Im Rhein-Main-Gebiet geht die Angst um das Rüsselsheimer Opel-Werk um: Medienberichten zufolge denkt der französische Mutterkonzern Stellantis darüber nach, das Rüsselsheimer Autowerk zu einem eigenständigen Werk zu machen – das aber würde eine Zerschlagung der Marke Opel bedeuten. Mitarbeitern der Entwicklungsabteilung soll zudem gedroht worden sein, ihre Jobs nach Marokko zu verlagern – sie seien zu teuer. Die Unruhe ist groß, die Wirtschaftsdezernenten von Mainz und Wiesbaden warnten vor den Folgen für die Region.
„Stellantis spielt die Opel-Zerschlagung durch“, warnte am Dienstag die IG Metall auf ihrer Homepage: Der französische Mutterkonzern Stellantis plane offenbar, die Traditionsmarke Opel zu zerschlagen und prüfe, wie das Rüsselsheimer Autowerk eigenständig werden könne. Die Konzernzentrale in Amsterdam habe inzwischen die Überlegungen bestätigt, man prüfe, „die Produktionsstätten Rüsselsheim und Eisenach in eigene Rechts- und Produktionsorganisationen zu entwickeln“, teilte die IG Metall weiter mit, und schimpfte prompt: Stellantis wolle damit „die Werke direkt unter seine Fuchtel bekommen und so Opel und seine Betriebsräte ausbooten.“
„Was Opel hier angekündigt hat, folgt keiner wirtschaftlichen Logik“, schimpfte der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Uwe Baum, die Zerschlagung „dient einzig und allein dem Ziel, die erfolgreiche Mitbestimmung in Deutschland zu schwächen.“ Stellantis selbst argumentiert allerdings anders: Durch die Herauslösung des Werkes aus dem Opel-Verbund solle es möglich werden, dass dort Modelle aller 14 Automarken, die zum Stellantis-Konzern gehören, gefertigt werden können. Das würde Arbeitsplätze sichern und die Flexibilität im Konzern erhöhen.
In der Rhein-Main-Region ist die Sorge nun groß, die Wirtschaftsdezernenten in Mainz und Wiesbaden warnten prompt vor negativen Folgen: „Das Opel-Werk in Rüsselsheim hat eine enorme Stahlkraft nach Mainz“, sagte die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU). Durch eine Ausgliederung des Werks stünden für viele Mainzer Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie enge Geschäftsbeziehungen auf dem Spiel, „und damit auch der wirtschaftliche Erfolg von Mainzer Unternehmen.“
Denn eine Umwandlung betreffe nicht nur Opel selbst, warnte ihr Wiesbadener Kollege Oliver Franz (CDU): „Viele internationale Forschungs-, Entwicklungs- und Zulieferungsunternehmen haben aktuell ihren Sitz in der Rhein-Main-Region und profitieren von der Nähe zu Opel in Rüsselsheim.“ Eine Opel-Zerschlagung hätte auf Grund der engen Verzahnung von Opel im Netzwerk aus regionalen Zulieferern und Forschung enorme Auswirkungen auf die Wirtschaftsstandorte Wiesbaden und Mainz. „Auch einige Wiesbadener Unternehmen sind eng mit dem Opel-Werk in Rüsselheim verbunden und es bestehen langjährige Geschäftsbeziehungen, die nun in Frage stehen“, warnte Franz.
Und natürlich arbeiteten auch viele Wiesbadener und Mainzer direkt für Opel und müssten nun „Veränderungen an ihrer Arbeitsstätte“ fürchten, so die beiden Dezernenten weiter. Und diese Veränderungen sind offenbar schon im Gange: Die „Wirtschaftswoche“ berichtete am Mittwoch, Opel drohe sogar damit, Stellen von Rüsselsheim nach Marokko zu verlagern. Laut einer Mitarbeiterinformation des Betriebsrats sei Beschäftigten aus der Entwicklungsabteilung „in Personalgesprächen mitgeteilt worden, dass sie zu teuer seien und ihre Tätigkeiten nach Marokko verlagert werden sollten, verbunden mit der Aufforderung, sie sollten sich nach einer neuen Tätigkeit umschauen“, zitiert die Zeitung aus der Mitteilung.
Der Betriebsrat warne deshalb: „Es verdichten sich die Hinweise, dass die nächste Stellantis-Reorganisation nicht nur bevorsteht, sondern teilweise in Bereichen schon rechtswidrig ohne vorherige Information, Beratung und Verhandlung mit der Arbeitnehmervertretung umgesetzt werden soll.“ Auch im Einkauf würden den Beschäftigten „umfassende Präsentationen über die neue Organisationsstruktur vorgestellt“, ohne dass diese zuvor mit dem Betriebsrat beraten oder gar vereinbart worden seien, zitierte die Zeitung aus dem Schreiben weiter, der Betriebsrat prüfe rechtliche Schritte. Eine Stellungnahme von Opel oder Stellantis dazu gibt es bislang nicht.
IG Metall und der Opel-Betriebsrat betonen zudem, um in allen Werken des Stellantis-Konzerns alle Fahrzeuge des Konzerns produzieren zu können, brauche es keine Herauslösung aus Opel − schon jetzt solle der Kompakt-Kleinwagen DS4 des Citroen Ablegers ja in Rüsselsheim gefertigt werden. „Die Hessen stecken bereits mitten im Produktionsanlauf“, heißt es weiter. Auch sei eine Vergleichbarkeit der Leistungsfähigkeit der Werke nicht abhängig davon, ob sie zu Opel Automobile GmbH gehörten oder eine eigenständige Gesellschaft bildeten.
„Vielmehr sind Gesamtbetriebsrat und IG Metall überzeugt, dass die Flexibilität unter den deutschen Standorten durch eine Ausgliederung in eigenständige Gesellschaften vermindert wird“, warnen die Parteien. Aus diesem Grund sei zuletzt Eisenach schließlich „auch wieder direkt in die Opel-Familie zurückgeführt und integriert worden“ – Eisenach war nach der Wende bis 2013 schon einmal ein eigenständiges Werk. In Eisenach war jüngst von der Konzernleitung Kurzarbeit Null angeordnet worden, angeblich wegen fehlender Chips. Bei der IG Metall bezweifelt man das: Der Opel Grandland solle die nächsten Monate nun nicht in Eisenach, sondern im französischen Sochaux gebaut werden, das aber koste „viel Zeit und Geld“, da die Produktion dort gar nicht zum Portfolio gehöre. Die Beschäftigten in Eisenach fürchten nun, die Kurzarbeit könnte der erste Schritt zur Werkschließung sein, warnt die Gewerkschaft.
Info& auf Mainz&: Die ganze Pressemitteilung der IG Metall zu Opel findet Ihr hier im Internet, den Bericht der Wirtschaftswoche könnt Ihr hier nachlesen.