Sie sind grau, meist hässlich und oft beschmiert: Stromkästen sind meiste keine Schönheiten. 2015 starteten die Mainzer Stadtwerke deshalb eine ungewöhnliche Aktion: Graffitikünstler dürfen die grauen Kästen besprühen, und zwar ganz legal und nach Auftrag. Fast 200 Stromkästen sind in Mainz so inzwischen zu kleinen Kunstobjekten geworden, eine Ausstellung im Alten Postlager am Mainzer Hauptbahnhof zeigt nun 40 der Motive. Bis zum 27. September sind die Kunstwerke noch zu sehen, natürlich nicht auf Original-Stromkästen, sondern auf Bauzaunbannern. Die können auch erworben werden, der Erlös geht an den Verein „Armut und Gesundheit“.
„Ich verteile gerne Tiere in der Stadt“, sagt Leif Eric Möller. Eulen, Frösche, Waschbären und Flamingos hat Möller schon ins Stadtbild von Mainz gesetzt, der Techniker, der eigentlich bei Opel arbeitet, besprüht in seiner Freizeit Stromkästen – und das ganz legal. „Aus Grau wird Kunst“ heißt die Aktion der Mainzer Stadtwerke, seit 2015 wurden knapp 200 Stromkästen von Graffiti-Künstlern mit bunten Kunstwerken verschönert.
„Diese Elektrokästen sind ja nicht per se besonders hübsch“, sagt Stadtwerke-Chef Daniel Gahr. Die Kästen kommen meist in tristem Grau oder Beige daher und sind zudem häufig Objekt von Beschmierungen. Dem wollten die Stadtwerke 2015 etwas entgegen setzen: „Wir wollen Mainz auf diese Art und Weise noch ein bisschen bunter, ein bisschen schöner gestalten“, sagte der damaliger Stadtwerke-Vorstand Detlev Höhne bei der Vorstellung der Aktion.
Vier Jahre später verzieren ganze Dschungellandschaften oder Unterwasserbilder Stromkästen im Mainzer Stadtgebiet. Da winden sich Krakenarme, schauen Gesichter von den Kästen oder auch mal Kaffeetassen. „Wir achten auf den künstlerischen Aspekt“, sagt Unternehmenssprecher Michael Theurer, mit sechs bis sieben Graffiti-Künstlern arbeitet die Stadt dafür zusammen. Auch eine Auszubildende der Mainzer Stadtwerke ist darunter – Lisa Weber verzierte zwei Stromkästen mit Schmetterling und grafischer Blumenkunst.
„Grundsätzlich ist die Vorgabe, das Bild soll sich in die Umgebung einpassen“, sagt Martin Overbeck, der von der ersten Stunde an bei dem Projekt dabei war. Zehn Stromkästen hat der Künstler bislang schon gestaltet, aus seinen Spraydosen entstehen ganze Tropenlandschaften oder auch Häuserfassaden, vor dem Gutenbergmuseum griff Overbeck die Buchstabenwürfel zu Ehren des Buchdruck-Erfinders Johannes Gutenberg auf. „Manchmal greife ich die Farben und Motive der Umgebung auf, manchmal wird es auch bunter“, sagt Overbeck. Die Kästen zu bemalen, sei eine Herausforderung ergänzt Kollege Möller, „der Größe wegen.“ Die Kästen sind für Graffitikunst fast schon zu klein, für gewöhnlich arbeiten die Sprayer auf großen Wänden oder Objekten.
Die neuen Kunstwerke auf den Stromkästen kommen bei der Bevölkerung super an, berichtet Theurer: Nach dem ersten Versuchsballon vor vier Jahren meldeten sich innerhalb kürzester Zeit Dutzende Anwohner mit der Bitte, die unansehnlichen Schaltkästen in ihrer Umgebung doch bitte verschönern zu lassen. Ende 2018 schrieben die Stadtwerke zudem die Ortsvorsteher der Mainzer Stadtteile an, jeder schickte eine Liste von zehn bis fünfzehn Kästen zurück.
2.300 Stromkästen haben die Mainzer Stadtwerke insgesamt im Stadtgebiet, „da sind wir noch eine Weile beschäftigt“, sagt Theurer. Das Projekt soll weiter gehen, die derzeitige Liste von weiteren rund 300 zu verschönernden Kästen soll nun der Reihe nach abgearbeitet werden. Bei einer gemeinsam Aktion mit dem Fußballclub Mainz 05 sollen jetzt auch die Schaltkästen in der Nähe des Stadions nach und nach mit fußball- oder vereinsaffinen Themen besprüht werden.
Einige Hundert Euro kostet die Verschönerung eines Kastens, die Vorab-Reinigung und das Honorar des Künstlers inklusive. Selbsthilfe sei übrigens nicht erwünscht, betont Theurer: „Die Stromkästen sind letztlich technische Anlagen.“ Zudem müssen Türverschläge und Öffnungen frei bleiben. 40 der bisherigen Motive können derzeit in einer Ausstellung im Alten Postlager am Mainzer Hauptbahnhof besichtigt werden, die Motive wurden dazu eigens auf große Bauzaunbanner bezogen. Die wiederum können gegen eine Spende zugunsten des Vereins „Armut und Gesundheit“ des Mediziners Gerhard Trabert erworben werden. Die nicht verkauften Banner sollen in Näh-Workshops zu Taschen oder anderem verarbeitet und auf Flohmärkten im Alten Postlager verkauft werden. Auch davon wird der Erlös an „Armut und Gesundheit“ gehen.
Info& auf Mainz&: Die Ausstellung „Aus Grau wird Kunst“ mit Motiven der bunt gestalteten Mainzer Stromkästen ist noch bis zum 27. September zu sehen. Das Alte Postlager ist nur am Wochenende geöffnet: freitags von 18.00-1.00 Uhr, samstags 12.00-1.00 Uhr und sonntags 12.00-20.000 Uhr. Mehr zum Alten Postlager erzählen wir Euch in diesem Mainz&-Artikel, über den Start der Stromkästen-Aktion haben wir 2015 auch schon berichtet.