Der Weinkonsum sinkt deutlich, Donald Trump droht mit Zöllen, und das Ausland produziert deutlich billiger als deutsche Winzer: Die deutsche Weinwirtschaft plagen Sorgen, und das nicht zu knapp. „Die Weinindustrie steht an einem wichtigen Wendepunkt“, sagt nun Professorin Simone Loose, Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft an der Hochschule Geisenheim in einer Marktstudie. Auf der Weinmesse ProWein in Düsseldorf wurde denn auch deutlich: Neue Weintrends sind gefragt, um der Krise entgegen zu steuern – und der große Favorit dabei lautet ausgerechnet: Alkoholfreie Weine.

Jedes Jahr im März trifft sich die internationale Weinszene auf der großen Leitmesse ProWein in Düsseldorf, doch das Flaggschiff der Branche wankt: Seit Jahren sinken die Zahlen von Fachbesuchern und Ausstellern. Kamen im Boomjahr 2019 noch rund 61.500 Fachbesucher und 6.800 Aussteller aus 60 Ländern weltweit zum Austausch über Wein und Spirits nach Düsseldorf, so waren es in diesem Jahr nur noch rund 45.000 Fachbesucher und 42.00 Aussteller.
Der Slogan, „wir haben die Weinwelt hier zu Gast“ stimmt zwar mit Vertretern aus 62 Ländern weltweit noch immer, doch der sinkende Zuspruch zur ProWein wirkt wie ein Symptom für die gesamte Branche. In Sachen Weinmesse sind der ProWein starke Konkurrenten entstanden, allen voran eine Weinmesse in Paris, dazu kommt, dass gerade in Düsseldorf seit der Corona-Pandemie die Preise in astronomische Höhen geklettert sind – vor allem für Hotelzimmer, aber auch für die Messe selbst.
Zuspruch zur ProWein: sinkend – Streiks als großes Problem
„Es ist unser Anliegen, dass die Zahlen wieder nach oben gehen“, sagte Messechef Marius Berlemann am Montag auf der ProWein, und räumte ein: Ja, es gibt die Konkurrenz und die Probleme mit der Infrastruktur – und verband das auch mit Kritik an den Gewerkschaften. Gerade 2023 habe nämlich die Messe stark unter Streiks im ÖPNV gelitten, damals legte die Gewerkschaft Ver.di ausgerechnet an den ProWein-Tagen das gesamte Bus- und Bahnsystem in Düsseldorf lahm – die Folge: Ein enormes Verkehrschaos.

Der März sei der Messemonat, betonte Berlemann, „gerade für den Messestandort Deutschland ist dann jede Form von Arbeitskampf von übel.“ Aber auch bei den Preisen setze die ProWein an, so habe man erstmals ein Buchungsportal ins Leben gerufen, bei dem Übernachtungszimmer zu typischen – statt überhöhten – Preisen angeboten würden. „Wir haben viel moderiert“, sagte Berlemann, die Preise seien „ein wenig gesunken“ – man habe aber „noch einen Weg vor uns“.
Tatsächlich steht die Weinbranche selbst vor so großen Herausforderungen wie seit 20 Jahren nicht mehr, das belegt nun auch eine Studie von der Weinhochschule Geisenheim im Auftrag der ProWein. Zum achten Mal in Folge befragten dafür die Forscher in Geisenheim Ende 2024 mehr als 1.300 Experten aus mehr als 30 Ländern zur allgemeinen Lage der Weinbranche. Zum Panel gehören Weinproduzenten aus den wichtigsten Weinbauregionen in Europa und Übersee, Exporteure, Importeure, spezialisierte Weinhändler und Vertreter aus den Bereichen Gastronomie, Hotellerie und Catering.
Weinindustrie am Wendepunkt: Verteufelung von Alkohol und Zölle
Das Fazit der leitenden Professorin Simone Loose, Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft an der Hochschule Geisenheim: „Die Weinindustrie steht an einem wichtigen Wendepunkt.“ Zwar schienen die schlimmsten Auswirkungen der steigenden Kosten für die Erzeuger in den meisten Ländern überwunden zu sein, doch nun stünden Produzenten und Weinhandel „vor der Herausforderung, sich auf die sich schnell ändernden Verbraucherpräferenzen einzustellen“ sagte Loose.

Die Probleme der Branche in Deutschland lauten vor allem: Zurückgehender Alkoholkonsum, eine zunehmende Verteufelung von Alkohol sowie die Drohung von Zöllen aus den USA. Gerade erst hatte US-Präsident Donald Trump mit 200 Prozent Zöllen auf Weine und Champagner aus der EU gedroht, die Branche auf der ProWein zeigt sich geschockt: „Das wäre eine Katastrophe“, sagte die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Monika Reule, mit klaren Worten.
Gerade den deutschen Winzern drohten damit massive Einbußen im Absatz, an der Mosel hieß es, hier mache der Export in die USA noch immer rund 30 Prozent des Absatzes aus. Immerhin: Vor zehn Jahren seien es noch 50 Prozent gewesen, sagte Ansgar Schmidt von der Gebietsweinwerbung Moselland, trotzdem wären 200 Prozent Zölle ein K.O.-Faktor. Viele Winzer hätten zwar mit ihren Exporteuren ein wenig vorgesorgt, und Vorratsmengen in die USA gebracht, aber auf Dauer helfe das natürlich nicht weiter.
Exportmarkt legt zu, deutsche Weine gefragt in China, Polen
Und dabei hatte gerade der Exportmarkt im vergangenen Jahr wieder zugelegt und positive Botschaften für deutsche Winzer gesendet: So seien die Mengen exportierter deutscher Weine 2024 noch mal um 3 Prozent gestiegen, sagte Reule, deutsche Winzer exportierten damit Weine im Wert von rund 384 Millionen Euro. Der Durchschnittspreis ab Hof sank allerdings um 11 Cent pro Liter, das mache „den harten internationalen Wettbewerb“ deutlich: „Unsere Mitbewerber können leider kostengünstiger produzieren als wir“, kritisierte Reule.

Wichtigster Exportmarkt sind bislang weiter die USA, fast ein Sechstel der deutschen Erlöse machen die Exporte über den Atlantik aus. Auf Platz zwei liegen inzwischen die Niederlande, hier legten die deutschen Exporte in Menge um Wert um jeweils acht Prozent zu. Platz drei machen inzwischen die Exporte nach Norwegen aus, gefolgt von Polen – hier legten die Exporte deutscher Weine gleich um 14 Prozent bei der Menge und um 7 Prozent im Wert zu. Auch in China werden deutsche Weine zunehmend gerne getrunken, hier gab es ein Umsatzplus von 11 Prozent und einen gestiegenen Absatz von plus 16 Prozent.
„Insbesondere junge Chinesinnen schätzen den deutschen Wein überaus“, sagte Reule, „das ist unsere Hauptzielgruppe.“ Und man sehe in dem Markt ein hohes Potenzial, schließlich liege der Pro-Kopf-Verbrauch in China gerade einmal bei einem Prozent der Bevölkerung. In Deutschland hingegen sinkt der Weinverbrauch weiter, inzwischen im dritten Jahr in Folge: 2024 ging der Weinabsatz laut DWI noch einmal um 4 Prozent zurück, der Umsatz mit Wein sogar um 5 Prozent.
Alkoholfreie Weine und Sekte: Boom und Zukunftsretter?
„Junge Menschen trinken teilweise gar keinen Alkohol mehr“, sagte Reule. 55 Prozent des Rückgangs gingen auf Konsumverzicht zurück. 34 Prozent der befragten Konsumenten gaben an, zu anderen Getränken zu wechseln, darunter vor allem zu Alkohol-reduzierten oder alkoholfreien Segmenten. Nur 11 Prozent seien hingegen komplett aus dem Konsum alkoholischer Getränke ausgestiegen. Dazu aber müssen die Deutschen weiter sparen, stattdessen sei stärker zu ausländischen Weinen gegriffen worden, sagte Reule.

Dabei liegen weiter vor allem Weißweine im Trend, 69 Prozent der in Deutschland verkauften Weine kommen aus dem Weißweinbereich. Rotweine machen hingegen nur noch 39 Prozent aus – und Roséweine sind weiter im Aufwind. Der große Trend auf dem Weinmarkt aber lautet derzeit tatsächlich: alkoholfreie Weine. Laut DWI ist der Umsatz 2024 um 86 Prozent gestiegen, Winzer erzählen von mehr als 10 Prozent Zuwachsraten – und beim DWI machte man 17 Prozent mehr Käufer aus.
„Alkoholfreie Weine sind immer noch eine Nische“, stellte Reule klar, „wir schätzen, dass der Gesamtanteil bei 1,5 Prozent liegt.“ Aber: Angesichts von Verteufelungs-Kampagnen gegen Alkohol, in Verbindung mit gestiegenem Gesundheitsbewusstsein, hofft die Branche auf die Entwicklung immer besserer alkoholfreier Weine – so, wie es die Bierbranche längst vorgemacht hat. Denn das größte Problem von alkoholfreien Weinen in ist noch immer . sie schmecken meist nicht.
Neue Produkte auf dem Weinmarkt auf dem Vormarsch
Der Prozess der Entalkolohisierung hinterlässt einen mehr als seltsamen Beigeschmack, der vielen Verbrauchern negativ aufstößt, doch die Innovationen sind auf dem Vormarsch: Winzer experimentieren mit Kombinationen von Traubensäften – oder mit Verjus, so wie der rheinhessische Jungwinzer Peter Hinkel, der mit seinem Dri.Ver ein absolutes Erfolgsprodukt kreiert hat.

„Das wichtigste ist der Geschmack“, betonte auch Andreas Brokemper vom Schaumweinhersteller Freixenet. Der Hauptgrund für eine Ablehnung sei die Wahrnehmung, „it is not really wine, and I dislike the taste“ – aber das nehme ab: Die Qualität alkoholfreier Weine steige, bei Sekten ist sie bereits sehr hoch. „Wir gehen von weiterem Wachstum aus“, betonte Brokemper denn auch: „Wir gehen davon aus, dass alkoholfreie Produkte bis 2030 bei einer halben Milliarde Flaschen sein werden.“
„Die Entwicklung neuer Produkte und innovativer Kommunikationsstrategien wird ausschlaggebend dafür sein, dass Wein gegenüber anderen Getränken wettbewerbsfähig bleibt“, heißt es denn auch im ProWein Business Report. Auf der ProWein ließ sich das drei Tage lang gut besichtigen. Viele Winzer äußerten sich übrigens schon nach dem ersten Tag sehr zufrieden: Man habe sehr gute Gespräche und auch sehr gute Verkaufsabschlüsse erzielt, berichteten mehrere Winzer aus Rheinhessen und von der Mosel.
Info& auf Mainz&: Ausführliche Infos zum ProWein Business Report findet Ihr hier im Internet. Mehr zum Thema Weinmarkt in der Krise lest Ihr auch hier auf Mainz&, mehr zum Thema Trump und die Zölle haben wir hier aufgeschrieben.