017 waren das noch 16.955 Hektar. Im Monitoringbericht heißt es dazu, beide Flächen blieben damit deutlich unter den Flächen, die für die Lärmobergrenze geschützt werden – dort ist eine maximale Größe von 8.815 Hektar für die 60 Dezibel angegeben, für 55 Dezibel gilt eine Fläche von 22.193 Hektar als Obergrenze. Damit stieg die Größe der verlärmten Flächen um 3,9 beziehungsweise 3,7 Prozent.

Un der Monitoringbericht prognostiziert weiteren Lärmzuwachs: Auf der Grundlage des tatsächlichen Wachstums der Flugbewegungen in den ersten vier Monaten des Jahres 2019, werde die verlärmte Fläche bei 60 Dezibel voraussichtlich in diesem Jahr auf 7.328 Hektar anwachsen, die mit 55 Dezibel Dauerschallpegel verlärmte Fläche dann auch 17.985 Hektar. Die Lärmobergrenze bleibe damit bis zum Jahr 2021 „voraussichtlich eingehalten“, heißt es indem Bericht weiter.

Grafik Lärmobergrenze: Gebiet der Verlärmung mit 55 Dezibel 2017. - Grafik: HLNUG
Grafik Lärmobergrenze: Gebiet der Verlärmung mit 55 Dezibel 2017. – Grafik: HLNUG

Damit bestätige sogar der Flughafen-Betreiber Fraport offiziell, dass der Fluglärm rund um den Frankfurter Flughafen deutlich gestiegen sei, betonten Klinkel und Klomann: „Auch vor Ort haben wir jetzt die messbare Bestätigung, dass es kein subjektive Empfindung ist, sondern ein Fakt!“ Auch die Verbandsgemeinde Nieder-Olm meldete sich dazu zu Wort: „Wenn es sogar nach Fraport-Daten rund um den Flughafen lauter geworden ist, ist auch Rheinhessen nicht verschont geblieben“, betonte der Fluglärmbeauftragte der Gemeinde, Hans-Olaf Hagedorn.

Die Lärmsteigerung werde auch durch die Daten des Deutschen Fluglärmdienstes (DFLD) in Ober-Olm unterstrichen: Nach deren Daten sei der Jahres-Durchschnitts-Dauerschallpegel von 51,1 Dezibel in 2017 auf 52,9 Dezibel in 2018 angestiegen. Die Werte lägen damit „weit über den 2018 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heraus gegebenen Leitlinien für Umgebungslärm“, zu dem auch der Fluglärm gehöre, betonte Hagedorn. Die Leitlinien empfehlen den Fluglärm tagsüber auf einen Durchschnittswert von 45 Dezibel und nachts auf 40 Dezibel zu reduzieren, was darüber liegt wird als gesundheitsschädlich bewertet.

„Der Fluglärm über der Verbandsgemeinde muss durch eine Verringerung der Starts und Landungen reduziert werden“, forderte auch der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, Ralph Spiegler (SPD): „Kurzstreckenflüge gehören auf die Bahn. Die Anreize für Billigflieger müssen zurück genommen werden.“

Flugspuren und Fluglärm über der Rhein-Main-Region rund um den Frankfurter Flughafen im Jahr 2018, sichtbar gemacht durch den Deutschen Fluglärmdienst. Man sieht: Der Schwerpunkt der besonders lauten Regionen (Rot und Lila) hat sich deutlich verschoben – nach Westen. – Grafik: DFLD, Screenshot: gik
Flugspuren und Fluglärm über der Rhein-Main-Region rund um den Frankfurter Flughafen im Jahr 2018, sichtbar gemacht durch den Deutschen Fluglärmdienst. Man sieht: Der Schwerpunkt der besonders lauten Regionen (Rot und Lila) hat sich deutlich verschoben – nach Westen. – Grafik: DFLD, Screenshot: gik

Unterdessen fordert die Mainzer Initiative gegen Fluglärm – jetzt: Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr – ein Eingreifen von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) persönlich. Man habe sich mit einem Schreiben an Dreyer gewandt, „d16en Sachverhalt dargelegt und in angemessenem Ton bis Mitte November 2019 um Mitteilung gebeten, ob das Land Rheinland-Pfalz eigene Messungen in Mainz und Rheinhessen durchführen wird“, teilte die Initiative auf ihrer Homepage mit. Dreyer obliege die Gesamtverantwortung für die Gesundheit der Menschen in Rheinhessen, betont die Bürgerinitiative.

Die bisherige Ablehnung Höfkens kritisieren die Fluglärmgegner als „vorgeschobene Begründung“: Höfken wolle „offensichtlich aus parteitaktischen Gründen nicht mit eigenen Messungen die Messungen ihrer hessischen Parteifreunde konterkarieren“, kritisierten sie. In Hessen versuche man, die Messergebnisse herunterzuspielen, „andere, und vor allem eine erhebliche Gesundheitsgefahr nachweisende Messergebnisse aus Rheinhessen würden da nur stören und für Ärger sorgen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Problem mit Ultrafeinstaub sowie den Bericht des hessischen Umweltamtes findet Ihr hier auf Mainz&. Die Aussagen Eders sowie weitere Informationen zu Ufoplan findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel, die Angaben der Mainzer BI gegen Fluglärm auf dieser Internetseite. Die Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr lädt zudem am 27.11.2019 um 19.00 Uhr zu einer Informationsveranstaltung unter anderem zum Thema „Ultrafeinstaub“ ins Hotel INNDependence, Gleiwitzer Str. 4, in Mainz.

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