Die Zahl der Berufspendler im Rhein-Main-Gebiet ist in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen, allein in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden pendeln jeden Tag gut 77.000 Menschen zur Arbeit – rund 9.000 davon aus Mainz. 46 Prozent der Wiesbadener verlassen für ihre Arbeit die Stadt, damit bewegen sich jeden Tag 77.000 Pendler nach Wiesbaden hinein und rund 50.000 Menschen aus Wiesbaden heraus – zumindest in den Vor-Corona-Zeiten.

Gut 18.000 Menschen pendeln zwischen Mainz und Wiesbaden zur Arbeit. - Foto: gik
Gut 18.000 Menschen pendeln zwischen Mainz und Wiesbaden zur Arbeit. – Foto: gik

Das Amt für Statistik und Stadtforschung in Wiesbaden legte nun eine neue Stadtanalyse zum Pendelverhalten und den Pendlerverflechtungen vor, die Ergebnisse dürften vor allem den Verkehrsplanern zu denken geben. Denn das Fazit der Statistiker lautet: Immer mehr Menschen pendeln jeden Tag zur Arbeit in eine andere Stadt, und sie nehmen dafür immer größere Entfernungen in Kauf. So stieg seit dem Jahr 2009 die Zahl der Auspendler aus Wiesbaden deutlich um 33 Prozent an – stärker noch als die Zahl der Einpendler, die aber auch um 12 Prozent stieg. Auch in Mainz, Frankfurt, Darmstadt und Offenbach sei die Zahl der Auspendler enorm gestiegen, betonen die Analysten – in Offenbach mit 60 Prozent am stärksten.

Die Hauptzielgebiete der Auspendler aus Wiesbaden sind dabei Frankfurt mit 12.910 Personen und Mainz mit 9.081 Auspendlern. In beiden Städten finden bereits 44 Prozent aller Auspendler aus der hessischen Landeshauptstadt ihren Arbeitsplatz. Damit tauschen Mainz und Wiesbaden jeden Tag praktisch die gleiche Größenordnung an Arbeitenden: Aus Mainz pendeln jeden Tag 9.019 Menschen nach Wiesbaden, das ist immerhin mehr als jeder zehnte Einpendler. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Pendler aus Mainz zudem um gut ein Viertel.

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Entwicklung der Einpendler nach und Auspendler aus Wiesbaden. - Grafik: Stadt Wiesbaden
Entwicklung der Einpendler nach und Auspendler aus Wiesbaden. – Grafik: Stadt Wiesbaden

Die meisten Einpendler nach Wiesbaden kommen aber – wenig überraschend – aus dem Rheingau-Taunus-Kreis, von hier bewegen sich jeden Tag 19.353 Arbeitende in die hessische Landeshauptstadt, das ist jeder vierte Einpendler. Doch wie schon vor zwei Jahren die große IHK-Pendlerstudie, so stellen auch die Wiesbadener Analysten fest: der Pendlerradius vergrößert sich. Die Arbeitenden nehmen immer weitere Strecken in Kauf, um zur Arbeit zu kommen, so nahm die Zahl der Einpendler aus dem Kreis Offenbach um 20,6 Prozent zu, aus Frankfurt pendeln heute 38,7 Prozent mehr Menschen nach Wiesbaden als vor zehn Jahren, und auch aus dem Bereich Darmstadt kommen rund 38 Prozent mehr Einpendler.

Aus dem Kreis Mainz-Bingen fahren inzwischen jeden Tag 6.490 Menschen nach Wiesbaden zur Arbeit, 1.249 kommen sogar aus Bad Kreuznach, 1.679 aus dem Bereich Alzey-Worms. Damit setzt sich der Trend fort, dass die Menschen in der Region hochgradig mobil sind und quer durch das Rhein-Main-Gebiet zur Arbeit fahren. So wohnt nur noch etwas über die Hälfte der Einpendler nach Wiesbaden in einem Radius von 20 Kilometern um die Stadt herum, 36 Prozent legen Entfernungen zwischen 20 und 60 Kilometern zurück – und acht Prozent sogar mehr als 100 Kilometer.

Der Druck auf die Autobahnen und Brücken in der Region wächst. - Foto: gik
Der Druck auf die Autobahnen und Brücken in der Region wächst. – Foto: gik

Bei den Auspendlern fährt sogar noch ein höherer Anteil große Strecken: 45 Prozent der Auspendler müssen zwischen 20 und 49 Kilometer zurücklegen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen. So pendeln inzwischen 1.539 Wiesbadener in den Kreis Mainz-Bingen zur Arbeit, das war mit 52 Prozent ein deutlich überdurchschnittliches Pendlerplus. Überhaupt erhöhte sich die Zahl der Wiesbadener Auspendler seit 2009 um 33 Prozent. Männer pendeln übrigens häufiger als Frauen, Deutsche deutlich mehr als Ausländer – und Akademiker sind die mobilste Gruppe auf dem Arbeitsmarkt.

Überdurchschnittlich viele Wiesbadener Einpendler arbeiten in der Berater- und in der IT-Branche, gut zwei Drittel aller Arbeitsplätze in diesen Branchen werden von Auswärtigen eingenommen. Auch bei den Banken und Versicherungen (65 %) und im Verarbeitenden
Gewerbe (62 %) ist die Einpendlerquote überdurchschnittlich hoch. Nur gut die Hälfte Einpendler haben dagegen Branchen wie Handel oder Baugewerbe, die niedrigste Eipendlerquote hat der Bereich Erziehung und Unterricht mit 45,7 Prozent.

Staus rund um Mainz im Januar 2020 während der Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke. - Foto G. Schreiner
Staus rund um Mainz im Januar 2020 während der Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke. – Foto G. Schreiner

Bei den Auspendlern verzeichnet die Branche Verkehr und Lagerei die höchste Pendlerquote mit 69,3 Prozent – hier dürfte sich der Frankfurter Flughafen deutlich bemerkbar machen. Auch in der IT-Branche pendeln aber 66 Prozent in andere Städte, im Bereich der öffentlichen Verwaltung verlassen hingegen nur 22,4 Prozent Wiesbaden, um in anderen Städten zu arbeiten. Im Jahr 2019 arbeiteten rund 137 750 sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte in Wiesbaden, davon kamen 77 721 Personen von außerhalb – nicht enthalten sind darin die Selbstständigen und die Beamten.

Die Analyse des Pendlerverhaltens und der Pendlerverflechtungen sei vor allem aus arbeitsmarktpolitischen Gründen von Interesse – aber auch für die Verkehrspolitik im Hinblick auf den Bedarf an Verkehrswegen, konstatiert die Studie weiter. Tatsächlich hatte die IHK-Pendlerstudie 2018 festgestellt: Die Verkehrswege in der Region halten mit den erheblichen Steigerungsraten der Pendlerströme bei Weitem nicht Schritt – das gelte vor allem für die Brücken über den Rhein: Die Verkehrsinfrastruktur im Rhein-Main-Gebiet sei „kurz vor dem Kollaps.“

Info& auf Mainz&: Die gesamte Studie des Wiesbadener Amtes für Statistik und Stadtforschung zur Entwicklung der Pendlerströme und dem Verkehrsverhalten könnt Ihr Euch kostenlos hier im Internet herunterladen. Einen ausführlichen Bericht zur IHK-Pendlerstudie im Rhein-Main-Gebiet findet Ihr hier auf Mainz&.

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