Die zweite Coronawelle hat eine neue, scharfe Debatte zum Infektionsgeschehen an den Schulen ausgelöst, CDU und ÖDP wollten nun von der Stadt Mainz wissen: Wie viele Klassenzimmer an Mainzer Schulen können nicht ausreichend gelüftet werden – und welche Lösungen hat die Stadt dafür? Die Antwort für die Anfragen im heutigen Stadtrat: 58 Klassenzimmer in Mainz können nicht ausreichend stoßgelüftet werden, eine Lösung sucht die Stadt derzeit noch. Auf Luftreiniger will man dabei aber offenbar nicht setzen, stattdessen erprobt die Stadt derzeit in einer Grundschule eine vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie entwickelte Lüftungsanlage.

Wie gut sind die Mainzer Schulen zu Lüften? Das wollte nun die Opposition im Mainzer Stadtrat wissen.- - Foto: gik
Wie gut sind die Mainzer Schulen zu Lüften? Das wollte nun die Opposition im Mainzer Stadtrat wissen.- – Foto: gik

1.283 Klassenzimmer gibt es an Mainzer Schulen insgesamt, dazu kommen weitere rund 350 Räume, die auch zu Unterrichtszwecken genutzt werden, teilt Schuldezernent Eckart Lensch (SPD) nun auf die Anfragen von CDU und ÖDP im Mainzer Stadtrat mit. Nach einer ersten Einschätzung seien von diesen rund 1.600 Unterrichtsräumen 58 Räume nicht ausreichend durch die Fenster zu belüften, heißt es weiter. Die Konsequenz. Wegen der Hygieneregeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie dürfen diese 58 Räume derzeit nicht genutzt werden. „Die Verwaltung prüft aktuell, wie diese Räume durch technische Hilfsmittel wieder nutzbar gemacht werden können“, teilte Lensch weiter mit.

Im Gegensatz zum ersten Lockdown im Frühjahr will die Politik derzeit alles tun, um Schulen und Kitas offen zu halten – trotz November-Lockdown und eindringlichen Mahnungen zur Einschränkung von Kontakten. In den Schulen sorgt das derzeit aber für erhebliche Unruhe, für Angst und Unsicherheit: Es sei doch nicht zu vermitteln, dass Kontakte in der Freizeit massiv reduziert werden sollten, gleichzeitig aber 25 Kinder und mehr in einem engen Klassenzimmer säßen, schimpfen Lehrer und Schulleiter derzeit.

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Auch eine Studie der Bundeswehrhochschule München bescheinigt Luftreinigern eine hohe Wirksamkeit. - Foto: Uni München
Auch eine Studie der Bundeswehrhochschule München bescheinigt Luftreinigern eine hohe Wirksamkeit. – Foto: Uni München

Bis zum 23. Oktober setzte das Land Rheinland-Pfalz aber zur Senkung des Infektionsgeschehens vor allem auf eine Maßnahme: Die Klassenzimmer sollen alle 20 Minuten stoßgelüftet werden. Dabei hatten Experten bereits seit dem Sommer wiederholt darauf hingewiesen, dass auch hochwertige Luftfilter mit HEPA-Filtern wirksam die Luft von Aerosolen reinigen und damit die Virengefahr erheblich senken könnten – gleich mehrere Studien haben das inzwischen bestätigt.

So ergab etwa eine Studie der Universität Frankfurt, dass Luftreiniger mit sogenannten Hepa-Filtern die Aerosolkonzentration in einem Klassenzimmer um 90 Prozent senken könnten. 30 Minuten nach dem Anschalten hatte der Luftreiniger 90 Prozent der Aerosole aus der Luft entfernt, damit könne „auch die Ansteckungsgefahr durch eine hoch infektiöse Person, einen Superspreader, sehr deutlich reduziert“ werden, heißt es in der Studie des Instituts für Experimentelle Atmosphärenforschung der Frankfurter Goethe-Universität – mehr zu der Studie findet Ihr hier auf der Internetseite der Universität Frankfurt.

CDU und ÖDP wollten nun wissen, wie die Stadt Mainz das Lüften der Klassenräume sicher stellen wolle, und ob sie plane, Luftreinigungsanlagen entsprechend des Landesprogrammes anzuschaffen und zu installieren. Die Antwort der Stadt Mainz: wohl eher nicht. „Der Einsatz von mobilen Luftreinigungsgeräten ist nicht zu empfehlen und sollte nur in Einzelfällen erfolgen“, behauptet das Schuldezernat in seiner Antwort auf die Anfrage der ÖDP, und beruft sich dabei auf das Umweltbundesamt, das angeblich von der Nutzung mobiler Luftfilteranlagen abgeraten habe.

Zurückhaltend bei Luftreinigern für Schulen: Schuldezernent Eckart Lensch (SPD). - Foto: gik
Zurückhaltend bei Luftreinigern für Schulen: Schuldezernent Eckart Lensch (SPD). – Foto: gik

Das aber stimmt so gar nicht: Tatsächlich hatte das Mainzer Bildungsministerium nach einer Expertenanhörung zum Thema Lüften im Sommer noch behauptet, ein Experte des Umweltbundesamtes habe dabei gesagt, das Bundesumweltamt könne den Einsatz von mobilen Luftreinigungsanlagen in Schulen derzeit nicht empfehlen. Die Gefahr sei „zu groß, dass die Anlagen, wenn sie nicht richtig genutzt und gewartet werden, den gegenteiligen Effekt haben und Viren verbreiten.“ Doch inzwischen musste das Ministerium einräumen: Man hatte die Aussagen gleich mehrerer Experten stark verkürzt dargestellt. Der Philologenverband hatte daraufhin dem Land vorgeworfen, mit seiner einseitigen Darstellung die Debatte um Lüftungsanlagen „wegdrücken“ zu wollen.

Auch das Bundesumweltamt empfehle, dass in Räumen, die eben nicht ausreichend gelüftet werden könnten, die Raumluftreiniger flankierend durchaus sinnvoll sein könnten, sagte ein Ministeriumssprecher nun auf Mainz&-Anfrage. Tatsächlich heißt es auf der Internetseite des Bundesumweltamtes zum Thema mobile Raumluftreiniger: „HEPA-Filter sind vom Prinzip her sehr gut geeignet, alle Partikel inklusive virushaltiger Partikel zurückzuhalten.“ Auch mobile Luftreiniger mit HEPA-Filtern könnten somit „dazu beitragen, die Zahl der Partikel in einem Raum zu senken.“ Und das UBA schreibt explizit: „In Schulen können Sie helfen, besonders während der kalten Jahreszeit, wenn nicht immer ausreichend auch während des Unterrichtes gelüftet werden kann, die Virenlast der Luft im Raum zu minimieren.“

Das innovative Lüftungssystem des MPI Chemie kommt mit Materialien aus dem Baumarkt aus. - Foto: MPI Chemie
Das innovative Lüftungssystem des MPI Chemie kommt mit Materialien aus dem Baumarkt aus. – Foto: MPI Chemie

Bei der Stadt Mainz setzt man stattdessen eher auf eine Erfindung Made in Mainz: Die von einem Mitarbeiter des Mainzer Max-Planck-Instituts für Chemie entwickelte Selfmade-Lüftungsanlage stelle „eine sehr interessante Alternative dar“, teilte die Stadt weiter mit.
Das Umweltbundesamt habe die Anlage bereits inspiziert und die Anwendung empfohlen. Besonders interessant ist nicht nur die Konstruktion selbst, sondern vor allem auch der Preis: Für die „Low-Cost-Abluftanlage“ sei von Materialkosten von etwa 200 Euro pro Klassenzimmer auszugehen, heißt es bei der Stadt weiter. Luftreinigungsgeräte würden dagegen zwischen 1.000 Euro und 15.000 Euro pro Gerät kosten.

Mit der Anlage würden derzeit alle Klassenräume der Grundschule Mainz-Marienborn als Pilotprojekt ausgerüstet, teilte die Stadt weiter mit. Die Anlagen würden von der Elternschaft mit Unterstützung der Gebäudewirtschaft Mainz und unter fachmännischem Rat des Max-Planck-Institutes erstellt.

Derweil wollte die FDP von der Stadt noch wissen, wie es denn mit dem Lüften in Kitas bestellt sei? „Die Räumlichkeiten der Kindertagesstätten sind grundsätzlich gut belüftungsfähig“, teilte Lensch in seiner Antwort mit: „Sollte dies im Einzelfall nicht oder nur unzureichend der Falle sein, werden die betreffenden Räumlichkeiten nur von einer begrenzten Anzahl von Kindern genutzt.“ Im Gegensatz zu den Schulen teilte der Dezernent in diesem Fall weiter mit: „Die Ausstattung städtischer Kindertagesstätten mit Lufteinigungsgeräten wird derzeit geprüft.“

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zum Thema mobile Luftreiniger und wie die Wissenschaft das Thema sieht, lest Ihr hier auf Mainz&. Das innovative Low-Cost-Lüftungsmodell des Mainzer MPIs für Chemie erklären wir ausführlich hier auf Mainz&. Mehr zu den Sorgen der Schulen und Kitas in der zweiten Coronawelle lest Ihr auch hier bei Mainz&.

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