Sie gehen auf die Knie, und sie schweigen, genau 8 Minuten und 46 Sekunden lang. Totenstill wird es am Mainzer Rheinufer, der Tribut gilt dem durch weiße Polizisten getöteten US-Amerikaner George Floyd. Und es ist ein Aufschrei, gegen Rassismus, gegen Ungerechtigkeiten und Willkür, für Gerechtigkeit. 2.500 Menschen sind am Samstag am Mainzer Rheinufer dem Aufruf zur „Silent Demo“ gegen Rassismus gefolgt, weitaus mehr als erwartet. Und vor allem ein Ruf schallte durch die Regenluft: „Black Lives Matter“!

„George Floyd ist für uns alle gestorben, für jeden einzelnen von uns ist er gestorben“, sagt Steevie Mandana. Der 24 Jahre junge Mann arbeitet im Marketing, in seiner Freizeit ist er als Fußball-Schiedsrichter im Kreis Mainz-Bingen unterwegs. Und immer wieder muss er sich eines anhören: Affengeräusche vor dem Spiel, Bemerkungen wie „Hey Neger!“ „Ich frage mich: warum?“ ruft Mandana an diesem Samstag in die Menge am Mainzer Rheinufer: „Ich bin 24 Jahre alt, ich bin schwarz – und ich bin stolz darauf!“
„Justice!“ skandiert die Menge, und immer wieder: „Black Lives Matter!“ 2.500 Menschen sind an diesem Samstag ans Mainzer Rheinufer gekommen, sie sind Schwarz, sie sind Weiß, sie sind alle Farben dazwischen, und sie haben alle ein gemeinsames Anliegen: Aufstehen gegen Rassismus. „Wir sind alle eins, egal ob Moslems und Christen, wie sind alle eins“, ruft Mandana der Menge zu. „Peace ist das, was wir wollen“, ruft ein anderer Redner in die Menge, auch Yordon ist schwarz, auch er kennt Rassismus aus dem Alltag. „Das, was da passiert, dieser Schmerz muss aufhören“, ruft ein Redner in die Menge.

Was passiert ist, das ist der gewaltsame Tod des Schwarzen George Floyd, der vor zwölf Tagen von weißen Polizisten in Minneapolis ermordet wurde. Der Haupttäter drückte so lange sein Knie auf Floyds Nacken, bis der 46-Jährige Familienvater erstickte, seither erschüttern Proteste gegen diese infame Tat die USA. Bundesweit gingen aber auch in Deutschland an diesem Samstag Zehntausende auf die Straßen, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu protestieren – auch in Deutschland. „Viele denken, dass Rassismus in Deutschland nicht gegeben ist, aber das ist er“, sagt Perla Londole: „Man wird schon anders angeschaut, ich muss mich immer beweisen, bevor man mich ernst nimmt, und ich möchte, dass die Vorurteile gegenüber Schwarzen aufhören.“
Londole ist 22 Jahre alt und Jurastudentin, es war die gebürtige Mainzerin, die mit einem Post in den sozialen Netzwerken die bundesweiten Proteste in rund 25 Städten auslöste. Der Grund sei für sie das Video von George Floyds Tod gewesen, sagte Londole im Gespräch mit Mainz&: „Mir war es wichtig ein Zeichen zu setzen, ich wollte, dass ganz Deutschland mitmacht“, sagt sie, „aber ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass es so eine Menge wird.“

250 bis 500 Demonstranten hatten die Veranstalter bei der Polizei in Mainz angemeldet, am Ende kamen 2.500. Die Polizei ließ die Menge gewähren, auch wenn die Abstandsregeln der Corona-Pandemie bei der Masse nicht mehr eingehalten werden konnten. Doch alle Protestierende trugen einen Mund-Nasen-Schutz, die Menge verhielt sich sehr diszipliniert und höchst friedlich. Viele trugen Schilder mit sich auf denen Sätze standen wie „Enough is Enough“, „No Justice, No Peace“, die letzten Worte von George Floyd „I can’t breathe“ und immer wieder: „Black Lives Matter“. Viele reckten die geschlossene Faust in die Höhe, es ist das Erkennungszeichen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und für „Black Power“ in den USA.

In der Menge waren aber auch viele weiße Gesichter. „Es ist einfach Zeit rauszugehen“, sagte ein junger Weißer aus Nackenheim, „Auch hier gibt’s Rassismus, und auch wenn ich weiß bin – ich kann das durchaus nachvollziehen. Da muss man gegen aufstehen.“ Viele Weiße hielten Schilder hoch auf denen stand „I see You, I hear You, I feel with You/ I stand with You“, als Zeichen der Solidarität mit Menschen, die Rassismus erleben müssen. „Ich bin hier um zu sagen, Menschenrechte gelten für alle“, sagt ein weiterer Redner, auch er ein Schwarzer.

Und dann geht die ganze Menge, gehen 2.500 Menschen am Mainzer Rheinufer auf ein Knie, und sie schweigen in Tribut an George Floyd und all die anderen Opfer von Rassismus und Gewalt – 8 Minuten und 46 Sekunden lang. Totenstill wird es am Mainzer Rheinufer, aber nach den Schweigeminuten wird es umso lauter: „We are the World, We are the Children“ singen sie zum Abschluss, und laut hallt es über das Mainzer Rheinufer: „Wir sind eins!“ Wie hieß es auf einem Schild: „Es heißt hier nicht Schwarz gegen Weiß – es heißt Jeder gegen Rassismus.“