Auch in Mainz hat der Terrorlauf eines Rechtsextremisten in Halle mit zwei Toten Bestürzung und Wut ausgelöst, am Donnerstagabend gedachten Bürger der Stadt sowie Vertreter aus der Politik den Opfern des Anschlags. „Wir müssen wütender sein, und wir müssen entschlossener sein“ im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus, sagte der Organisator Robert Herr vom Bündnis Mainz für Israel. „Antisemitismus darf in der Gesellschaft nicht weiter wachsen“, forderte der Antisemitismusbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard. „Antisemitische Hetze, Anfeindungen und Gewalt dürfen in unserem Land keinen Raum haben“, sagte auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in einem Solidaritätsbrief an die jüdische Gemeinde in Mainz, und betonte: „Wir stehen fest an Ihrer Seite.“

Um 18.00 Uhr hatten sich vor dem Mainzer Staatstheater auf dem Gutenbergplatz recht spontan mehrere Dutzend Menschen zu dem Gedenken an die Opfer des Anschlags von Halle zusammengefunden. Aufgerufen hatte dazu das „Bündnis Mainz für Israel“. „Alles, was wir sagen, verblasst angesichts der unaussprechlichen Barbarei der Täter“, sagte Roland Herr für das Bündnis: „Wir gedenken heute der Opfer von Halle und trauern mit deren Angehörigen.“ Die Trauer dürfe aber nicht von der Erkenntnis ablenken, dass es auch deutlich mehr Opfer hätte geben könnte, betonte Herr: „Wir sind nur um Haaresbreite vorbeigeschrammt am größten Massenmord an Juden auf deutschem Boden seit dem Ende der Naziherrschaft.“

Tatsächlich hatte der Rechtsextremist Stephan B. nach Angaben der Polizei in Halle gleich mehrfach versucht, sich Zutritt zur Synagoge in Halle zu verschaffen – um dort ein Blutbad anzurichten. Zuerst habe er ein Doppel-Flügel-Tor zu einer Zufahrt des Anwesens aufsprengen wollen, der gezündete Sprengsatz habe allerdings seine Wirkung verfehlt. Danach versuchte er, sich durch einen Hinterhof Zutritt zu dem Anwesen der jüdischen Gemeinde verschaffen, ebenfalls erfolglos. Schließlich gab Stephan B. drei Schüsse auf die Eingangstüre ab und trat gegen den Türgriff, entnahm dann seinem Fahrzeug vier Sprengsätze, zündete sie an und warf sie über die Mauer des Anwesens der jüdischen Gemeinde.

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Insgesamt seit der Täter mit vier Schusswaffen, darunter zumindest einer vollautomatischen Schusswaffe, sowie mehreren Sprengsätzen bewaffnet gewesen, so der Polizeibericht weiter. Damit habe Stephan B. sich zur Synagoge in Halle „Zutritt verschaffen und möglichst viele Personen jüdischen Glaubens töten“ wollen. Seinen Mordanschlag habe er „aus seiner rechtsextremistischen und antisemitischen Gesinnung heraus“ geplant, in der Synagoge hielten sich zu dem Zeitpunkt wegen dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur 51 Gläubige auf.

Kerzen und Blumen in Mainz nach den Anschlägen in Paris 2015. - Foto: gik
Kerzen und Blumen in Mainz nach den Anschlägen in Paris 2015. – Foto: gik

Frustriert über seinen Misserfolg tötete Stephan B. zuerst eine unbeteiligte, 40 Jahre alte Passantin und danach einen Mann in einem Dönerladen. Auch auf weitere Handwerker und Besucher des Dönerladens schoss er und verletzte mehrere Personen. Stephan B. wurde auf der Flucht festgenommen und am Donnerstag dem Generalbundesanwalt vorgeführt. Seine rechtsextreme und antisemitische Gesinnung machte er in eigenen Manifesten und Videos mehr als deutlich.

Bei der Mahnwache betonte Herr, der Täter sei nicht durch die Polizei oder den Verfassungsschutz gestoppt worden, „sondern durch eine Tür“. „Wir müssen bis an die Grenzen des Rechtsstaats gehen, um die Mörder in die Schranken zu weisen“, forderte Herr: „Wir wissen seit Langem, dass Rechtsextreme Waffen horten, dass sie beste Kontakte in polizeiliche und militärische Kreise unterhalten.“ Rechtsextreme hätten „nie damit aufgehört, Menschen zu ermorden, wie über 200 Opfer rechtsextremer Gewalt allein seit 1990 zeigen.“ Staat und Gesellschaft müssten dringend in die Offensive gehen und den Tätern auch den gesellschaftlichen Nährboden entziehen.

Das forderte auch der Antisemitismusbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz: „Wir müssen genau hinschauen, Antisemitismus darf in der Gesellschaft nicht weiter wachsen“, forderte Dieter Burgard. Antisemitismus gebe es auch in Rheinland-Pfalz, „es gibt Menschen, die auf gepackten Koffern sitzen, auch hier in Mainz, weil sie Angst haben“, sagte Burgard: „Wir müssen ihnen beistehen.“ Die gesamte rheinland-pfälzische Landesregierung „verurteilt den Angriff aufs Schärfste“, sagte Kultur-Staatsekretär Denis Alt: „Es ist unerträglich, dass eine jüdische Gemeinde im Jahr 2019 einem Anschlag ausgesetzt wurde.“

Ein jüdischer Leuchter in der Wormser Synagoge - der Anschlag in Halle fand am jüdischen Fest Jom Kippur statt. - Foto: gik
Ein jüdischer Leuchter in der Wormser Synagoge – der Anschlag in Halle fand am jüdischen Fest Jom Kippur statt. – Foto: gik

Der Angriff habe sich nicht nur gegen Juden gerichtet, „es war ein Anschlag gegen die Grundwerte unserer Gesellschaft, er richtete sich gegen uns alle“, betonte Alt: „Wir dürfen nie vergessen, wohin Hass und Rassismus schon einmal geführt haben.“ Deutsche Politik und Gesellschaft seien noch entschiedener aufgerufen, gegen rechtsextreme Parteien und Parolen vorzugehen. Alt zitierte dann den jüdischen Talmud: „Nach den schlechten Gedanken kommen die schlechten Worte, und denen folgen dann die schlechten Taten.“

Zuvor hatte schon der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf im Namen der Katholiken im Bistum Mainz sein „Mitgefühl, seine Verbundenheit und seine Solidarität“ gegenüber der Jüdischen Gemeinde in einem Solidaritätsbrief zum Ausdruck gebracht. „Es macht uns fassungslos, dass Juden in unserem Land einer solchen Gewalttat ausgesetzt sind“, schrieb Kohlgraf an die Jüdischen Gemeinde von Mainz, Rheinhessen und Worms: „Ich kann Ihnen versichern, dass wir als Katholiken fest an Ihrer Seite stehen.“ Antisemitische Hetze, Anfeindungen und Gewalt dürften „in unserem Land keinen Raum haben, und wir werden das uns Mögliche tun, um dagegen anzugehen.“

Auch Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) war bei der Mahnwache vor Ort, ebenso zahlreiche weitere Politiker. Die grüne OB-Kandidatin Tabea Rößner, Mitbegründerin des Bündnisses Rheinhessen gegen Rechts, sagte am Abend: „Ich bin traurig und erschüttert über die Anschläge in Halle, aber ich bin auch wütend.“ Rechte Gewalt werde in Deutschland immer noch verharmlost, die Verrohung der Gesellschaft schreite weiter fort. „Ich bin wütend, dass in den vergangenen Jahren Zusammenhalt in unserer Gesellschaft verloren gegangen ist und Gewalt, Hass und Hetze inzwischen tagtäglich sind“, sagte Rößner weiter, und fordert: „Stehen wir zusammen gegen Antisemitismus und Extremismus! Und verteidigen wir konsequent unsere freiheitliche Gesellschaft.“

Info& auf Mainz&: Wegen eines blöden und hartnäckigen Magen-Darm-Viruses konnten wir leider heute bei der Mahnwache nicht selbst vor Ort sein. Unser dank geht deshalb an die Kollegen von BoostyourCity, die ein Video von der Mahnwache auf Facebook stellten, und uns so eine Berichterstattung der Reden vor Ort ermöglichten – das Video findet Ihr hier auf Facebook. 

 

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