Normalerweise näht sie Narrenkappen für die fünfte Jahreszeit, doch Narrenschellen und Kappen hat Sylvia Kindling jetzt zur Seite geräumt. Ihre Nähmaschine rattert dennoch mehr denn je: „Hier mein aktuelles Projekt zu #alleswirdgut und #coronahilfe„, schrieb Kindling vor vier Tagen auf ihrem Facebookprofil – und postete mehrere Fotos von selbstgeschneiderten Mund-Nase-Gesichtsmasken. Seither steht ihr Telefon nicht mehr still, Privatpersonen, medizinische Warenhäuser, Einkaufshilfsgruppen, Kindlings Produkte sind hochgradig begehrt. Die Masken sollen der von dem Coronavirus besonders gefährdeten Risikogruppe sowie Helfern zugutekommen, betont Kindling, und sucht jetzt dringend Helfer, die ihr beim Nähen behilflich sind.

Sylvia Kindling an ihrem Starkapp-Atelier an ihrer Nähmaschinen. - Foto: Thomas Gottfried
Sylvia Kindling an ihrem Starkapp-Atelier an ihrer Nähmaschinen. – Foto: Thomas Gottfried

Anfang der 2000er-Jahre gründete Kindling auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers „Starkapp Narrenkappen“, einen kleinen Betrieb, in dem sie handgemachte Narrenkappen in edlen und hoch individuellen Design fertigt. Seither hat die inzwischen 52-Jährige den Kopf des Mainzer Bischofs ebenso mit einer Narrenkappe ausgestattet wie Fastnachtsstars wie Oliver Mager oder Florian Sitte, ganze Komitees oder Fastnachtsbands. Genäht habe sie schon immer gern, erzählte die zweifache Mutter im Februar 2017 Mainz&, da nahm ihr Unternehmen gerade richtig Fahrt auf.

Nun aber beschloss Kindling, statt Kappen Masken zu schneidern, auch weil die Stoffmasken für Mund und Nase gerade hochgradig Mangelware sind. Für Kindling ist es auch ein Herzensprojekt – in ihrem Vier-Personen-Haushalt gehören zwei Mitglieder zur Hochrisikogruppe, die bei einer Coronavirus-Infektion besonders gefährdet wären. „Ich habe Asthma, mein 15 Jahre alter Sohn Nic einen schweren Herzfehler“, erzählt Kindling, für ihre Gesichtsmasken recherchierte sie in medizinischen Schriften. Zum Vorbild wurde ein Bild von asiatischen Masken mit ihrem besonderen Schnitt über Mund und Nase – Kindling entwickelte daraus ihr eigenes Schnittmuster.

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Mundschutz-Maske von Starkapp gegen Coronavirus-Infektionen, entwickelt von Sylvia Kindling. - Foto: Kindling
Mundschutz-Maske von Starkapp gegen Coronavirus-Infektionen, entwickelt von Sylvia Kindling. – Foto: Kindling

„Meine Masken haben zwei Schichten, und jeder kann sich den Filter da reinpacken, den er möchte und den dann auch austauschen, wie man es braucht“, erklärt sie. Zwischen die dünnen Baumwollschichten kann man so etwa einen Aktivkohlefilter schieben, Staubsaugerbeutel eigneten sich gut, sagt Kindling. Die Masken seien zudem waschbar, zugutekommen sollen sie Helfern und Menschen, die wie sie selbst zur Hochrisikogruppe gehören. Ein Geschäft will Kindling daraus bewusst nicht machen: „Ich möchte diese Masken gerne kostenlos zur Verfügung stellen“, betont sie, lediglich eine kleine Spende für die Materialkosten sei willkommen. „Das ist mein eigenes kleines Projekt zu #alleswirdgut und #coronahilfe“, sagt Kindling.

Die Reaktionen rollten unmittelbar und überwältigend an: Ärzte, Pfleger, chronisch Kranke und Angestellte aus dem Einzelhandel meldeten sich bei Kindling, „ein medizinisches Warenhaus, die sonst nichts haben, haben gefragt, können wir die Leute zu Ihnen schicken?“, berichtet sie im Gespräch mit Mainz&, ein Bestattungsunternehmen habe angefragt, Nachbarschaftshilfgruppen, die für andere einkaufen gehen. „Ich habe allen Ernstes eine Anfrage aus Italien dabei, weil die seit Wochen nichts mehr haben“, erzählt sie, „das war dann schon der Punkt, wo es mich geschaudert hat.“

Sylvia Kindling 2017 mit ihren selbst geschneiderten Narrenkappen. - Foto: gik
Sylvia Kindling 2017 mit ihren selbst geschneiderten Narrenkappen. – Foto: gik

120 Maskenbestellungen kamen auf einen Schlag zusammen, jetzt sucht die Kreativfrau dringend Menschen, die ihr beim Nähen helfen. „Ich gebe gerne auch die Schnittmuster raus, es wäre toll, wenn noch mehr Leute mithelfen würden“, sagt Kindling, eine Nähanleitung stellte sie per Video-Tutorial auf ihr Facebookprofil. „Ich habe die Kinder zum Zuschneiden abgerichtet, weil ich nicht mehr hinterherkomme“, sagt sie schmunzelnd. Und auch für die kontaktlose Übergabe hat sich Kindling etwas überlegt: Im Hof ihres Hauses beherbergt eine Holzkiste nun die „Mundmasken-Abholstation“.

Wie es aussieht, wird die Mund-Nasen-Masken-Produktion wohl das kleine Unternehmen die nächsten Wochen gut in Atem halten. „Ich hätte ja noch genug Aufträge an Kappen gehabt, aber die Geburtstage sind sowieso aktuell abgesagt“, sagt Kindling: „Hauptsache die Leute haben jetzt erst mal ihre Masken – die Kappen müssen warten.“

Info& auf Mainz&: Mehr Bilder von den Mund-Nasen-Masken von Sylvia Kindling sowie das Schnittmuster und alle weiteren Informationen findet Ihr hier auf dem Starkapp-Facebookprofil. Unsere Geschichte über die Frau, die individuelle Narrenkappen schneidert, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr auf unserer Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&

 

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