Mitte Februar hatte die CDU Rheinland-Pfalz Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) wegen einseitiger Parteinahme im Bundestagswahlkampf zulasten der CDU im Bundestag verklagt – nun räumte der Ministerpräsident ein: Die CDU hatte Recht. Ja, seine Aussagen hätten das Neutralitätsgebot für den Ministerpräsidenten im Amt verletzt, teilte Schweitzer am Freitag via Staatskanzlei mit. Entsprechende Äußerungen werde er zukünftig nicht mehr wiederholen, versicherte der Regierungschef. Die CDU reagierte zurückhaltend: Man habe offenbar „einen Nerv getroffen.“

Am 29. Januar hatte im Deutschen Bundestag ein Antrag der CDU mit fünf Punkten zu einer verschärften Migrationspolitik eine Mehrheit gefunden – und zwar mit Hilfe der Stimmen der AfD-Fraktion. CDU-Chef Friedrich Merz hatte mit dem Antrag und einem nachfolgenden Gesetzentwurf für eine deutlich verschärfte Migrationspolitik im Bundestagswahlkampf ein Zeichen setzen wollen, dass er gewillt sei, nach der Bundestagswahl am 23. Februar energisch umzusteuern. Zudem wollte sich der CDU-Chef nicht länger von der AfD vorführen lassen, gerade nach mehreren Anschlägen von Migranten in wenigen Wochen.
Der Aufschrei war gigantisch: „Unsäglich“, ein „Tabubruch“, ein historischer Fehler, Merz habe damit die Brandmauer zur AfD eingerissen – die Reaktionen aus dem rot-grün-linken Lager überschlugen sich. Vor CDU-Parteizentralen wurde demonstriert, in mehreren Orten kam es dabei zu Gewalt und Verwüstungen – eine Mitarbeiterin der CDU-Geschäftsstelle Mainz erhielt gar Morddrohungen. Doch auch hochrangige Politiker mischten sich in die Debatte ein, darunter der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD).
Kritik Schweitzers an CDU: Verstoß gegen das Neutralitätsgebot
Schweitzer kritisierte das Verhalten der CDU im Bundestag mit deutlichen Worten, und schrieb dabei auch: Es sei beunruhigend, „wenn eine demokratische Partei sich eine Mehrheit sucht mit der in Teilen rechtsextremen AfD. Sie verlässt damit die demokratische Mitte.“ Das Problem dabei: Schweitzer schrieb diese Äußerungen nicht etwa als SPD-Politiker – was er gedurft hätte – sondern er tätigte die Äußerungen auf dem offiziellen Account der Landesregierung auf Facebook, Instagram sowie in dem offiziellen Newsletter aus der Staatskanzlei.

Die CDU Rheinland-Pfalz sah darin einen eklatanten Verstoß gegen das Neutralitätsgebot der Verfassung, weil Schweitzer in offizieller Funktion als Ministerpräsident Aktionen eines politischen Gegners bewertet und damit im Wahlkampf „parteiisch eingemischt“ habe. „Staatliche Organe haben sich unparteiisch und neutral in Bezug auf politische Themen und gegenüber politischen Parteien zu verhalten“, betonte CDU-Landes- und Fraktionschef Gordon Schnieder damals: „Mit seinen offiziell als Ministerpräsident getätigten Aussagen verstößt der Ministerpräsident gegen diese Neutralitätspflicht.“
Die CDU reichte deshalb Mitte Februar Klage beim Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz ein – nun bekam sie schon vor der Entscheidung des Gerichts Recht: Die Staatskanzlei habe die von der CDU-Landtagsfraktion beanstandeten Äußerungen über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz in einem Newsletter der Staatskanzlei sowie auf den Facebook- und Instagram-Profilen der Landesregierung und des Ministerpräsidenten vom 3. Februar bzw. 31. Januar 2025 „neu bewertet“, teilte die Staatskanzlei am Freitag mit.
Schweitzer räumt Verstoß ein und lobt Demokratiefestigkeit der CDU
Das Ergebnis: Ministerpräsident Schweitzer komme nun „zu dem Schluss, dass seine Aussagen das Neutralitätsgebot verletzt haben und versichert, entsprechende Äußerungen zukünftig nicht mehr zu wiederholen.“ Anlass für die Neubewertung war ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 2. April 2025. Dabei ging es um eine Klage der AfD gegen die damalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die im Januar 2024 die AfD auf einer Demonstration in Mainz mit deutlichen Worten kritisiert und zudem zu der „Demo gegen Rechts“ auf ihrem offiziellen Account aufgerufen hatte.

Auch die AfD hatte das als Verletzung der Neutralitätspflicht der Ministerpräsidentin gesehen, erlitt vor Gericht aber eine herbe Niederlage: Dreyer habe zwar mit ihren Wertungen gegen das Neutralitätsverbot verstoßen, habe dies aber tun dürfen, weil sie sich auf eine Bedrohung der Verfassung durch die AfD bezogen habe – und das „entbehrt nicht einer gewissen Grundlage“, schrieben die Richter in ihrem Urteil. In Wahrnehmung ihres Schutzauftrages sei „die Regierung daher befugt, an der öffentlichen Auseinandersetzung darüber teilzunehmen, ob Ziele und Verhalten einer Partei oder deren Mitglieder als verfassungsfeindlich einzuordnen sind.“
Das Urteil aber brachte die Staatskanzlei dazu, noch einmal die Äußerungen von Dreyers Nachfolger Schweitzer in Bezug auf die CDU neu zu bewerten – daraufhin folgte das Eingeständnis, das Schweitzer am Freitag in einem Schreiben an die CDU schickte, und danach auch öffentlich machte. Interessant ist dabei indes auch die Begründung: „Gerade im Lichte des Urteils vom 2. April 2025 ist es mir wichtig, dass alle demokratischen Parteien ihre Kräfte zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bündeln“, betonte Schweitzer: Die Kollegen der CDU Rheinland-Pfalz „weiß ich dabei fest an meiner Seite, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.“
SPD hatte Friedrich Merz verdammt: „Tore zur Hölle geöffnet“
Das ist eine deutliche Kehrtwende, hatte besonders die Bundes-SPD doch CDU-Chef Merz in der Folge der Bundestagsdebatte wiederholt in die ultrarechte Ecke gestellt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte Merz gar in einer Verdammnis-Rede vorgeworfen, „das Tor zur Hölle“ aufgestoßen zu haben – entschuldigt hat sich die SPD bis heute für diese Angriffe nicht. Hunderttausende folgten dem Narrativ von SPD und Grünen, man müsse die Republik gegen die Christdemokraten verteidigen – CDU-Politiker landauf, landab mussten sich als „Nazis“ beschimpfen lassen. Schweitzer rückte nun mit seiner neuen Wortwahl davon deutlich ab.

Bei der CDU reagierte man wortkarg: „Wir werden dieses Schreiben und den Schriftsatz der Landesregierung an den Verfassungsgerichtshof – der uns zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegt – eingehend juristisch prüfen, und dann über unsere weiteren Verfahrensschritte entscheiden“, teilte Marcus Klein, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, mit. Man sei weiter von dem Verstoß gegen das Neutralitätsgebot überzeugt, ein Ministerpräsident habe sich an geltendes Recht und insbesondere an die Verfassung zu halten, „das ist eine Selbstverständlichkeit“, betonte Klein.
Man habe mit der Klage zudem auch „eine Wiederholungsgefahr abwenden und Klarheit für zukünftiges Handeln nicht nur des Ministerpräsidenten, sondern der gesamten Landesregierung schaffen“ wollen, so der CDU-Politiker weiter: „Dass wir damit einen Nerv getroffen, zeigte sich schon darin, dass die Veröffentlichungen nach Einreichung der Klage nicht mehr einsehbar waren.“ Die Staatskanzlei hatte unmittelbar nach Einreichen der CDU-Klage Schweitzers Äußerungen aus dem Internet genommen.
Info& auf Mainz&: Ausführliche Analysen zu dem Thema „Brandmauer“ und „Tabubruch“ findet Ihr hier in dieser Mainz&-Kolumne, eine Analyse der politischen Kommunikation im Bundestagswahlkampf von SPD und Grünen gegenüber der CDU sowie ihrem Chef – und künftigen Bundeskanzler – Friedrich Merz könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen: