Schock in der CDU am Samstag: CDU-Urgestein Johannes Gerster ist tot. Der Mainzer Politiker sei im Alter von 80 Jahren verstorben, teilte CDU-Landeschefin Julia Klöckner am Samstag mit. Klöckner zeigte sich „tief traurig über den frühen Tod des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten, Landtagsabgeordneten und Landesvorsitzenden. Mit Gerster verliere die CDU „einen großartigen Menschen, ein Urgestein der CDU, einen Vollblutpolitiker und Vorbild.“ Mainz verliert darüber hinaus eine prägende Politikerpersönlichkeit, die sich bis zum Schluss aktiv in die Geschicke der Stadt mit Ideen und Vorschlägen einmischte.
Johannes Gerster wurde am 2. Januar 1941 in Mainz geboren, als Kind erlebte er die Schrecken der Endphase des Zweiten Weltkrieges und die Zerstörung von Mainz hautnah mit. Gerster war das jüngste von sechs Kindern, nach dem Abitur am Rabanus-Maurus-Gymnasium studierte er Jura in Mainz, Freiburg und Bonn. 1972 zog er erstmals für die CDU in den Deutschen Bundestag ein, dem er mit nur einer kurzen Unterbrechung bis 1994 angehörte. Bei den Bundestagswahlen 1983, 1987 und 1990 gewann er jeweils das Direktmandat in seiner Heimat Mainz. In der Fraktion war er unter anderem Innenpolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion.
Von 1993 bis 1997 war Gerster zudem Landesvorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz, 1996 trat er als Spitzenkandidat gegen SPD-Ministerpräsident Kurt Beck an, es wurde ein unglücklicher Wahlkampf. Gerster machte unter anderem Schlagzeilen mit seinem Kampf gegen die Aufklärungsbroschüre „Let’s talk about Sex“, viele Experten und Wähler schüttelten den Kopf über die unzeitgemäß-rigide Haltung gegen das von Experten hochgelobte Aufklärungswerk. Gerster aber focht das nicht an: Der kantige Mainzer war stets ein Freund klarer Worte und scheute sich auch nicht, unbequeme Haltungen lautstark zu vertreten. Die rheinland-pfälzische CDU wurde bei der Landtagswahl mit 38,68 Prozent allerdings nur zweitstärkste Kraft, sehr knapp hinter der SPD, die auf 39,81 Prozent kam – Kurt Beck konnte mit der FDP weiter regieren.
Im zunehmend glatteren Politikbetrieb wurde Gerster damit zu einer Politiker-Persönlichkeit, die hohen Respekt auf allen Seiten genoss. Nach seinem Rückzug aus dem Bundestag ging Gerster Ende der 1990er Jahre für die Konrad-Adenauer-Stiftung als Niederlassungsleiter nach Jerusalem, das Thema deutsch-jüdische Freundschaft und Versöhnung war ihm Zeit seines Lebens ein Herzensthema. 2006 kam Gerster zurück nach Mainz und ging offiziell in den Ruhestand – in die Politik mischte er sich trotzdem weiter ein. So ließ er etwa 2018 im Streit um den Bibelturm und die Zukunft des Gutenberg-Museums mehrfach mit kreativen Ideen zur Standortfrage sowie mit konkreten Vorschlägen zur Finanzierung mit Hilfe des Bundes aufhorchen – Gerster bot seine Expertise und Mithilfe auch der Stadt Mainz an, die aber ablehnte.
Kantig, eigensinnig, zupackend, unkonventionell – das galt für Gerster auch in der Mainzer Fastnacht: 2001 wurde er Generalfeldmarschall der Mainzer Ranzengarde der sein fastnachtliches Engagement galt – sein Herz gehörte der bodenständigen Mainzer Fastnacht mit ihrer freien, ungeschminkten Rede. Auch er selbst betätigte sich hin und wieder als Redner, meist aber nur im kleinen Rahmen in der Wirtschaftsfastnacht. 2013 wurde Gerster nach seinem Rückzug aus der ersten Reih zum Ehren-Generalfeldmarschall der Ranzengarde ernannt. Seine Memoiren verarbeitete er in mehreren Büchern, so etwa in den „Briefen aus Jerusalem“, „Die Wiedervereinigung“ oder der Krimisatire „Bombenstimmung am Rosenmontag“. 2010 erschien sein persönlicher Rückblick auf sein Leben unter dem Titel „Nicht angepasst. Mein Leben zwischen Mainz, Bonn und Jerusalem.“
„Unsere Gedanken sind bei seiner großen und liebenswürdigen Familie und den Angehörigen, die Johannes Gerster immer so wichtig waren“, sagte Klöckner am Samstag. mit seiner Frau Regina Gerster hat er drei Kinder, darunter den Mainzer Stadtrat und CDU-Politiker Thomas Gerster. Die teilte am Samstagnachmittag auf Facebook mit: „Heute morgen ist unser lieber Ehemann, Vater, Schwiegervater und Großvater Dr. hc. Johannes Gerster nach langer schwerer Krankheit im Kreis seiner Familie friedlich entschlafen. Wir werden ihn sehr vermissen und freuen uns auf ein Wiedersehen bei seinem und unserem Herrgott.“
Klöckner betonte, die CDU Rheinland-Pfalz sei Johannes Gerster „zu Dank verpflichtet für seine Loyalität und die harte Arbeit über die vielen Jahre hinweg, aber auch für seine Fröhlichkeit und lebensbejahende Art“, sagte Klöckner weiter: „Gerade mit Blick auf Israel und seine Verdienste um das Land hat man zugleich seine Ernsthaftigkeit und seine Besorgnis erlebt.“ Für sein Engagement für Israel und ein Ringen um die Verständigung von Israelis und Palästinensern sei er zurecht vielfach ausgezeichnet worden.
Ihr selbst sei er „ein guter Freund und Ratgeber gewesen, er hat für seine Überzeugungen gekämpft, war blitzgescheit und er hatte große Freude an der Debatte“, so die Landeschefin und Bundeministerin. Gerster sei „immer konsequent in der Sache, aber freundlich im Umgang“ gewesen. „Er trug das Herz am rechten Fleck.“ Seine Wegbegleiter, auch aus anderen Parteien, hätten das an ihm zu schätzen gewusst, „denn bei ihm wusste man, wo man dran war“, sagte Klöckner: „Geradeheraus und klar und herzlich war seine Art.“ Johannes Gerster sei ein Mann mit vielen Facetten und einem reichhaltigen Erfahrungsschatz gewesen. „Überall hat er seine ganz persönliche Handschrift hinterlassen“, fügte Klöckner hinzu: „Wir werden ihn sehr vermissen.“
Info& aus Mainz&: Mehr zum Leben und der Arbeit von Johannes Gerster könnt Ihr zum Beispiel hier auf Wikipedia nachlesen, seine persönliche Homepage mit vielen Infos vor allem auch zu seinen Büchern findet ihr hier im Internet. Korrektur&: Wir hatten zuerst geschrieben, die CDU sei bei der Landtagswahl 1996 auf 42 Prozent gekommen und damit stärkste Kraft geworden – wir hatten in der Tabelle allerdings die Erststimmenanteile landesweit erwischt, die richtigen Zahlen stehen nun im Text.