Kontaktsperre, Distanzgebot, Verbot von Großveranstaltungen – und dann Fastnacht feiern? Mit bangem Blick schauen die Karnevalisten und Fastnachter in diesen Tagen auf die Entwicklung der Corona-Pandemie, die alles beherrschende Frage: Wird es überhaupt eine Kampagne 2021 geben? Der Dachverband der Rheinischen Karnevals-Korporationen schockte die Narren am Samstag mit einer Empfehlung, Umzüge und Sitzungen abzusagen. In Mainz ist man da gelassener: „Im Moment gibt es keinen Grund, etwas abzusagen“, sagte MCV-Präsident Reinhard Urban gegenüber Mainz&. Der MCV plane den 11.11. ebenso wie die Fastnacht – und habe doch im Hinterkopf, dass alles ganz anders kommen könne. Andere Fastnachtsvereine berichten das Gleiche: „Wir feiern Fastnacht 2021“, heißt es allerorten, „die Frage ist nur wie.“

Gedränge am 11.11.2019 auf dem Mainzer Schillerplatz - das wird es 2020 sicher so nicht geben können. - Foto: gik
Gedränge am 11.11.2019 auf dem Mainzer Schillerplatz – das wird es 2020 sicher so nicht geben können. – Foto: gik

Fast genau ein halbes Jahr noch, dann steht der 11.11. ins Haus, einer der wichtigsten Feiertage der Mainzer: Startschuss für die Fastnacht, Verkündung des närrischen Grundgesetzes. „500.000 Leute in der Stadt, alle mit Mundschutz und 1,50 Meter Abstand – das glaubt ja keiner“, sagt der Präsident des Mainzer Carnevals Vereins (MCV), Reinhard Urban. Dass der 11.11 wie gewohnt auf dem Schillerplatz stattfinde, mit großer Party und eng gedrängter Menge – in Mainz glaubt das derzeit niemand.

In diesen Wochen stellen Fastnachter landauf, landab die Weichen für die Kampagne 2021. Da werden Säle gebucht und Motti gedichtet, Orden entworfen und Programmhefte in den Druck gegeben. Ende April schickte der Mainzer Carnevals Club (MCC) ungerührt an seine Mitglieder die Sitzungstermine der neuen Kampagne, Termin zur Kartenbestellung inklusive. „Im Moment gibt es keinen Grund, etwas abzusagen“, sagt auch MCV-Präsident Urban im Gespräch mit Mainz&, und betont: „Wir planen im Moment den 11.11.“, und fügt dann hinzu: „Obwohl ich persönlich nicht überzeugt bin, dass wir das durchführen dürfen.“

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MCV-Präsident Reinhard Urban am 11.11. mit der Uhrl, die den Start in die Kampagne anzeigt. - Foto: gik
MCV-Präsident Reinhard Urban am 11.11. mit der Uhrl, die den Start in die Kampagne anzeigt. – Foto: gik

Die Corona-Pandemie ist keineswegs überstanden, sämtliche Großveranstaltungen sind bis Ende August verboten – von da sind es nur gute acht Wochen bis zum November. Viele Virologen beobachten die derzeitigen Lockerungen der strengen Corona-Bekämpfungsmaßnahmen mit Argwohn: Die vermehrten Kontakte zwischen den Menschen könne zu einer zweiten großen Infektionswelle führen, befürchten sie – und gerade im Herbst könnte das neue Coronavirus analog zur Influenza-Grippe wieder verstärkt auftreten. Nähe, Körperkontakt, unbeschwertes Feiern – die Experten warnen, das werde solange nicht möglich sein, bis ein Impfstoff gegen Covid-19 vorliege

Karneval, „das lebt vom Schunkeln, Bützche links, Bützche rechts“, seufzt Christian Johan von der Arbeitsgemeinschaft Koblenzer Karneval (AKK): „Das lebt vom Miteinander, nicht vom Abstand.“ Doch genau das ist derzeit nun wirklich nicht angesagt, der Dachverband der Rheinischen Karnevals-Korporationen (RKK) zog deshalb am Samstag die Konsequenzen: Der RKK riet nach einer Sitzung am Freitagabend seinen Mitgliedsverbänden allen Ernstes, auf Karnevalsveranstaltungen 2021 zu verzichten.

Doch davon will man weder im Norden von Rheinland-Pfalz noch in Mainz bisher etwas wissen. „Das ist im Moment doch eine ganz große Glaskugel-Guckerei“, sagt AKK-Präsident Johan im Gespräch mit Mainz&, und betont: „Wir planen so, als ob wir die Session ganz normal durchziehen können.“ Das Dilemma der Vereine in Koblenz, Mainz und anderswo: „Wenn die Feiern doch erlaubt wären, und wir nichts geplant hätten, wäre es blöd“, sagt Urban: „Wir fahren deshalb im Grunde derzeit zweigleisig: Wir planen ganz regulär, fassen aber „sowohl-als auch“ ins Auge.“

Große Fastnachtssitzung mit eng gedrängten Zuschauern - so wird Fastnacht 2021 wohl nicht aussehen. - Foto: gik
Große Fastnachtssitzung mit eng gedrängten Zuschauern – so wird Fastnacht 2021 wohl nicht aussehen. Doch geplant wird trotzdem weiter. – Foto: gik

Und so werden derzeit Fastnachtssitzungen geplant, die so wahrscheinlich nie stattfinden werden, Großparties mit Bühnen und Fastnachtsstars, die dort vielleicht nie auftreten werden – eine Art Geisterplanung läuft da. „Wir planen einfach weiter wie bisher“, sagt auch Dirk Loomans vom Karneval Club Kastel (KCK), „aber wir wissen natürlich nicht, wie das weitergeht.“ Ein großer Teil der Sitzunggäste beim KCK gehöre zur Risikogruppe der Älteren, „wir können es nicht verantworten, unsere Gäste in Gefahr zu bringen“, betont Loomans. Doch für den Fall, dass die Pandemielage eben doch Sitzungen und Umzüge zulasse, plane man weiter.

„Wir bestellen einen Orden, aber wir lassen die Jahreszahl weg“, berichtet Karsten Lange von der Mainzer Husaren Garde – wer wisse denn schon, ob es am Ende die Kampagne 2021 oder vielleicht doch 2022 werde. Man werde „alles Menschenmögliche tun“, damit die Sitzung am 30. Januar 2021 im Haus der Vereine doch noch durchgeführt werden könne – auf welcher Art auch immer. „Wir planen aktuell mit den Szenarien einer uneingeschränkten Sitzung, einer Sitzung unter strengen Auflagen und einer behördlichen Untersagung von Sitzungen“, sagt Lange.

Nachthemdensitzung des KCK: Auf Tuchfühlung wird 2021 wohl nicht gehen. - Foto: gik
Nachthemdensitzung des KCK: Auf Tuchfühlung wird 2021 wohl nicht gehen. – Foto: gik

Die Mainzer Fastnacht hat Erfahrung mit Kampagnen-Absagen, erst 2016 wurde der Mainzer Rosenmontagszug wegen Sturmtief Ruzicka in letzter Minute abgesagt, 1991 fiel gleich die ganze Kampagne dem Golfkrieg zum Opfer. Doch damals kam die Absage nur Tage vorher, Sitzungen, Säle, Redner, alles war gebucht und zum Teil auch schon bezahlt. Der Unterschied dieses Mal: „Wir planen die Sitzungen, und wir werden auch sagen, Ihr dürft Karten bestellen“, sagt Urban, „aber Ihr müsst sie jetzt nicht zahlen.“ Die Hallen für die Sitzungen seien zwar gebucht – aber in den Verträgen stehen dieses Mal keine Stornokosten. „Wir sitzen alle in einem Boot und sind uns einig, dass keiner auf Kosten sitzen bleiben soll“, sagt Urban, „von den Finanzen her würde uns eine Absage keine Probleme machen.“

Auch die Bestellungen von Orden oder den Zugplakettchen zur Finanzierung des Mainzer Rosenmontagszuges will Urban noch hinauszögern. „Wir planen, dass wir ein Zugplakettcher haben werden, und ein Motto“, sagt der Präsident, aber bei den Zugplakettcher plane man mit einer einfacheren Version, die schneller realisiert werden könne. „Sonst müsste ich jetzt 60.000 bis 70.000 Euro für die Produktion ausgeben, das mache ich nicht“, betont Urban. Auch den Bau der Motivwagen lasse man noch auf sich zukommen: „Das müssten wir irgendwann im Oktober, November überlegen“, sagt Urban.

So sah es 2016 an Rosenmontag auf der Ludwigsstraße nach der Absage des Zuges aus. - Foto: gik
So sah es 2016 an Rosenmontag auf der Ludwigsstraße nach der Absage des Zuges aus. – Foto: gik

„Das einzige, was man momentan machen kann, ist Zeit gewinnen“, sagt auch der Präsident des Gonsenheimer Carnevals-Vereins (GCV), Martin Krawietz: „Meine Meinung ist: Wir feiern Fastnacht 2021 – die Frage ist nur wie.“ Das große Glück sei, dass die Corona-Pandemie unmittelbar nach Fastnacht ausgebrochen sei, so habe man „den größten maximalen Zeitraum zwischen den Kampagnen“ zur Verfügung, da könne noch viel passieren in der Medizin. Und überhaupt könne es doch einfach andere Formen der Fastnacht geben, findet Krawietz: digitale Sitzungen vielleicht, oder eben doch Events mit Abstand zwischen den Teilnehmern. „Es gibt dann vielleicht eben keinen Tanz, sondern nur eine Sitzung“, sagt Krawietz, „man muss halt die Art und Weise anpassen, wie man feiert.“

„Vielleicht gibt’s bald was ganz Neues: Karneval auf Distanz“, sinniert auch der Koblenzer Johan: „Eine Abstandssitzung mit Gummipuppe oder Pappkamerad zwischen den Zuschauern – mit dem kann man dann schunkeln.“ Auch bei der Husarengarde heißt es, man plane eben mit verschiedenen Varianten: Wahrscheinlich wird es eine Sitzung mit Abstandsregeln und einer spürbaren Begrenzung der Sitzplätze, vielleicht könnten dann nur Ehrenoffiziere und Gardemitglieder kommen, sagt Lange, und sinniert: „Auf der Bühne wird wohl auch nicht das Komitee komplett vertreten sein können, realistischerweise müssen wir uns diesmal auf Einschränkungen einstellen.“

Für kreative Ideen immer gut: Meenzer Fastnachter wie hier Thomas Becker und Andreas Schmitt bei den GCV-Kammerspielen. - Foto: gik
Für kreative Ideen immer gut: Meenzer Fastnachter wie hier Thomas Becker und Andreas Schmitt bei den GCV-Kammerspielen. – Foto: gik

Und so könnte die Fastnacht im Jahr 2021 kreative neue Formen entwickeln, manch alte Tradition vielleicht sogar für eine Zeit hinwegfegen. Vorstellen können sich die Mainzer Fastnachter vieles – nur eines nicht: eine komplette Absage. „Die Kampagne 2021 findet genauso statt wie Weihnachten, Aschermittwoch und Ostern“, heißt es beim Bund Deutscher Karneval, dem zweiten großen Dachverband der Narrenszene. Die Frage des Wie könne man derzeit aber überhaupt nicht seriös beantworten, der Verlauf der Pandemie sei noch völlig unbekannt. Man gehe davon aus, dass frühestens Mitte bis Ende Juli eine verlässliche Tendenz vorliege, dann werde man eine Erklärung abgeben.

„Eine endgültige Absage, das mache ich allerfrühestens im Dezember“, betont auch Urban. Ein fastnachtsloses Frühjahr wäre zwar „furchtbar“, findet der MCV-Präsident, ist sich zugleich aber sicher: „Die Fastnacht würde das auch überleben“ – das sei schließlich auch beim Golfkrieg 1991 so gewesen. Wenn die Alternative sei, „man feiert gar nicht oder anders – dann feiert man eben anders“, sagt Krawietz: „Dass die Fastnacht komplett ausfällt – so weit würde ich jetzt nicht gehen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum abgesagten Mainzer Rosenmontagszug 2016 könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Alle Informationen zur Corona-Pandemie findet Ihr weiter in unserem Corona-Dossier auf Mainz&, warum Abstand und Social Distancing in der Corona-Panbdemie so wichtig sind, haben wir hier aufgeschrieben.

 

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