Im Kampf gegen die Omikron-Welle haben Bund und Länder am Freitag erneut über Corona-Maßnahmen beraten – die Politik warnte dabei vor rasant steigenden Neuinfektionen. Neue Maßnahmen zur Einschränkung der Omikron-Welle: keine. In Rheinland-Pfalz ändert sich bei den Corona-Maßnahmen nichts, bundesweit gilt künftig nun ebenfalls 2Gplus in der Gastronomie – Coronaexperten äußern sich enttäuscht. Derweil explodieren die Infektionszahlen geradezu: Mainz steht kurz vor einer Inzidenz von 500, landesweit liegt sie bereits bei 287. Die Politik fürchtet vor allem einen Zusammenbruch der kritischen Infrastruktur durch eine massive Krankheitswelle – und beschloss dafür eine Reduzierung der Quarantänefristen. Der Mainz&-Kommentar dazu am Ende: Das ist armselig, mutlos, planlos – und gefährlich.
„Wir werden höhere Infektionen sehen, und es wird mehr Kranken in Krankenhäusern geben, deshalb müssen wir uns vorbereiten“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag nach der ersten Bund-Länder-Konferenz des neuen Jahres. Über die Omikron-Welle wollten die Ministerpräsidenten dabei gemeinsam mit der Bundesregierung beraten, die fünfte Coronawelle, ausgelöst durch die neue Virusmutante rollt bereits mit Macht durch die Republik – Ende der Woche könnte die neue Variante bereits überall dominant sein.
Der neue Expertenrat der Bundesregierung hatte deshalb noch im Dezember eindringlich vor einer „neuen Dimension der Pandemie“ gewarnt: Durch Omikron könne das Infektionsgeschehen völlig außer Kontrolle geraten, sogar die kritische Infrastruktur könne durch massenweise Ausfälle in Gefahr geraten, warnten die 19 Experten einhellig, und forderten: Impfen und Boostern allein reiche nicht aus, nötig seien neue Kontaktbeschränkungen, konsequenten Handeln und stringentes Erklären.
Die neue Variante vereine gleich mehrere ungünstige Eigenschaften in sich, betonten die Experten weiter: “Sie infiziert in kürzester Zeit deutlich mehr Menschen und bezieht auch Genesene und Geimpfte stärker in das Infektionsgeschehen ein”, heißt es im Papier des Expertenrates, dies könne “zu einer explosionsartigen Verbreitung führen – und dann „wäre ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt und/oder in Quarantäne.“ Es brauche umgehend eine gute Vorbereitung des Schutzes der kritischen Infrastruktur, aber auch unbedingt zusätzliche Kontaktbeschränkungen, forderten die Wissenschaftler.
„Wir wissen, dass Omikron noch ansteckender ist“, sagte Scholz nun am Freitag nach der Konferenz – trotzdem beschloss die Politik lediglich eine einzige konkrete Maßnahme zur Kontaktvermeidung: Künftig gelte für die Gastronomie bundesweit 2Gplus, die Gäste müssen also geimpft oder genesen und zusätzlich getestet sein. Geboosterte sind allerdings von der Testpflicht in der Gastronomie ausgenommen, auch das gilt künftig bundesweit. In Rheinland-Pfalz gelten alle diese Regeln bereits seit Dezember, an den Corona-Regeln ändert sich im Land faktisch nichts – auch die Kontaktbeschränkungen auf zehn Personen für Geimpfte bleibt unverändert bestehen. Clubs und Diskos bleiben geschlossen, Tanzveranstaltungen verboten – auch diese Regelung kommt nun bundesweit.
„Die Maßnahmen im Dezember haben geholfen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Anschluss an die MPK in Mainz, die Zahlen in Rheinland-Pfalz seien im Bundesvergleich „relativ niedrig“ geblieben. Dabei meldete auch Rheinland-Pfalz am Freitag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 289,7, die Zahl der Neuinfektionen verdoppelte sich binnen Wochenfrist. Der Vorsprung zu anderen Bundesländern werde „schnell dahinschmelzen“, sagte Dreyer denn auch – auch in Rheinland-Pfalz mache Omikron bereits 80 Prozent der Neuinfektionen aus. „Wir werden jetzt einen starken Anstieg der zahlen sehen“, sagte Dreyer, „wir kämpfen mit sehr stark ansteigenden Inzidenzen.“
Die gute Nachricht sei allerdings: Omikron verlaufe aber offenbar milder, die Symptome zeigten sich kürzer und hielten auch wenig lange an, sagte Dreyer. Die Gefahr sei nun aber, dass mehr Menschen gleichzeitig sich ansteckten und auch erkrankten und so viele Arbeitnehmer gerade in der kritischen Infrastruktur gleichzeitig ausfielen. „Wir überwachen das ständig“, betonte Dreyer, man habe Notfallpläne im Blick bei Polizei, Rettungskräften, Feuerwehren und Krankenhäusern.
Bund und Länder beschlossen deshalb am Freitag vor allem auch eine Verkürzung der Quarantänezeiten. „Wir können damit das gesellschaftliche Leben besser aufrecht erhalten“, betonte Dreyer. Wer geboostert ist, muss nun als Kontaktperson gar nicht mehr in Quarantäne, alle anderen können nun bereits wieder nach zehn Tagen die Isolation verlassen, wenn sie keine Krankheitssymptome haben. Mit einem negativen Test kann die Quarantäne sogar auf sieben Tage verkürzt werden. Wissenschaftler halten das für vertretbar, die lange Dauer von 14 Tagen für die Quarantäne hatte sich zuletzt meist als unnötig erwiesen – und als erhebliche Belastung für Familien, Schulen und Betriebe.
Für Lockerungen besteht derzeit „kein Anlass und kein Spielraum“, betonte Dreyer weiter – und doch prüft die Politik bereits wieder genau das: Als Erleichterung für die Gastronomie solle nun erörtert werden, ob auch frisch Geimpfte von der Testpflicht ausgenommen werden könnten, sagte Dreyer, der Bund prüfe zudem eine elektronische Lösung für die Nachweise. Bund und Länder setzen nun weiter vor allem auf das Boostern: „Der beste Schutz vor Omikron ist eine Boosterimpfung“, sagte Scholz noch einmal, auch Erst- und Zweitimpfungen böten einen guten ersten Schutz vor schweren Erkrankungen. 30 Millionen Boosterimpfungen seien bis Weihnachten erreicht worden, nun sollten die nächsten 30 Millionen Booster organsiert werden.
Aus der Wissenschaft kamen denn auch umgehend die ersten entsetzten Reaktionen: „Verschärfte Maßnahmen sehe ich nicht, und das ist schon sehr enttäuschend“, sagte der Saarländer Corona-Modellierer Thorsten Lehr am Abend bei ZDF Heute plus. Man werde jetzt in allen Bundesländern „eine Wand“ an Neuinfektionen sehen, „darauf zu hoffen, dass dass das nicht passiert, ist absolut fahrlässig“, kritisierte Lehr. Es brauche Maßnahmen, die das verhinderten, die Politik wolle aber „nicht agieren“, und das, obwohl sie genau wisse, was auf sie zukomme – und dass sie noch nachschärfen müsse, sagte Lehr weiter: „Ich frage mich, warum das heute noch nicht beschlossen wurde“, fügte der Coronaexperte hinzu.
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Mainz&-Kommentar: Armselig, Mutlos, Planlos – Gefährlich
War’s das? Echt jetzt? Deutschland steuert auf eine Infektionswelle noch nie gesehenen Ausmaßes zu – und die Politik macht: nichts. Dabei sind sich die Experten seit Wochen einig: Auf Deutschland kommt nicht einfach mehr „nur“ eine Welle zu – da wartet eine Wand. Eine Welle an Neuinfektionen, die so hoch ist, dass eine Wand eine harmlose Hürde darstellen würde. Seit Wochen warnen die Experten, der neue Expertenrat der Bundesregierung forderte schon im Dezember scharfe Gegenmaßnahmen. Die Bund-Länder-Konferenz am Freitag aber beschloss: so gut wie nichts. Für Rheinland-Pfalz: Nix Neues.
Olaf Scholz beschränkt sich darauf, müde in die Kamera zu gucken und vor „höheren Infektionen“ zu warnen – mehr hat der Neue Bundeskanzler rhetorisch nicht zu bieten. Glaubt er so wirklich, die Bevölkerung adäquat auf die neue Welle vorzubereiten? Wer soll das ernst nehmen? Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) verkündet derweil fröhlich lächelnd, man liege in Rheinland-Pfalz ja niedriger als die anderen Bundesländer, das sei doch super. Jetzt rechne man aber mit rasant steigenden Zahlen, sagte die MP noch. Konsequenz? Keine.
Weitere Einschränkung von Kontakten? Och nö. Vorbereitungen auf Hybridunterricht oder Wechselunterricht zur Verkleinerung der Klassen? Bloß nicht, die Schulen müssen ja um jeden Preis offen bleiben. Vielleicht endlich mal flächendeckende Tests in Kitas? Schon mal gleich gar kein Thema. Die Politik verkündet fröhlich lächelnd die heranrasende Omikron-Welle – und wendet sich dann Schulter zuckend ab. Soll halt der Bürger zusehen, wie er klarkommt. Ist ja „unser aller Verantwortung“.
Ist das also die Corona-Strategie der neuen Ampel-Regierung? Ja, es gibt bereits Corona-Maßnahmen, aber alle Experten sind sich einig: Reichen wird das nicht. Noch immer zehn Kontakte für Geimpfte, obwohl auch die sich reihenweise mit Omikron anstecken. Weitere Beschränkungen? Bloß nicht, man könnte ja jemanden verschrecken. Wofür beruft man eigentlich einen Expertenrat ein – um dann doch nicht auf ihn zu hören? Das erinnert doch stark an das Agieren der Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz in den vergangenen zwei Jahren: Abwarten, Wegeducken – und alle echten Verschärfungen erst mal vom Bund verkünden lassen, damit man selbst bloß nicht den „Schwarzen Peter“ hat.
Angela Merkel scheute sich nicht, unbequeme Maßnahmen durchzusetzen, es sieht nicht so aus, als hätte Olaf Scholz den Willen oder den Mumm dazu. Vorsorge und Prävention ist in Deutschland weiter kein Thema, Null Covid sowieso schon lange nicht mehr. Langzeitfolgen wie Long Covid werden einfach ignoriert – dabei leiden bereits Millionen daran. Dabei zeigt die Wissenschaft immer deutlicher auf, wie gefährliche diese Schäden sind, und wie lange sie Gesellschaft und Gesundheitssystem belasten werden. Reaktion der Politik: keine. Im Stich gelassen werden so alle Vernünftigen, Vorsichtigen und Verantwortungsbewussten. Und mit den Infektionszahlen wachsen Wut und Frust. Super, Ampel. Nicht.