Jetzt also doch: In der Stadt Mainz dürfen ab diesem Monat nun Ausschüsse und Ortsbeiräte auch per Videokonferenz tagen. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) gab am Donnerstag bekannt, er habe dies im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Stadtvorstandes festgelegt. Die Stadt werde dafür die Anwendung „Cisco WebEx“ nutzen, in den Videokonferenzen dürfen nun auch Beschlüsse gefasst werden. Ortsvorsteher dürfen selbstständig entscheiden, ob Ortsbeiratssitzungen in Präsenz oder digital stattfinden oder abgesagt werden – genau hieran hatte sich in den vergangenen Wochen Streit entzündet.
Schon im Oktober hatte die Stadtratsfraktion von Piraten und Volt nachdrücklich die Stadtspitze aufgefordert, die Voraussitzungen für digitale Videokonferenzen zu schaffen. Angesichts rasant steigernder Infektionszahlen müsse die Stadtverwaltung „schnellstmöglich Lösungen“ zur Durchführung digitaler Stadtrats-und Ausschusssitzungen schaffen, forderte die Fraktion in einem Schreiben an Oberbürgermeister Ebling. Es gelte zu verhindern, dass, wie bereits während der ersten Infektionswelle, sämtliche Ausschusssitzungen vertagt würden, die Kommunalpolitik müsse auch in Krisenzeiten funktionsfähig bleiben. Im November schimpfte Fraktionschef Tim Scharmann dann sogar, trotz einer Inzidenz von mittlerweile 260 pro 100.000 Einwohnern tagten Gremien unverdrossen weiter in Präsenz – das sei „unverantwortlich.“
Die Stadt lehnte aber in der Folge Videokonferenzen weiter strikt ab, daran entzündete sich im November ein heftiger Streit unter anderem zwischen der Verwaltung und dem Ortsbeirat Altstadt: Dass die Stadt weiter auf Präsenzsitzungen bestehe, obwohl inzwischen wieder ein Lockdown angeordnet sei, sei unverständlich und ein unnötiges Infektionsrisiko, kritisierte etwa die CDU – und drohte gar mit Boykott der Ortsbeiratssitzung. Die Stadt argumentierte hingegen, man bezweifle bei digitalen Sitzungen die Rechtsverbindlichkeit von Beschlüssen, wenn während der Sitzung bei einzelnen Ratsmitgliedern technische Probleme auftreten sollten.
Dabei hatte zu diesem Zeitpunkt der rheinland-pfälzische Landtag diese Rechtsfragen längst geklärt: Im Juni hatte der Landtag mit einer Änderung der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung den Weg für digitale Gremiensitzungen auf kommunaler Ebene frei gemacht und dabei ausdrücklich auch die Beschlussfassung über digitale Wege vorgesehen. Der Gemeinde- und Städtebund empfahl das eindringlich, rechtliche Bedenken gebe es im Prinzip keine mehr, sagte Agneta Psczolla vom Gemeinde- und Städtebund (GdSt) Rheinland-Pfalz im Gespräch mit Mainz&. Die digitalen Sitzungen hätten zudem viele Vorteile, weil Gremienmitglieder von überall her teilnehmen könnten, Kinderbetreuung erleichtert werde und auch Bürger einfacher teilnehmen könnten als es womöglich sogar bei einer Präsenzsitzung der Fall sei.
„Viele Gemeinden machen sich Gedanken: was mache ich denn, wenn das System gerade wegbricht, wenn ich eine Abstimmung mache“, sagte Psczolla. Bei vielen Gemeinden gebe es aber die Möglichkeit, Abstimmungen im Vorfeld schriftlich über das Ratsinformationssystem abzuwickeln. Auch habe das Land Rheinland-Pfalz eigens für die digitalen Sitzungen die Möglichkeit eröffnet, Beschlüsse im Umlaufverfahren zu fassen. Die Voraussetzung: bei Umlaufverfahren darf kein Ratsmitglied dem Verfahren widersprechen, bei Video- oder Telefonkonferenzen müssen zwei Drittel der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder dem Verfahren zustimmen. Bis Ende Dezember musste zunächst noch die Dienstaufsichtsbehörde digitalen Gremiensitzungen zustimmen, diese Vorschrift strich der Landtag aber.
Der Ortsbeirat Mainz-Altstadt führte Ende November einfach in Eigenregie eine digitale Sitzung durch, dreieinhalb Stunden tagte das Gremium, „die Ortsbeiratsmitglieder waren hoch motiviert“, berichtete Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne) danach gegenüber Mainz&. Der Ablauf habe gut funktioniert – trotzdem musste sich der Ortsbeirat eine Woche später noch mal in Präsenz treffen, und die gleichen Beschlüsse noch einmal fassen. Ein großer Vorteil, sagte Huck zudem: Die Beteiligung der Bürger an der digitalen Sitzung sei „fast rekordverdächtig“ gewesen, per Chatfunktion seien eifrig Fragen gestellt worden, man habe sich sogar für das neue Format bedankt.
Nun schwenkte auch die Stadt Mainz um: Durch die Änderung der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung sei es aufgrund der Coronavirus-Pandemie „ausnahmsweise möglich, Beschlüsse auch mittels Telefon- und Videokonferenzen zu fassen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Oberbürgermeister Ebling habe deshalb nun „im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Stadtvorstandes festgelegt, dass städtische Gremiensitzungen, in denen Beratungen und Vorberatungen stattfinden, ab Januar 2021 auch als Videokonferenzen durchgeführt werden können.“
Die Stadt will dafür die als Datenschutz konform geltende Anwendung „Cisco WebEx“ nutzen, das System sei bereits intern für Besprechungen sowie Sitzungen des Ältestenrates erfolgreich verwendet worden, hieß es weiter. Mandatsträger, die nicht über die notwendige technische Ausstattung verfügen, könnten sich mittels Telefon zuschalten. Auch die Beteiligung der Bürger sei sichergestellt: Für interessierte Bürger und Medienvertreter sollen die Sitzungen als Livestream auf der Homepage der Landeshauptstadt Mainz übertragen werden, die Links stehen unten.
Oberbürgermeister Ebling betonte, auch in der Corona-Krise blieben Verwaltung und Ratsgremien zusammen handlungsfähig. „Sitzungen per Videokonferenz bleiben aber die Ausnahme, sie können und sollen nicht dauerhaft die herkömmliche Arbeit der kommunalen Gremien in Form von Präsenzsitzungen ersetzen“, betonte Ebling zugleich. Die Stadtratssitzungen sollten aber weiterhin als Präsenzsitzungen stattfinden, „um die Rechtssicherheit zu gewährleisten und nicht das Risiko einzugehen, dass Beschlüsse aufgrund von technischen Problemen bei einzelnen Ratsmitgliedern anfechtbar werden.“
Die Ortsvorsteher haben ab sofort aber die Möglichkeit ihre Sitzungen digital abzuhalten und können eigenständig entscheiden, ob Ortsbeiratssitzungen in Präsenz oder digital stattfinden oder abgesagt werden. Der Jugendhilfeausschuss sowie der Bau- und Sanierungsausschuss hätten sich bereits für Videokonferenzen im Januar entschieden, teilte die Stadt weiter mit.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Streit über Präsenzsitzungen kontra digitale Sitzungen könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Die Livestreams für die Gremiensitzungen werden auf der Homepage der Stadt Mainz gestreamt, und zwar Ausschusssitzungen unter www.mainz.de/ausschuesse-live, die Ortsbeiratssitzungen dann unter www.mainz.de/ortsbeiraete-live.