Mainz muss auf die Einführung eines 365-Euro-Tickets noch eine ganze Weile warten: Im Mainzer Stadtrat wurde in der Sondersitzung am Montag keine Einführung eines 365-Euro-Tickets beschlossen, dabei lagen dazu gleich drei Anträge auf dem Tisch. Stattdessen verwies der Rat das Thema in die Ausschüsse – eine Beschlussfassung ist damit in die Zukunft verschoben. Die CDU kritisierte, Mainz drohe damit bei der Vergabe von Bundesgeldern leer auszugehen. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hatte in einem Brief an sieben Oberbürgermeister ein gemeinsames 365-Euro-Ticket für die Rhein-Main-Region vorgeschlagen. Die Nachbarstadt Wiesbaden bewirbt sich derweil als Modellstadt für ein solches Ticket – allein. Unser Bericht – mit Mainz&-Chronologie.

Bus der Mainzer Mobilität am Mainzer Hauptbahnhof. - Foto: gik
Bus der Mainzer Mobilität am Mainzer Hauptbahnhof – bis es ein 365-Euro-Ticket gibt, wird es noch dauern. – Foto: gik

Im Oberbürgermeister-Wahlkampf sind alle fünf Kandidaten für die Einführung eines 365-Euro-Tickets in Mainz, der OB-Kandidat der Linken, Martin Malcherek, machte daher den Vorschlag, eine gemeinsame Initiative zu starten – doch daraus wurde nichts: Im Stadtrat lagen am Montag drei unterschiedliche Anträge zu dem Thema auf dem Tisch. Die CDU hatte mit ihrem Antrag für die September-Sitzung das Thema ins Rollen gebracht, doch die Ampel-Fraktionen setzten mit ihrer Mehrheit die Anträge von der Tagesordnung ab – die SPD kritisierte gar die Anträge als „Show in Sachen OB-Wahlkampf.“ CDU, ÖDP und Freie Wähler erzwangen daraufhin eine Sondersitzung des Stadtrats noch vor der Oberbürgermeisterwahl – die nächste wäre erst am 20. November gewesen.

Mainz sei eine „pulsierende und wachsende Stadt in der Boomregion Rhein-Main“, argumentiert die CDU in ihrem Antrag, die Bürger erwarteten von einer modernen und lebenswerten Stadt „zunehmend einen attraktiveren ÖPNV, der als Alternative zum Pkw-Verkehr wahrgenommen wird.“ Dazu gehörten auch die Preise, günstige Tarife seien aber ein Hauptanreiz für die Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs. Die Stadtverwaltung werde deshalb aufgefordert, „in Zusammenarbeit mit der Mainzer Mobilität ein Finanzierungsmodell zu entwickeln, welches geeignet ist, den angestrebten Fahrpreis zu finanzieren.“ Auch solle die Stadt bei der Landesregierung ein entsprechendes Förderprogramm zur Unterstützung einfordern. Derzeit zahlen Erwachsene in Mainz für ein Jahresticket 815,- Euro, Schüler und Azubis mindestens 561,50 Euro.

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SPD und Grüne mochten das so nicht mittragen, und legten eigene Anträge dazu vor. Die Grünen fordern darin, es brauche erst einmal eine Kapazitätsanalyse um zu eruieren, wie viel mehr Fahrgäste ein solches Ticket nach sich ziehe. Mainzer Mobilität und Verkehrsverwaltung sollten „darlegen, welche Taktverdichtungen und welche Netzerweiterungen wünschenswert wären, um die Attraktivität des Angebots weiter zu steigern“, heißt es in dem Antrag weiter. Auch solle die Mainzer Mobilität den Finanzierungsbedarf und eine Umsetzungsmöglichkeit eines 365,- Euro-Jahrestickets darlegen, die Stadt sich beim Land für ein landesweites 365-Euro-Ticket nach dem Vorbild des hessischen Schülertickets einsetzen.

Wiesbaden bewirbt sich beim Bund als Modellregion für ein 365-Euro-Ticket für alle. - Foto: ESWE Verkehr
Wiesbaden bewirbt sich derweil beim Bund als Modellregion für ein 365-Euro-Ticket für alle. – Foto: ESWE Verkehr

Die SPD wiederum betonte, sinnvoll sei, das 365-Euro-Ticket „von Anfang an“ auf das gesamte Gebiet des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) zu fassen und gleich auch den Rhein-Nahe-Verkehrsverbund (RNN) einzubinden. „Gemeinsam haben sich die Oberbürgermeister der Landeshauptstädte Mainz und Wiesbaden seit Juli auf den Weg gemacht, das Rhein-Main-Gebiet als Modellregion für die Einführung eines einheitlichen 365-Euro-Jahrestickets zu etablieren“, heißt es im Antrag weiter. Das Klimapaket der Bundesregierung schaffe nun endlich Möglichkeiten und Mittel, dies umzusetzen.

Die SPD unterstrich damit eine Initiative von Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): Der hatte am 1. Oktober in einem Brief an die Oberhäupter von sieben Städten der Region eine gemeinsame Initiative zur Stärkung des ÖPNV sowie zur Einführung eines gemeinsamen 365-Euro-Tickets vorgeschlagen. „Die Zeit ist reif für ein 365-Euro-Ticket als eine konkrete Vision zur Stärkung und Bezahlbarkeit des ÖPNV im Wirtschafts- und Lebensraum Rhein-Main“, betonte Ebling an die Oberbürgermeister von Frankfurt, Darmstadt, Aschaffenburg, Wiesbaden, Ingelheim, Offenbach und Hanau: „Nachhaltige und konkrete Maßnahmen zur CO2-Reduzierung dulden keinen Aufschub.“

Allerdings: Mit dem gemeinsamen Vorgehen von Wiesbaden und Mainz scheint es nicht weit her zu sein. Die Nachbarstadt Wiesbaden teilte just am Montag mit, man habe sich nun im Rahmen des Klimapakets bei der Bundesregierung als eine von zehn Modellstädten für ein 365-Euro-Ticket für alle Bürger beworben. Entsprechende Schreiben seien verschickt, erste Gesprächstermine bereits vereinbart, betonten Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) und Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne). „Ein 365-Euro-Ticket für alle lädt ein, umzusteigen“, betonte Mende: „Es reduziert die Stickoxidbelastung und ist ein wichtiger Baustein der Verkehrswende.“ Zudem wäre „eine solche günstige Flatrate für Bus und Bahn sozialpolitisch eine echte Errungenschaft.“

In Hessen gibt es bereits ein 365-Euro-Schülerticket, die Grafik stammt aus der Bilanz nach einem Jahr. - Foto: gik
In Hessen gibt es bereits ein 365-Euro-Schülerticket, die Grafik stammt aus der Bilanz nach einem Jahr. – Grafik: Land Hessen, Foto: gik

Wiesbaden erfülle für eine Förderung im Vergleich zu anderen Städten „drei wichtige Voraussetzungen“, betonte Dezernent Kowol: Erstens liegen bereits ein Grundsatzbeschluss der Stadtverordnetenversammlung, ebenso eine Kalkulation von ESWE Verkehr vor. Zweitens habe das Land Hessen die Maßnahme in seinem Luftreinhalteplan für Wiesbaden verbindlich festgeschrieben. Und schließlich gebe es in Hessen bereits ein 365-Euro-Ticket für Schüler, „die zu schließende Lücke ist also leichter zu schließen als andernorts.“

Mit einem Modellprojekt in Wiesbaden könnten zudem „wertvolle Erfahrungen gesammelt werden“ für eine spätere Ausweitung des 365-Euro-Tickets auf das gesamte Rhein-Main-Gebiet, betonten Mende und Kowol weiter. Man begrüße daher „ausdrücklich auch die jüngsten Überlegungen in Mainz, dort ebenfalls mit den Vorbereitungen für ein 365-Euro-Ticket zu beginnen.“ ESWE Verkehr solle nun gemeinsam mit der Mainzer Mobilität die Schritte zur Einführung für ein gemeinsames Ticket prüfen.

Gerd Schreiner (links) und Thomas Gerster (rechts, beide CDU) bei der Vorstellung eines Radweg-Konzeptes in der Mainzer Oberstadt. - Foto: gik
Gerd Schreiner (links) und Thomas Gerster (rechts, beide CDU) bei der Vorstellung eines Radweg-Konzeptes in der Mainzer Oberstadt. – Foto: gik

Der Mainzer CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster kritisierte denn auch die Verschiebung des Mainzer Beschlusses zum 365-Euro-Ticket auf einen späteren Zeitpunkt: „Nur wenn wir jetzt zugestimmt hätten, hätten wir noch ein Chance gehabt, gemeinsam zu marschieren“, sagte Gerster am Abend gegenüber Mainz&, „wegen des fehlendes Stadtratsbeschlusses sehe ich das jetzt nicht mehr.“ Die Metropolregion als Ganzes werde die Gelder für das Modellprojekt nicht bekommen, Mainz habe so die Chance verschenkt, eine der zehn  Modellregionen zu werden. „Ich glaube nicht, dass der Bund auf den Mainzer Stadtrat warten wird“, fügte Gerster hinzu.

Info& auf Mainz&: Mainz& hat schon im April über das Thema 365-Euro-Ticket berichtet, damals über einen Vorstoß des Mainzer Stadtrats und CDU-Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner. Der hatte in einer Anfrage an die Landesregierung nach den Bedingungen einer landesweiten Einführung eines 365-Euro-Tickets gefragt und ein Schülerticket auch für Rheinland-Pfalz gefordert – das FDP-geführte Wirtschaftsministerium lehnte brüsk ab. Den ganzen Text dazu findet Ihr hier bei Mainz&. Den Vorstoß von Martin Malcherek zu einer gemeinsamen 365-Euro-Ticket-Initiative könnt Ihr hier noch einmal nachlesen, alles zur Mainzer OB-Wahl findet Ihr hier bei Mainz&.

Hintergrund& auf Mainz&: Die Chronologie zum 365-Euro-Ticket

Weil ja die Frage, „wer hat’s erfunden“, besonders gerne in Wahlkampfzeiten gestellt wird, bieten wir Euch hier die erste Mainz&-Chronologie zum 365-Euro-Ticket an:

  • August 2017: Die schwarz-grüne hessische Landesregierung führt zum 1.8.2017 ein landesweites Schülerticket in Hessen ein, damit können ab sofort alle Schüler und Azubis für 365 Euro im Jahr Bus und Bahn fahren – in ganz Hessen. Das Schülerticket ist ein Lieblingsprojekt von Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne).
  • April 2018: Die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz spricht sich für ein landesweites Schülerticket aus.
  • August 2018: Nach einem Jahr sind bereits 400.000 Schüler in Hessen mit dem 365-Euro-Ticket unterwegs, die Flatrate für Bus und Bahn sorgt für Steigerungsraten von 60 Prozent. Allein im Rhein-Main-Verkehrsverbund fahren 40 Prozent mehr Schüler mit – in manchen Landkreisen gibt es sogar Steigerungen von um die 220 Prozent. Das Land Hessen stellt für das Schülerticket bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr bereit.
  • Januar 2019: Der Mainzer Schüler Jakob Hüncher entwirft als Praktikant beim CDU-Landtagsabgeordneten Gerd Schreiner eine Anfrage an die Landesregierung in Mainz zur Einführung eines 365-Euro-Schülertickets.
  • März 2019: Das FDP-geführte Verkehrsministerium lehnt ein 365-Euro-Ticket weitgehend ab – Rheinland-Pfalz sei viel ländlicher als Hessen, ein solches Ticket werde 60 Millionen Euro kosten, die verkehrspolitischen Effekte seien „relativ gering“. Schreiner kritisiert, die Zahlen seien nicht durchgerechnet, sondern eine reine „Horrorzahl“ zur Abschreckung – ein 365-Euro-Ticket sei die perfekte familienpolitische Förderung.
  • April 2019: Die Mainzer SPD spricht sich auf einem Parteitag für ein 365-Euro-Ticket aus. Im Mainzer OB-Wahlkampf fordern schließlich alle fünf Kandidaten ein solches Ticket für Mainz.
  • August 2019: Hessen kündigt die Einführung eines 365-Euro-Seniorentickets für 2020 an.
  • September 2019:  Die CDU bringt einen Antrag für ein 365-Euro-Ticket in den Mainzer Stadtrat ein, der Antrag wird – ebenso wie vier andere Anträge – mit den Stimmen von Grünen, SPD und FDP von der Tagesordnung abgesetzt.
  • Oktober 2019: Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) schreibt einen Brief an sieben Stadtoberhäupter im Rhein-Main-Gebiet und schlägt eine gemeinsame Initiative für ein 365-Euro-Ticket vor.
  • Oktober 2019: In der von CDU, ÖDP und Freien Wählern erzwungenen Sondersitzung des Stadtrats am 14. Oktober stellen SPD und Grüne eigene Anträge zum 365-Euro-Ticket, zusätzlich zum CDU-Antrag. Keiner der Anträge wird verabschiedet, alle in die Ausschüsse verwiesen.
  • Oktober 2019: Die Stadt Wiesbaden verkündet ebenfalls am 14. Oktober, man habe sich beim Bund als Modellstadt für ein 365-Euro-Ticket beworben. Wiesbaden erfülle bereits alle Voraussetzungen: Eine Kalkulation des Verkehrsbetriebs liege bereits vor – und ein Grundsatzbeschluss des Wiesbadener Stadtrats.

2 Kommentare

  1. Viele Wähler und -innen sind Parteienklüngel und Handkäsmafia überdrüssig. Mainz braucht keine Parteisoldaten sondern einen Macher vom Schlage eines Jockel. Und da gibt es einen, der um ein Haar Ebling gekippt hätte. Manchmal kann es besser sein, anstatt auszusitzen etwas falsch zu machen. Fehler kann man einsehen und korrigieren. Genau diese Einschätzung erlebe ich flächendeckend.

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