Die Stadt Mainz will ihren Zuschuss zum warmen Mittagessen an städtischen Schulen zum 1. März auf 66 Cent senken, gleichzeitig sollen die Elternbeiträge steigen – warum, dazu gibt es weiter keine Erklärung. Die Stadt spricht von einer „sozialverträglichen Kofinanzierung“ auf der Grundlage einer Entgeltverordnung des Bundes. Die OB-Kandidaten von SPD und Grünen zeigten sich im Mainz&-Interview überrascht: Davon habe man nichts gewusst. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Stadtratsfraktion. Von Seiten der SPD-Stadtratsfraktion hieß es am Mittwoch: Man sei zur Erhöhung der Elternbeiträge „verpflichtet“ – wegen eines Stadtratsbeschlusses aufs dem Jahr 1998.

Die Stadt Mainz will die Elternbeiträge für Schulessen anheben, gleichzeitig aber ihren Zuschuss deutlich senken. - Foto: gik
Die Stadt Mainz will die Elternbeiträge für Schulessen anheben, gleichzeitig aber ihren Zuschuss deutlich senken. – Foto: gik

Die Stadt Mainz plant ab März eine deutlich Anhebung der Beiträge für das warme Mittagessen an städtischen Schulen – und will gleichzeitig ihren eigenen städtischen Zuschuss auf ein Minimum reduzieren. Mainz& hatte das vergangenen Freitag berichtet, nachdem dieser Zeitung ein Schreiben an Eltern bekannt wurde, das die folgenden Zahlen nennt: Demnach soll der Elternbeitrag pro Mittagessen an dieser bestimmten Schule auf 3,80 Euro steigen. Gleichzeitig aber reduziert die Stadt Mainz ihren Zuschuss pro Essen auf gerade noch 66 Cent – das ist der niedrigste Betrag seit 2011.

Die Absenkung des städtischen Zuschusses zum warmen Schulessen wurde inzwischen noch von einer weiteren Schule bestätigt – von Seiten der Stad Mainz gibt es dazu aber weiter keine Erklärung. Die städtische Pressestelle antwortete am Dienstagabend auf Mainz&-Anfrage vom vergangenen Freitag: „Die Mittagsessenspreise an Mainzer Ganztagsschulen werden gemäß des Stadtratsbeschlusses vom 25.03.1998 erhoben.“ Der Stadtrat habe mit seinem damaligen Beschluss „eine sozialverträgliche Kofinanzierung unter Berücksichtigung der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEv) §2 Absatz 1 Nr. 2 beschlossen.“

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Werbung

Kofinanzierung Mittagessen: Stadtratsbeschluss von 1998

Die Mittagsverpflegung der städtischen Schulen werde im Regelfall für zwei Jahre ausgeschrieben, erklärt man bei der Stadt weiter, den Zuschlage erhalte „der günstigste Anbieter, der alle Kriterien erfüllt.“ Der Essensbeitrag werde nicht vollständig auf die Eltern umgelegt, sondern nur der Betrag pro Essen, der durch die Sozialversicherungsentgeltverordnung festgelegt werde, betont die Stadt weiter – und dessen Höhe werde jährlich durch den Bund angepasst.

Ein gesundes Schulessen ist allen Politikern im Wahlkampf wichtig - aber was darf es kosten? - Foto: gik
Ein gesundes Schulessen ist allen Politikern im Wahlkampf wichtig – aber was darf es kosten? – Foto: gik

Damit aber bleibt weiter unklar, warum nun genau der städtische Zuschuss zum Mittagessen auf gerade einmal noch 66 Cent sinkt. Zum Vergleich: 2011 hatte der Zuschuss der Stadt Mainz nach den Mainz& vorliegenden Angaben noch 1,43 Euro pro Essen betragen, im März 2020 noch 86 Cent. Seither spülte die Corona-Pandemie mehr als eine Milliarde Euro Gewerbesteuer in die städtische Kasse, die Stadt Mainz hat nach eigenen Angaben Rücklagen von mehreren Millionen Euro gebildet.

Im OB-Wahlkampf fordern nun ausgerechnet die Kandidaten von SPD und Grünen ein kostenloses warmes Mittagsessen an Schulen und Kitas. SPD und Grüne stellen gemeinsam mit der FDP als „Ampel-Koalition“ seit 12 Jahren die Mehrheit im Mainzer Stadtrat. Von Schuldezernent Eckart Lensch (SPD) kam aber ebenso wenig eine Reaktion wie von Finanzdezernent Günter Beck (Grüne).

Werbung

OB-Kandidaten von SPD und Grünen überrascht

Der OB-Kandidat der Linken hatte den Vorgang im Mainz&-Interview scharf kritisiert: Das sei „ein Schlag ins Gesicht, gerade für die ärmeren Familien in Mainz“, kritisierte Martin Malcherek: „Das ist genau das Gegenteil von dem, was permanent behauptet wird.“ Tatsächlich werben sowohl von Jungenfeld als auch Viering mit dem Thema: Im Mainz-O-Mat antworteten beide Kandidaten auf die Frage, ob „jedes Kind Anspruch auf eine kostenlose warme Mahlzeit pro Tag in Mainzer Schulen, Kindergärten und Kitas“ haben soll mit Ja.

Wahlplakat der SPD-OB-Kandidatin Mareike von Jungenfeld. - Foto: SPD Mainz
Wahlplakat der SPD-OB-Kandidatin Mareike von Jungenfeld. – Foto: SPD Mainz

Die SPD-Kandidatin für die OB-Wahl, Mareike von Jungenfeld, sagte im Mainz&-Video-Interview, die Reduzierung der stätischen Zuschüsse sei im Finanzausschuss nicht besprochen worden. „Ich kenne das Thema, und deshalb habe ich ja gesagt, wir bieten das Mittagessen künftig kostenfrei an“, betonte die SPD-Stadträtin, die auch Finanzexpertin ihrer Stadtratsfraktion ist. Auch wer schon in Verantwortung sei, könne ja auch noch „eine Vision und Idee für die Zukunft haben.“ Von Jungenfeld wirbt mit ihrer Vision, Mainz soll die familienfreundlichste Stadt werden – eine kostenlose warme Mahlzeit inklusive.

Auch Grünen-OB-Kandidat Christian Viering, der explizit mit Armutsbekämpfung wirbt, zeigte sich überrascht: „Ich arbeite ja nicht bei der Stadt Mainz“, sagte er als Reaktion – und verwies darauf, dass die Stadt die Kosten für das Mittagessen für Familien mit Anspruch auf Teilhabeleistungen komplett übernehme. „Die Stadt Mainz trägt die vollständigen Essenskosten für Personen, die einen Anspruch auf Basis des Bildungs- und Teilhabegesetzes haben“, heißt es auch bei der Stadt Mainz. Auch Schüler aus Familien mit gering verdienenden Eltern würden gefördert, „so dass von dieser Personengruppe nur 1 Euro pro Essen gezahlt werden muss.“

Werbung

SPD: Beschluss von 1998, Grüne: wurde nicht diskutiert

Von Seiten der SPD-Stadtratsfraktion verweist man nun ebenfalls auf die Vergangenheit: Die Stadt sei zur „Anhebung der Elternbeiträge verpflichtet, da es einen Stadtratsbeschluss aus dem Jahre 1998 gibt, und die Verwaltung aufgrund dessen diesen nicht einfach selbstständig aussetzen kann“, sagte SPD-Stadtrat und Finanzexperte Andreas Behringer: „Aus unserer Sicht ist die Belastung von Familien seit Corona, und auch durch die jüngste Inflationsspirale, insgesamt sehr stark gestiegen“, deshalb sei „für die SPD-Fraktion klar, dass der Stadtratsbeschluss von damals nicht mehr in die Zeit passt.“

Grünen-OB-Kandidat Christian Viering mit Wahlplakat-. - Foto: Grüne Mainz
Grünen-OB-Kandidat Christian Viering mit Wahlplakat-. – Foto: Grüne Mainz

Warum der Beschluss in 25 Jahren nicht geändert wurde, sagte Behringer nicht. Warum die Stadt nun gleichzeitig mit der Anhebung ihren eigenen Zuschuss senkt – dazu gibt es auch von SPD und Grünen keine Erklärung. „Die Ankündigung des Caterers an die Eltern, die Preise für das Mittagessen ab März zu erhöhen, hat uns doch leicht überrascht“, sagte Grünen-Sozialexpertin Ruth Jaensch: Das Thema sei „noch in keinem städtischen Gremium diskutiert worden“, es liege „keine konkrete Beschlussvorlage vor.“

Die Grünen stellen mit Günter Beck den Finanzdezernenten, Jaensch betonte nun, die Stadtverwaltung haben im Herbst 2022 noch mitgeteilt, „dass die Kostensteigerungen in 2022 von der Stadt übernommen“, und die Elternbeiträge somit nicht erhöht würden.  Warum nun doch „so zeitig eine Anpassung der Beiträge ansteht, und die Eltern über den Caterer informiert wurden, muss in Ruhe besprochen und geklärt werden“, sagte Jaensch weiter. Es liefen bereits „interne Beratungen für eine entsprechende Initiative bezüglich des städtischen Anteils am Mittagessen in den Mainzer Schulen.“ Die genauen Forderungen werde man dann demnächst in die Gremien einbringen.

Werbung

FDP: als Koalition gefordert, für politische Klarheit zu sorgen

Die in der Ampel mitregierende FDP kündigte Fragen an: „Die Aufregung der Eltern, für die diese Entscheidung ohne entsprechende Vorwarnung durch den Schulträger, die Stadt Mainz kam, ist mehr als nachvollziehbar“, sagte FDP-Fraktionschef David Dietz: „Als Fraktion werden wir diese mangelhafte Kommunikationsleistung natürlich hinterfragen.“ Offenbar sei „der zuständigen Fachverwaltung der Ratsbeschluss von 1998 durchgerutscht, der vorsieht, dass die Verwaltung in dieser Frage nicht autark handeln kann, sondern vielmehr es der politischen Entscheidung bedarf“, sagte Dietz weiter.

Wahlplakat des FDP-OB-Kandidaten Marc Engelmann. - Foto: FDP Mainz
Wahlplakat des FDP-OB-Kandidaten Marc Engelmann. – Foto: FDP Mainz

Die politische Debatte über den Anteil von Eltern und Stadt müsse in den zuständigen Gremien und im Rat geführt werden, sagte Dietz weiter: „Nicht zuletzt als Koalition sind wir gefordert, an der Stelle für politische Klarheit zu sorgen und der Verwaltung einen Rahmen zu setzen.“ Auch der FDP-OB-Kandidat Marc Engelmann hatte sich im Mainz-O-Mat für eine kostenlose warme Mahlzeit an Schulen und Kitas ausgesprochen.

Der parteilose OB-Kandidat Nino Haase sprach gegenüber Mainz& von „einem völlig falschen Signal“ – denn gleichzeitig behaupteten SPD und Grüne ja anderes. „Jetzt genau das Gegenteil zu machen, ist unglaubwürdig“, kritisierte Haase. Die Ampel hätte gerade erst in den Haushaltsdebatten Ende 2022 „die Chance gehabt“, das auch umzusetzen. Haase selbst betonte, er wolle die Förderung für Familien mit geringerem Einkommen ausbauen, die nicht Sozialhilfe bekämen. „Für alle es kostenlos machen, und das pauschal, da würde ich das Geld lieber in die Schulsozialarbeit stecken“, fügte Haase hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Reduzierung Stadtzuschuss zum Mittagessen lest Ihr hier bei Mainz&. Alle Video-Interviews mit den OB-Kandidaten findet ihr hier auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal. bAlles rund um die OB-Wahl in Mainz mit dem ersten Wahlgang am 12. Februar 2023, findet Ihr hier in unserem Mainz&-Wahldossier.