High Noon im Untersuchungsausschuss, Finale Grande – oder nur eine Etappe im Schlussspurt? An diesem Freitag vernimmt das Aufklärungsgremium zur Flutkatastrophe im Ahrtal zum zweiten Mal Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), es ist zweifellos ein Höhepunkt in der seit über einem Jahr dauernden Aufklärungsarbeit. Doch was genau an diesem Freitag passiert, ist unklar: Die Opposition hat bohrende Fragen an die Ministerpräsidentin, die seit fast einem Jahr zu allen neuen Vorwürfen eisern schweigt. Beruft sich Dreyer auf Erinnerungslücken, oder gelingt doch noch ein Blick auf die Frage: Was erfuhr die Regierungschefin in der Flutnacht wirklich über die dramatische Lage im Ahrtal?

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nach ihrem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags am 8. April 2022 bei einem Pressestatement. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nach ihrem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags am 8. April 2022 bei einem Pressestatement. – Foto: gik

Als Malu Dreyer am 08. April 2022 vor den Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags tritt, ist die Politik-Welt der rheinland-pfälzischen SPD-Ministerpräsidentin noch weitgehend in Ordnung. Erst drei Tage später wird ihre frühere Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) – inzwischen Bundesfamilienministerin – in Berlin zurücktreten, doch davon ist an diesem Freitag noch nichts zu ahnen. Auch Dreyers Innenminister Roger Lewentz (SPD) ist noch im Amt – erst Mitte Oktober 2022 werden neue Erkenntnisse zur Flutkatastrophe im Ahrtal den Dreyer-Vertrauten aus dem Amt fegen.

An diesem 8. April 2022 aber weist die Ministerpräsidentin jegliche Mitschuld an der Entwicklung der apokalyptischen Flutkatastrophe von sich. Es geht um nichts weniger, als die größte Naturkatastrophe in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg mit 40.000 betroffenen Menschen. Es geht um die Verwüstung eines ganzen Flusstals, um 9.000 beschädigte und verwüstete Häuser, und es geht um den Tod von 136 Menschen, von denen zwei bis heute vermisst sind.

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„Mit Hochwasser gerechnet“, „gut vorbereitet“ – reicht das?

Malu Dreyer aber lässt vor dem Untersuchungsausschuss alle Vorwürfe an sich abperlen: Es habe für sie an dem Abend des 14. Juli 2021 keinerlei Hinweis gegeben, „dass es zu so einer Flutkatstrophe kommen würde, und dass die Stellen nicht in gebotener Weise tätig werden würden“ – das ist das Narrativ, das die Ministerpräsidentin wieder und wieder betont. Man habe „mit Hochwasser gerechnet“, aber „Hochwasser kennen wir in Rheinland-Pfalz“ – so lautet die Lesart der Ministerpräsidentin: „Am Abend des 14. Juli hatten wir keinerlei Hinweise darauf, wie die Ausmaße dieser Hochwasserkatastrophe sein würden.“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am 8. April 2022 vor dem Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am 8. April 2022 vor dem Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags. – Foto: gik

Am heutigen Freitag muss Malu Dreyer nun zum zweiten Mal vor dem Untersuchungsausschuss zur Flutkatstrophe im Ahrtal aussagen – und inzwischen gibt es eine ganze Fülle neuer Erkenntnisse: 5.100 Notrufe aus dem Ahrtal, die in der Koblenzer Leitstelle in der Flutnacht eingehen, Funksprüche über Todesfälle und nicht zuletzt die Videos, Fotos und Berichte aus einem Polizeihubschrauber, der schon am Abend des 14. Juli die Katastrophe der Flutwelle im Tal dokumentierte.

Fast ein Jahr nach ihrer ersten Aussage stellt sich nun die Frage: Wusste die Ministerpräsidentin von all dem wirklich nichts? Es könnte die Gretchenfrage ihrer Amtszeit werden, denn die Faktenlage lässt inzwischen eigentlich nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder, die Ministerpräsidentin wusste in der Nacht des 14. Juli 2021 wirklich nichts von der katastrophalen Lage im Ahrtal – dann bietet sich das Bild einer Landesmutter, die ahnungslos ins Bett sinkt, während im Norden ihres Landes die Welt untergeht.

Zahllose Hinweise auf eine Flutwelle samt Katastrophe

Die andere Variante wäre indes noch schlimmer: Erfuhr die Ministerpräsidentin doch noch in der Nacht noch von der katastrophalen Flut im Ahrtal – und unternahm dennoch nichts? Tatsächlich lassen es die seit April 2022 vom Untersuchungsausschuss neu zutage geförderten Erkenntnisse über die Flutnacht inzwischen das Narrativ von der ahnungslosen Ministerpräsidentin als ziemlich fragwürdig erscheinen, denn inzwischen steht fest: Das Lagenzentrum im Mainzer Innenministerium hatte bereits frühzeitig am Abend wichtige Hinweise, dass sich im Ahrtal eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes anbahnte – weit über ein normales Hochwasser hinaus.

Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz vor dem Untersuchungsausschuss: Keinerlei Austausch zwischen Umwelt- und Inneressort. - Foto: gik
Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz vor dem Untersuchungsausschuss: Keinerlei Austausch zwischen Umwelt- und Inneressort. – Foto: gik

Es beginnt gegen 17.00 Uhr auf dem Campingplatz Stahlhütte in Dorsel: Hier stehen die ersten Wohnwagen so hoch unter Wasser, dass Hubschrauber zur Luftrettung angefordert werden müssen. Die Dienstaufsicht ADD, das Innenministerium, der Innenminister und mehrere Staatsekretäre erfahren von den dramatischen Szenen im Plenum des Mainzer Landtags – und informieren darüber auch die Ministerpräsidentin. Die wird später im U-Ausschuss angeben, sie habe sich versichert, dass die Staatssekretäre der Ministerien für Umwelt und Inneres „in Kontakt seien“ – doch das gilt nur für das Plenum selbst: Nach Ende der Plenarsitzung werden beide Häuser untereinander nicht mehr kommunizieren.

Im Laufe des Abends werden zwischen Umwelt- und Innenministerium weder Pegelstände noch Hochwasserwarnungen ausgetauscht, es fließen keine Informationen über notwendige Rettungsmaßnahmen noch über eine anschwellende Flutwelle im Ahrtal – über die Warnstufe Lila im Landesumweltamt wird das Innenressort ebensowenig informiert, wie über eine dramatische Warnung der Amtschefin Sabine Riewenherm: „Hier bahnt sich eine Katastrophe an“, schriebt Riewenherm schon früh an einen Mitarbeiter – niemand sonst in der Landesregierung kann sich erinnern, diese Warnung erhalten zu haben.

„Dass es im Eifelkreis auch schlimmer wird als 2018.“

Stattdessen tauschen Dreyer und ihr Innenminister Lewentz gegen 21.40 Uhr eine Reihe von SMS-Nachrichten aus, und in denen fragt Dreyer nun: „Ist Anne auch informiert oder ihre Leute? Sie ist ja wirklich ein bisschen nervös.“ Anne – das ist Anne Spiegel, die Umweltministerin, sie wird an diesem Abend weder mit Dreyer noch mit Lewentz Kontakt haben. Spiegel ist immerhin stellvertretende Ministerpräsidentin, doch ob die informiert ist – worüber genau eigentlich? -, das wollen die beiden Politiker offenbar gar nicht wirklich feststellen: „Das weiß ich gar nicht. Sie hat ein eigenes Lagesystem. Wenn wir Genaueres wissen, informieren wir sie morgen über unsere Erkenntnisse“, antwortet Lewentz. Woraufhin Dreyer zurückschreibt: „Ok“ und „Schönen Abend.“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer /SPD) 2018 in Dudeldorf, wo eine Flutwelle den Ort verwüstete. - Screenshots: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer /SPD) 2018 in Dudeldorf, wo eine Flutwelle den Ort verwüstete. – Screenshots: gik

So jedenfalls gibt es ein Chatverlauf zwischen den beiden SPD-Politikern wieder, der im Zuge des Untersuchungsausschuss öffentlich wurde. Der Austausch endet um 21.46 Uhr mit einer letzten Nachricht von Lewentz an Dreyer, darin warnt der Innenminister die MP: „Und jetzt kommt die Meldung, dass es im Eifelkreis auch schlimmer wird als 2018.“ Wieso schreibt die Ministerpräsidentin von „auch“? Wo wird es denn noch schlimmer in dieser Nacht – welche Infos hat die MP?

Schon 2018 hatte Starkregen in mehreren Orten schwere Schäden ausgelöst, durch Dudeldorf bei Bitburg wälzte sich eine Flutwelle – und Ministerpräsidentin Malu Dreyer ließ sich beim Besuch von einem Reporter die Sätze entlocken, es sei „richtig, richtig schlimm.“ In dem Video, das man hier auf Youtube ansehen kann, spricht Dreyer von einer erschütternden Wucht der Flutwelle – durch das Ahrtal tobte am Abend des 14. Juli indes eine deutlich schlimmere Flut: Bis zu zehn Meter hoch stauten sich die Wassermassen, sie rissen Brücken und Bäume, Gastanks, Autos und schließlich auch ganze Häuser mit – eine solche Flut hatte Rheinland-Pfalz noch nie gesehen.

Nachricht über zerstörtes Haus in Schuld bereits vor 20.00 Uhr

Es war wohl gegen 19.00 Uhr, als das erste Haus im Ort Schuld an der oberen Ahr von der Flutwelle weggerissen wurde, zu diesem Zeitpunkt saß Dreyer in der Staatskanzlei in Mainz mit Innen-Staatssekretär Randolph Stich zusammen. Innenminister Lewentz befand sich auf dem Weg zur Kreisverwaltung Ahrweiler, wo der Krisenstab der Technischen Einsatzleitung (TEL) arbeitet – um 19.20 Uhr kam Lewentz dort an. Der Minister wird von Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und dessen Kreisbrandmeister Michael Zimmermann in Empfang genommen – und er wird über die Lage der Dinge unterrichtet.

Die Flutwelle im Ahrtal riss in der Flutnacht sechs Häuser im Eifelort Schuld mit sich. - Screenshot: gik
Die Flutwelle im Ahrtal riss in der Flutnacht sechs Häuser im Eifelort Schuld mit sich. – Screenshot: gik

Was genau erfährt Lewentz dort, im Einsatzstab in Ahrweiler? Wissen sie schon von den eingestürzten Häusern in Schuld? Nach Mainz&-Recherchen wird die Information über mindestens ein eingestürztes Haus in Schuld spätestens um 20.00 Uhr in der TEL in Ahrweiler schriftlich notiert und festgehalten. Womöglich aber kursierten Berichte darüber schon früher, etwa per Funk. Denn Lewentz verlässt gegen 19.30 Uhr die Einsatzleitung in Ahrweiler, um 19.45 Uhr telefoniert er mit dem Journalisten Willi Willig aus seinem Auto heraus.

Und Willig schwört, der Minister habe ihm schon zu diesem Zeitpunkt von einer „katastrophalen“ Lage im Ahrtal berichtet – und von einem eingestürzten Haus in Schuld. Lewentz habe ihm, dem Reporter, explizit geraten, er solle nach Dorsel fahren, zu dem überfluteten Campingplatz, beteuerte Willig bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss. Und der Journalist ergänzt aus dem Zeugenstand heraus, der ihn zur Wahrheit verpflichtet: „Er sagte, ich müsse nach Schuld, weil dort mindestens ein Haus weggespült worden sei.“

Was berichtet Lewentz Dreyer über seinen Besuch in Ahrweiler?

Gegen 20.00 Uhr meldet sich Lewentz bei Dreyer in der Staatskanzlei und informiert sie über seinen Besuch in Ahrweiler. Was genau der Minister seiner Chefin erzählt, ist unklar, heute mehr denn je. Denn im April 2022 behaupten beide, Lewentz habe ihr den Eindruck einer „konzentriert und professionell arbeitenden Einsatzleitung“ in einer Hochwasserlage geschildert – mehr nicht. Inzwischen ist längst klar: Schon zu diesem Zeitpunkt wusste man sowohl in Ahrweiler als auch in der Einsatzleitung in Koblenz von dramatischen Szenen im Ahrtal, von fehlenden Hubschraubern zur Rettung und von Hunderten Notrufen.

Innenminister Roger Lewentz (SPD, zweiter von links) bei seinem Besuch in der Einsatzleitung in Ahrweiler am Abend des 14. Juli. - Foto: Kreis Ahrweiler
Innenminister Roger Lewentz (SPD, zweiter von links) bei seinem Besuch in der Einsatzleitung in Ahrweiler am Abend des 14. Juli. – Foto: Kreis Ahrweiler

Sollte der Innenminister bereits zu diesem Zeitpunkt Informationen über ein eingestürztes Haus in Schuld gehabt haben – ist es dann denkbar, dass er eine so relevante Information nicht mit Dreyer teilte? Die Ministerpräsidentin verbringt den Abend nach Plenum und Termin in der Staatskanzlei in ihrer Mainzer Wohnung. Sie habe Akten bearbeitet, sich auf den kommenden Tag eingestellt, und mit ihrem Mann telefoniert – so berichtet sie es im April 2022 vor dem Untersuchungsausschuss.

Dreyer gibt auch an, sie sei immer lange wach und dann auch für Mitarbeiter und Kollegen erreichbar: „Dann kann mich jeder anrufen“, versichert sie vor dem Ausschuss: „Ich bin als Ministerpräsidentin immer ansprechbar, Tag und Nacht.“ Während Dreyer also in ihrer Mainzer Wohnung sitzt, geht im Ahrtal die Welt unter, buchstäblich: Der Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz nimmt zwischen 22.14 Uhr und 22.45 Uhr Videos eines total überfluteten Tals auf mit Häusern, die bis zur Dachkante unter Wasser stehen – und auf denen Menschen verzweifelt mit Taschenlampen um Hilfe blinken.

Erfährt Dreyer wirklich nichts von Menschen aus Hausdächern?

Mehr als 300 Menschen werden Rettungskräfte noch am nächsten Tag von Dächern und aus Bäumen retten, die dramatischen Bilder aus der Nacht erreichen das Lagezentrum im Mainzer Innenministerium gegen 22.30 Uhr, Fotoaufnahmen der Flut folgen um kurz vor 23.00 Uhr – und binnen der nächsten Stunde auch Innenminister Lewentz persönlich. Im Polizeifunk ist zu diesem Zeitpunkt, gegen ein Uhr morgens, bereits von der Notwendigkeit von Leichensäcken die Rede an, es geht um Menschenleben und Vermisste.

Szene aus der Flutnacht aus dem Ahrtal, festgehalten von einem Polizeihubschrauber. - Video: Polizei RLP, Screenshot: gik
Szene aus der Flutnacht aus dem Ahrtal, festgehalten von einem Polizeihubschrauber. – Video: Polizei RLP, Screenshot: gik

Erfährt die Ministerpräsidentin des Bundeslandes von alldem wirklich nichts? Tatsache ist: In den Kommunikationsprotokollen, die die Landesregierung dem Untersuchungsausschuss Ende 2021 vorlegte, ist nach 21.46 Uhr keinerlei Kommunikation Dreyers mehr in Richtung Lewentz belegt. Ob sie sich nach 21.46 Uhr noch einmal aktiv mit der Hochwasserlage befasst habe, wird Dreyer im April 2022 im U-Ausschuss gefragt – die Ministerpräsidentin antwortet ausweichend, berichtet von einem Chatverkehr mit ihren Mitarbeitern, der bis etwa 22.00 Uhr dauert.

Darin schreibt Dreyer um 21.48 Uhr auch, das Hochwasser in der Eifel „wird schlimmer als 2018, puh.“ Doch was passiert danach? Ist es wirklich denkbar, dass die Regierungschefin volle drei Stunden lang mit niemandem mehr kommuniziert, und auch vor dem Zubettgehen sich kein Update mehr über die Lage einholt? Den Anruf von Lewentz gegen 00.40 Uhr will Dreyer nicht gehört haben, seine alarmierende SMS mit der ausführlichen Schilderung der dramatischen Szenen im Ahrtal von 00.58 Uhr nicht mehr wahrgenommen haben.

Lücken in der Kommunikation, unvollständige Protokolle?

Die Opposition geht inzwischen davon aus, dass dem U-Ausschuss nicht alles an Kommunikation vorliegt, was es in der Nacht gegeben hat. Hinweise darauf gibt es durchaus: Vollständige Telefonlisten wurden dem Ausschuss gar nicht vorgelegt. Und es gibt Lücken in der Kommunikation: Wieso antwortet Dreyer auf Lewentz letzte SMS um 21.46 Uhr mit dem schlimmen Eifel-Hochwasser nicht mehr? Wieso schreibt sie kurz zuvor an Lewentz, „ich höre der Höchststand wird erst morgen Mittag erreicht“? Woher oder von wem hat sie das gehört, mit wem hat die Ministerpräsidentin noch kommuniziert? Wer gibt ihr diese Information, die sich zudem als falsch herausstellt?

Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz (beide SPD) bei einer Pressekonferenz im Ahrtal nach der Katastrophe. - Screenshot: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz (beide SPD) bei einer Pressekonferenz im Ahrtal nach der Katastrophe. – Screenshot: gik

Bislang hat Dreyer auf alle diese Fragen keine Antwort gegeben. Sie könne sich nicht mehr erinnern, gibt sie zu Protokoll. Tatsache ist: Eine aktive Einflussnahme der Ministerpräsidentin in der Nacht ist ebenfalls nicht belegt. Dreyer vergewissert sich nicht bei Anne Spiegel, wie die Hochwasserlage ist. Sie beruft keinen Krisenstab ein oder fragt beim Innenminister nach, ob er das getan hat. Kein einziges Krisentelefonat ist in der Nacht belegt, und vor allem: Es gibt keinen Beleg, dass sich die Ministerpräsidentin Gedanken macht, ob die Bevölkerung im Ahrtal gewarnt und gerettet wird.

Bislang hat Dreyer immer betont, es habe „keinerlei Hinweise“ auf eine außergewöhnliche Situation am 14. Juli gegeben, und wegen eines Hochwassers habe sie im Vertrauen auf ihre Leute selbst nicht handeln müssen – damit wird sie bei ihrer zweiten Vernehmung nicht durchkommen: Hinweise gab es zuhauf, wie man inzwischen weiß – doch weder zu den Polizeihubschrauber-Videos aus der Flutnacht, noch zu Notrufen, Einsatzberichten oder Fotos hat Dreyer bisher Stellung genommen. Sollte die MP auch bei ihrem zweiten Auftritt nicht für Klarheit sorgen, dann könnten die ungelösten Fragen zur Flutnacht ihre Amtszeit nachhaltig belasten.

Opposition: Führungsversagen, keine Einsicht in Fehler

Die Opposition von CDU von AfD sieht schon jetzt gravierendes Versagen der Regierungschefin, spricht von „Passivität vor, während und nach der Katastrophe“, von „Desinteresse“ und von mangelhafter Führung ihrer Regierung. Dass Dreyer nicht ein einziges Mal Fehler eingestanden oder selbst aktiv Konsequenzen aus der Katastrophe der Flutnacht gezogen hat, sorgt für scharfe Kritik – im politischen Mainz wie im Ahrtal. Die Ministerpräsidentin habe nun einmal die Gesamtverantwortung im Land, „das kann man nicht delegieren“, sagt CDU-Obmann Dirk Herber. Rücktrittsforderungen sind nicht ausgeschlossen.

Der U-Ausschuss wird am Freitagmorgen zunächst noch einmal ein Mitglied der Hubschrauber-Crew hören – und sich dann mit einem Gutachten zur Rolle der ADD beim Krisenmanagement beschäftigen. Die Vernehmung von Dreyer ist für 13.00 Uhr angesetzt, dich die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie später beginnt – es wird erneut ein langer Tag der Aufklärung in Mainz.

Info& auf Mainz&: Mehr dazu, was Ministerpräsidentin Dreyer bei ihrer ersten Vernehmung vor dem U-Ausschuss sagte, könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Alles rund um die Flutkatastrophe und die Aufarbeitung im Mainzer Landtag findet Ihr zudem hier in unserem großen Ahrtal-Dossier auf Mainz&.