Seit rund drei Monaten gehört die Baugrube an der Ludwigsstraße nun den Archäologen, und die präsentierten am Freitag nun erste Funde. Dazu gehören eine Menge Mauern, die unter anderem zu einem Keller aus der Barockzeit gehören, einer Kloake aus der Moderne, aber auch zu Gebäuden aus der Zeit der Franken – und sogar bis zurück in die Römerzeit reichen: Womöglich liegt hier das einstige Forum des römischen Moguntiacum. Gefunden wurde schon einmal eine römische Münze aus der Zeit Kaiser Trajans, das Highlight aber ist ein exquisites Stück aus dem Mittelalter: Eine Papstbulle aus dem frühen 11. Jahrhundert.
Im April 2022 hatte der Baukonzern Gemünden-Molitor den Startschuss für den Neubau des “Boulevard LU” an der Ludwigsstraße gegeben, an Stelle des alten Karstadt-Gebäudes soll hier ein neues, modernes Einkaufszentrum samt Hotel, Restaurants und Dachterrasse entstehen. Der erste Bauabschnitt betrifft aber das ehemalige Karstadt-Sport-Gebäude an der Fuststraße, hinter dem “China-Pavillon”: Hier bauen das Unternehmen Molitor, die Sparkasse Rhein-Nahe sowie das Bistum Mainz gemeinsam einen Komplex mit Wohnungen.
Das Gelände ist historisch hochgradig interessant, befindet man sich hier doch im Herzen von Mainz, in unmittelbarer Nähe zum Mainzer Dom sowie der Johanniskirche, dem Alten Dom zu Mainz. Mehr noch: Dieses Areal gehörte über die Jahrhunderte hinweg zum Herzen sowohl des mittelalterlichen, als auch des römischen Mainz, und so prophezeite Molitor-Chef Tim Gemünden denn auch im April 2022 im Gespräch mit Mainz&: “Wir finden hier Römer.”
Römische Mauer, Denar aus der Zeit Kaiser Trajans
Am Freitag nun präsentierten die Archäologen der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) die mit Spannung erwarteten ersten Funde in der Baugrube zwischen Ludwigsstraße und Bischofsplatz – und siehe da: “Wir finden genau das, was vorhergesagt wurde, wo es vorhergesagt wurde”, bekannte Gemünden. Konkret gesagt: “Wir haben eine erste römische Mauer gefunden”, berichtete Grabungsleiter Thomas Dederer nun. Dabei handelt es sich um ein relativ unscheinbares Viereck, das seine Geheimnisse noch nicht Preis gibt.
Noch wissen die Archäologen nicht, wozu das kleine Viereck römischer Mauern gehörte: War es Teil eines einfachen Gebäudes oder vielleicht sogar Teil eines Tempels? Gehörte es zum römischen Forum, dem großen Marktplatz und öffentlichen Treffpunkt zur Römerzeit, oder stand hier vielleicht etwas ganz Anderes? “Wir gehen davon aus, dass wir hier irgendwo das Forum annehmen dürfen”, sagte die neue Landesarchäologin Stephanie Metz.
Einen kleinen Hinweis auf Handel und Marktgeschehen fanden die Archäologen jedenfalls schon einmal: Im Geviert der römischen Mauerreste fand sich ein Denar aus der Zeit des römischen Kaisers Trajan. Die kleine Silbermünze zeigt den Kopf des Kaisers auf der Vorder- , und das Abbild einer Göttin auf der Rückseite. Trajan war von 98 bis 117 nach Christus Kaiser des Römischen Reiches, aus dieser Zeit müssen also die Funde im Boden rund um die römischen Mauerreste stammen.
Keller aus der Barockzeit, fränkische Reste – und Gräber
Trajan war ein Eroberer und Statthalter in Germanien gewesen, unter ihm erfuhr das Römische Reich seine größte Ausdehnung – unter diesem Kaiser erlebte das Reich eine wahre Blütezeit, er selbst galt den Geschichtsschreibern als “princeps optimus”:; als schlicht “der beste Kaiser”. Mainz war zu jener Zeit Provinzhauptstadt und wichtiges Militärlager, Stützpunkt der Rheinflotte und blühende Handelsstadt – man besaß einen Aquädukt und ein Bühnentheater, Thermen, Tempel und blühende Handwerker- und Kaufmannsviertel.
Was davon nun an der Ludwigsstraße noch zutage treten könnte, ist bislang noch unklar. “Wir sind noch ganz am Anfang”, erklärte Dederer. Vier Meter haben sich die Archäologen bisher in die Tiefe vorgearbeitet, viele historische Reste seien durch Gebäude aus dem Barock, aber auch durch das spätere Hertie-Kaufhaus zerstört worden, sagte Dederer weiter. Entdeckt wurde bisher der Keller eines Hauses aus der Barockzeit, an dessen Rändern eben jene römische Mauerreste, aber auch Rest fränkischer Besiedlungen gefunden wurden.
Die Reste aus der Frankenzeit könnten besonders spannend werden, hatten die Historiker doch hier, in unmittelbarer Nähe zum Alten Dom weitere Gebäude vermutet, die zum Kirchenareal einer der ältesten Kirchen Deutschlands gehören könnten. Hinweise auf eine Doppelkirche oder etwa eine Taufkirche fanden die Archäologen bislang aber nicht – Hinweise auf den alten Friedhof des Alten Doms aber sehr wohl, wie Gemünden und Metz verrieten: “Wir haben jetzt noch ein paar Leichen mehr im Keller”, verriet Gemünden mit einem Schmunzeln.
Sensationsfund: Eine Papstbulle, um das Jahr 1000
Die Archäologen bestätigten gegenüber Mainz&, man habe in der Tat einige Gräber gefunden, wie viele und wo genau, dazu wollten sich die Forscher noch nicht äußern. Bislang halten sich die Funde auch noch eher in Grenzen, die Arbeiten stehen auch noch am Anfang: Sieben Monate haben die Archäologen noch Zeit für ihren Forschungsgang in die Mainzer Geschichte, ungefähr zwei Meter tief wollen sie sich noch weiter ins Erdreich graben.
Fest steht aber schon jetzt: Ein Fund ist schon einmal ein Highlight, wenn nicht eine Sensation. In der Grube wurde nämlich ein Papstbulle gefunden, verriet Metz, also eine Urkunde, die mit einem päpstlichen Siegel versehen war. Überdauert hat die Zeit offenbar in erster Linie das Siegel, das eine Größe von etwa einem alten Fünf-Mark-Stück hat. Das Siegel sei aus Blei, aber leider in einem recht schlechten Zustand und deshalb bisher unlesbar, berichtete die Landesarchäologin weiter: “Ich konnte es selbst noch nicht lesen.”
Das wertvolle Relikt müsse nun erst einmal restauriert werden, doch schon jetzt steht fest: Die Bulle stammt aus dem hohen Mittelalter, wohl aus der Zeit ab dem Jahr 1000 – und sie habe “eine gewissen Verbindung in einen geographisch östlich anzulegenden Raum”, wie Metz etwas kryptisch verriet. Das Funkeln in den Augen der Archäologin verriet indes: Hier deutet sich ein herausragender, wenn nicht gar sensationeller Fund an.
Container “LU:ST auf Mainzer Schätze” mit Panoramablick in Grube
Zwei Männer prägten um das Jahr 1000 herum die Geschicke der Menschen in Deutschland und Europa: Papst Silvester, der im Jahr 999 zum Papst gewählt wurde, und König Otto III. Dass die Ottonen enge Verbindungen nach Mainz hatten, ist spätestens nach den Forschungen rund um den Alten Dom zu Mainz bekannt – in dem im Jahr 1021 ein gewisser Erzbischof Erkanbald bestattet wurde. Dessen Entdeckung seines Sarkophags samt anschließender Öffnung war eine der großen Sensationen der jüngsten Mainzer Archäologiegeschichte.
Erkanbald war im Jahr 1011 Nachfolger seines berühmten Vorgängers, Erzbischof Willigis geworden, der wiederum als Erbauer des Großen Dom zu Mainz in die Geschichte einging – auch wenn der St- Martins Dom erst 1039 eingeweiht wurde, da er 1009 am Vorabend seiner eigentlich geplanten ersten Weihe abbrannte. Es war Willigis von Mainz, der 983 Otto III. in Aachen zum König krönte – der da gerade einmal drei Jahre alt war – und eine wichtige Rolle während der Regentschaft von Ottos Mutter Theophanu spielte. Mainz gehörte damals also zu den wichtigsten Städten des Reiches – welche Funde der Boden an der Ludwigsstraße hütet, dürfte deshalb besonders spannend werden..
“Das hier ist ein sehr geschichtsträchtiger Ort”, sagte denn auch der neue Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) am Freitag bei der Besichtigung der Baugrube – und versprach: Wenn sich herausragende Funde abzeichneten, “werden wir auch dafür eine Lösung finden.” Mainz müsse “seine Schätze leben können” und Archäologie zum Anfassen bieten, deshalb sei er sehr froh, dass nun auch “die Mainzerinnen und Mainzer aktiv an den Grabungen teilhaben” und einen Blick in die Geschichte werfen könnten.
Dafür nämlich wurde am Rande der Baugrube nun ein Container an der Ecke des Bischofsplatzes platziert, den man über eine Treppe erreicht, und von dem aus Neugierige einen Panoramablick in die Baugrube werfen können. Der “LU:PopUp-Container” solle “LU:ST auf alte und neue Mainzer Schätze machen”, sagte Gemünden: “Bevor wir in die Höhe bauen, gucken wir erst mal in die Tiefe.” In dem Container soll auch vorwiegend mit Fotos und schriftlichen Informationen über die neuesten Funde informiert werden.
Info& auf Mainz&: Den Aussichtscontainer “LU:ST auf Mainzer Schätze” findet Ihr an der Johannisstraße, Ecke Bischofsplatz, geöffnet ist er erst einmal in der kommenden Woche vor Ostern – danach wollen die Verantwortlichen über weitere Öffnungszeiten je nach Andrang entscheiden, Informationen dazu findet Ihr hier im Internet. Die Öffnungszeiten des Aussichtscontainers in der Karwoche:
- Sa. 01.04.23 11-14 Uhr
- Mo. 03.04.23 11-13 Uhr
- Di. 04.04.23 15-17 Uhr
- Mi. 05.04.23 11-13 Uhr