Es ist ja wirklich schwer zu verstehen: Da geht das kommunale Unternehmen Wohnbau hin und kündigt den Abriss zweier alteingesessener Häuser in der Neustadt an – und tut das offenbar in einem völlig deplatzierten Ton. Nun rudert das Wohnbau-Unternehmen zurück: Das Schreiben „war unglücklich formuliert“, sagte eine Sprecherin am Dienstag Mainz&. Und man werde auf jeden Fall wieder Wohnraum für sechs und sieben Euro pro Quadratmeter schaffen sowie den heutigen Bewohnern beim Umzug helfen.

Mainzer Neustadt von oben  - Foto: gik
Mainzer Neustadt von oben – Foto: gik

Die Wohnbau hatte Mitte März angekündigt, die Wohnhäuser Sömmeringstraße 48-50 und 52-54 – insgesamt zwei Häuser – abreißen zu wollen. Stattdessen soll auf dem Grundstück 155 neue Wohnungen entstehen in fünfgeschossiger Blockrandbebauung um den Beethovenplatz herum – und mit einer Tiefgarage darunter. Und die Tiefgarage sei auch der Grund, warum man nicht erst einmal mit dem Bau neuer Häuser beginnen könne, sondern die alten Häuser erst einmal abreißen müsse.

Wohnbau: Abriss muss wegen Tiefgarage sein

„Wir können die Tiefgarage nicht unter die alten Gebäude von 1965 bauen, das ist nicht möglich“, sagte Wohnbau-Sprecherin Kerstin Halm Mainz& am Dienstagnachmittag. Da hatte die Wohnbau gerade eine vierseitige Stellungnahme verschickt, um die ganze Sache aus ihrer Sicht darzustellen. Der unsensible Brief an die Bewohner hat nämlich heftige Proteste, wütende Reaktionen und sogar kritische Stimmen aus den regierenden Parteien SPD und Grüne ausgelöst.

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Die Bewohner verlören ein Stück Heimat, die Nachbarschaft und das soziale Netz würden auseinander gerissen, kritisierten etwa die Grünen. Einen solchen Schritt könne man „nicht einfach mit formalen Briefen einleiten.“ Gerade als kommunales Unternehmen stehe die Wohnbau „in einer besonderen Verantwortung“ und müsse „deutlich mehr Fingerspitzengefühl“ zeigen.

Blick von der Christuskirche Richtung Nord über die Mainzer Neustadt - Foto: gik
Blick von der Christuskirche Richtung Nord über die Mainzer Neustadt – Foto: gik

Wohnbau räumt Fehler ein und will auch Umzüge bezahlen

„Sicherlich war es ein Fehler, in diesem Zusammenhang (des Briefs Anm. Mainz&) nicht zeitgleich das persönliche Gespräch mit jeder Mieterin und jedem Mieter zu suchen“, heißt es in dem Schreiben der Wohnbau. Das werde nun aber in diesen Tagen nachgeholt. Außerdem werde man natürlich den Mietern bei der Suche nach einer Wohnung helfen und sogar den Umzug bezahlen.

„Es ist auch erst in zwei Jahren, abgerissen wird erst im Frühjahr 2017“, betonte Halm, bis dahin werde für alle Mieter ein neues Zuhause gefunden sein. Der neue Komplex soll dann bis 2019 stehen, statt der derzeit 50 Wohnungen sollen dann 150 Wohnungen dort zur Verfügung stehen.

Wohnbauplant billige Wohnungen – aber wieviele?

Und die Wohnbau betont, das werde auch preiswerter Wohnraum sein: „Wir planen eine große Zahl von öffentlich geförderten Wohnungen ein, bei denen die Mietpreise für Haushalte mit geringen Einkommen bei 6 € je Quadratmeter Kaltmiete liegen, bei den Haushalten mit mittleren Einkommen sind es 7 € je Quadratmeter Kaltmiete“, heißt es in dem Schreiben. Damit werde die Miete für eine Wohnung von 80 Quadratmetern Fläche bei 560 Euro kalt liegen – was wirklich niedrig wäre.

Blick in die Leibnizstraße in der Mainzer Neustadt Richtung Josefsstraße - Foto: gik
Knapper Wohnraum in der Mainzer Neustadt – Foto: gik

Der Haken dabei: Wieviele preisgünstige Wohnungen von den 150 geschaffen werden, kann die Wohnbau nicht sagen. Das hänge von den Fördermitteln des Landes zur Schaffung und zum Erhalt von preisgünstigem Wohnraum ab, sagte Halm.

CDU: Pläne stoppen, Abriss zurückstellen

Die CDU war nicht beruhigt und will das Thema morgen im Stadtrat besprechen. „Das lapidare Eingeständnis von Fehlern durch die Geschäftsführung ist unzureichend“, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig. Für die von den Abrissplänen Betroffenen sei die Situation „weiterhin überaus problematisch und unbefriedigend“, so könne man mit Bewohnern, die teilweise schon jahrzehntelang in den Häusern lebten, „einfach nicht umgehen.“

Die CDU fordert in einem Antrag, dass der Abriss der Häuser zurückstellt wird. Für einen Abriss bereits 2017 bestehe „keine Notwendigkeit“, die Pläne seien gerade mit Blick auf die erst vor wenigen Jahren erfolgten aufwändigen Sanierungen unverständlich. „Die Wohnbau sollte die zusätzlichen Neubauten so planen, dass der Bestand geschützt bleibt“, findet die CDU.

ÖDP: Abriss überhaupt sinnvoll?

Metzger Peter Leussler vor seinem neuen Laden am Sömmeringplatz - Foto: gik
Metzger Peter Leussler vor seinem neuen Laden am Sömmeringplatz – Foto: gik

Auch die ÖDP-Stadtratsfraktion zeigt keinerlei Verständnis für das Vorgehen der Wohnbau: Die Wohnbau verschicke Briefe zum Abriss, aber der Wohnbau-Aufsichtsratsvorsitzende und Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD) wisse nichts davon – „so etwas darf nicht passieren!“, betonte ÖDP-Ortsbeiratsmitglied Peter Leussler, besser bekannt als Metzger Peter 😉

Es sei doch fraglich, ob der Abriss überhaupt ökologisch sinnvoll sei, schließlich seien die Gebäude „offenbar nicht sanierungsbedürftig und in den nächsten 15 bis 20 Jahren noch voll nutzbar“, sagt Leissler weiter. Auch angesichts der Wohnungsnot gerade für sozial schwächere Menschen müsse die Wohnbau ihre Pläne überdenken. Scharfer Gegenwind also für das Wohnbau-Unternehmen, auch die SPD kritisierte das Vorgehen.

SPD: wichtige Weiterentwicklung der nördlichen Neustadt

Allerdings sei die Weiterentwicklung und Neuordnung der nördlichen Neustadt „ein wichtiger städtebaulicher Beitrag für die Neustadt“, gab der Vorsitzende der SPD Neustadt, Erik Donner, zu bedenken. Dadurch würden neue und auch viele bezahlbare Wohnungen geschaffen, die vorhandenen Flächen effektiver genutzt.

So ähnlich argumentiert auch die Wohnbau: Die Neuordnung des vorgesehene – und nie realisierten – Beethovenplatzes gehe noch auf Stadtbaumeister Eduard Kreyßig zurück, der bekanntlich die Neustadt nach dem damals hochmodernen Schachbrettmuster plante, heißt es in der Stellungnahme der Wohnbau. Seit 2012 werde nun versucht, diese „städtebauliche Wunde“ in der Neustadt zu schließen und „die alten Kreyßig-Pläne nach heutigen Maßgaben zur Geltung zu bringen.“ Jetzt wissen wir, wer Schuld ist 😉

Wohnbau argumentiert mit Stadtbaumeister Kreyßig

2013 begannen die Planungen für den Neubau, das Konzept eines Planungsbüros wurde ausgewählt. 2014 kaufte die Wohnbau – so die Darstellung der Wohnbau – ein Schlüsselgrundstück am Beethovenplatz. Danach habe man die Pläne detailliert, Investitionsbeschlüsse im Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung für die Realisierung der Projektes herbeigeführt. Parallel seien im August/ September 2014 Ortsvorsteher und Ortsbeirat der Neustadt und die Öffentlichkeit bei einer Stadtteilkonferenz am 14.11.2014 informiert worden.

Heute betonte die Wohnbau nun ausdrücklich, allen Mietern werde eine Ersatzwohnung angeboten, dazu erhebe man derzeit den Bedarf. Einige Mieter wollten gerne in der Neustadt bleiben, ältere Menschen komme es aber „vorrangig darauf an, eine barrierefreie Wohnung zu bekommen.“ Würde uns aber wundern, wenn gerade ältere Menschen nicht in ihrem sozialen Umfeld bleiben wollen…

Man gehe davon aus, dass in den kommenden Monaten „Zug um Zug mit allen Betroffenen einvernehmliche Lösungen gefunden und vereinbart werden können“, betont die Wohnbau. Man werde außerdem die Öffentlichkeit fortlaufend über den Stand der Dinge informieren. Geht doch 😉

 

 

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