Umbau, Auszug, Leerstand, der Mainzer Einzelhandel ist im Umbruch, und gefühlt war das in den vergangenen zwölf Monaten richtig viel. Doch das stimmt objektiv gezählt gar nicht – sagt das Einzelhandelsmonitoring der Stadt Mainz. Mainz& widmet sich in einer neuen Serie dem Thema Einzelhandel in Mainz – wir beleuchten Leerstände und neue Entwicklungen, reden mit Einzelhändlern und städtischen Verantwortlichen, analysieren und zeigen Lösungen auf. In dieser Folge starten wir mit dem Einzelhandelsmonitoring.

Die Untersuchung der Stadt überprüft jedes Jahr die Entwicklung des Einzelhandels in Mainz, checked den Branchenmix und zählt Leerstände. Und siehe da: Von 771 Ladenlokalen in der Mainzer Innenstadt standen laut der Studie nur 44 leer, 11 davon waren im Umbau. Macht 33 echte Leerstände in Mainz – das entspricht 4,3 Prozent. „Die Zahlen lügen nicht“, sagte denn auch Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) im Mainz&-Interview: Mainz stehe viel besser da, als gefühlt – und warnte davor, Mainz schlecht zu reden.

Shoppen am Brandzentrum
Einkaufen in Mainz: Wie ist der Branchenmix, wie die Lage? Am Brand gibt’s jedenfalls viele Filialen – Foto: gik

Das Einzelhandelsmonitoring der Landeshauptstadt Mainz wurde im Juni 2016 bereits zum 21. Mal durchgeführt. Dabei wurden die Straßen der Mainzer Innenstadt kartiert und systematisch nach Namen der Geschäfte, Branchen, Filialisierung sowie Leerständen erfasst. Und da zeigte sich: Die Zahl der Ladenlokale in der Innenstadt ist weitgehend konstant: 443 waren es im Juni 2013, fast exakt genau so viele wie heute, nur 2015 waren es mit 436 nur 6 weniger.

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442 von 771 Lokalen sind echte Geschäfte

Am stärksten vertreten: der Textilhandel mit 115 Geschäften, insgesamt sind 442 der 771 Ladenlokale mit Geschäften belegt, 118 werden gastronomisch genutzt, 178 mit „sonstiger“ Nutzung – das sind etwa kirchliche Einrichtungen, Versicherungen und Banken, Copy-Shops und Schuhmacher oder Schlüsseldienste, Kultur- und Sporteinrichtungen, Erziehungseinrichtungen und Unterrichtsräume oder Gebäude des Öffentlichen Dienstes wie etwa das Umwelt-Informations-Zentrum der Stadt.

Einzelhandelsmonitoring Karte Untersuchungsgebiet Innenstadt
Untersuchungsgebiet in der Mainzer Innenstadt für das Einzelhandelsmonitoring – Grafik: Stadt Mainz

Von den 442 Einkaufsgeschäften verkaufen 115 Textilien, 39 Uhren und Schmuck, 37 Kunstgegenstände, Geschenke, Briefmarken und Münzen, 32 Schuh- und Lederwaren, 28 Möbel und Einrichtungsgegenständen sowie 22 Back- und Süßwaren. Satte 49 Unternehmen sind Friseure und Kosmetikgeschäfte, eine größere Gruppe bilden Telekommunikation, Apotheken und Drogerien, und 18 Läden gehören zum Bereich Nahrungs- und Genussmittel, Getränke und Tabakwaren – darunter auch die Discounter. Damit weise Mainz „für den täglichen aber auch mittelfristigen Konsum einen gesunden Branchenmix auf“, bilanziert das Monitoring.

84,3 Prozent in 1A-Lagen sind Filialen

Hoch ist allerdings der Filialisierungsgrad, also der Anteil von Filialen an den Ladengeschäften, und zwar in den Bereichen Am Brand, Stadthausstraße und der Schusterstraße – also der klassischen Fußgängerzone. Hier machen Filialen satte 84,3 (!) Prozent der Läden aus, wobei deren Anzahl im Vergleich zu vor einem Jahr exakt gleich blieb. Das ist ein doppelt so hoher Anteil wie in der übrigen Innenstadt, wo der Durchschnitt 41,4 Prozent beträgt. Zum Vergleich: Auf der Frankfurter Zeil beträgt der Filialisierungsgrad 79 Prozent.

Grund für den hohen Filialanteil seien „grundsätzlich den, an das Tripol-Konzept der Landeshauptstadt Mainz angepassten, Firmenkonzepten wie Zentralität und Kundennähe sowie den daraus erwachsenen Marktmechanismen aus Höhe der Mietpreise und finanziellen Ressourcen der Unternehmen geschuldet“, heißt es im Monitoring. Im Klartext: Die Stadt verursacht mit ihrem Konzept der drei Einkaufspole Brand, Römerpassage und LU und ihrer 1A-Lagen hohe Mietpreise mit – und die können dann nur noch Filialisten bezahlen.

„Bemerkbare Fluktuation“ in der Altstadt, aber wenig Leerstände

Im Bereich der Altstadt hingegen seien hauptsächlich inhabergeführte Unternehmen etabliert, allerdings herrsche hier „eine bemerkbare Fluktuation“, konstatiert die Untersuchung – keine Überraschung: Die völlig überhöhten Mieten vertreiben hier derzeit kleine, Inhaber geführte Einzelhändler. Die Anzahl der Leerstände in der Augustinerstraße und im Kirschgarten sei aber nur „geringfügig gestiegen“, was wir erstaunlich finden. In der Gaustraße gab es zum Zeitpunkt der Erhebung wie schon 2015 drei Leerstände. In der Großen Langgasse zogen neue Ladengeschäfte ein, sodass sich die Zahl der Leerstände hier auf zwei verringerte.

Einzelhandelsmonitoring Grafik Ladennutzung
Ladennutzung in Mainz laut 21. Einzelhandelsmonitoring – Grafik: Stadt Mainz

Außerhalb des Erfassungsgebietes habe in den Bereichen Neubrunnenstraße, Gartenfeldplatz und Neutorstraße positive Entwicklungen beobachteten werden können – hier schlagen sich die ganzen neuen Läden der Mainzer Neustadt nieder.

Sitte: gesunder, vielfältiger Branchenmix

Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte äußerte sich denn auch erfreut: „Aller Unkenrufe zum Trotz gibt es einen deutlichen Anstieg der Ladenlokale“, sagte er, auch sei „die Vielzahl der inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte erfreulich.“ So könne Mainz „seine Individualität wahren und verfügt auch weiterhin über einen gesunden, vielfältigen
Branchenmix.“

Mainz&-Leser: mieser Mix, schlechte Auswahl, hohe Parkgebühren

Mainz&-Leser das vielfach allerdings komplett anders: „Mainz hat einen total beschissenen Branchenmix“, kommentierte Leser Julian Becker, und fügte hinzu, er sei selbst Einzelhändler in Mainz. Trotzdem lautet sein Urteil:  „Macht einfach keinen Spass in Mainz einzukaufen.“Becker ist beileibe nicht allein: Nach unserer Kolumne „Warum ich notgedrungen dauernd im Internet einkaufe“, gingen bei uns reihenweise Reaktionen ein, die unsere Erlebnisse bestätigten: „Stimme voll und ganz zu“, schrieb Leser Jürgen Kroder: „Überall die gleichen Erlebnisse: unfreundliche oder inkompetente Verkäufer oder eine zu schlechte Auswahl.“

Leeres Schaufenster Radio Bauer kleiner
Zu hohe Mieten = Leerstand – hier das leere Schaufenster beim alten Radio Bauer – Foto: gik

Sicher sei am Rückgang auch das Internet Schuld – aber eben auch „die Vogel-Strauss-Taktik der Läden“, sagt Kroder: „Wenn Sie nicht mehr punkten können, z.B. durch Freundlichkeit und Service, WARUM soll ich dann dort hin?“

Tina Bressler rechnet vor, dass der Trip mit Bus oder Bahn in die Stadt und zurück schon mal 5,50 Euro kosten, und konstatiert: „Shoppen von zu Hause aus ist nunmal einfacher ?, zumal bei vielen Internetangeboten der Versand frei ist.“ Und Helga Götz moniert stellvertretend für viele: „Aufgrund der vollkommen überzogenen Parkgebühren gehe ich nicht mehr in Mainz einkaufen.“

„Bequem, kundenorientiert, günstig: Amazon“

Parkgebühren runter, mehr Parkplätze, eine konsequente Förderung des Einzelhandels samt Ansiedlung neuer, kompetenter Unternehmen in der Innenstadt fordert ein weiterer Kommentator, und schreibt: „Ein Mainzer, der die Innenstadt – mit noch bestehenden Parkmöglichkeiten – liebt und gerne das Angebot des Einzelhandels nutzen würde.“

Und der FDP-Politker Michael Schwarz konstatiert auf Facebook: „Wo kaufen wir fast nicht ein? In Mainz unverschämte Parkgebühren und fehlendes (großes) Shopping-Center.“ Auf seiner Hitliste stehen hingegen neben dem Supermarkt um die Ecke der Internetriese „Amazon: Bequem, kundenorientiert und günstig“ sowie die Ingelheimer Neue Mitte – wegen des kostenlosen Parkens.

Sitte räumt ein, die Attraktivität einer Stadt „steht und fällt auch mit dem Engagement der einzelnen Geschäftsinhaber“ – und nennt als beispielhaft die Gaustraße mit ihren engagierten neuen Einzelhändlern, die aus der Straße wieder ein attraktives Quartier gemacht haben. Zugleich sieht der Dezernent verstärkt ein Problem bei den hohen Mieten und mahnt, zu hohe Mietvorstellungen produzierten „Leerstände, die für eine attraktive Innenstadt schlecht sind und auch dem Vermieter in keiner Weise nutzten.“ Er würde sich wünschen, „dass die Vermieter gerade auch bei Neuvermietungen nicht bis ans Limit gingen.“

Info& auf Mainz&: Mehr dazu lest Ihr in unserem großen Mainz&-Interview mit Sitte zu Einzelhandel, Zentrenkonzept und der Ansiedlung von Decathlon. Das komplette 21. Mainzer Einzelhandelsmonitoring findet Ihr im Internet auf der Seite der Stadt Mainz, genau hier. Unsere Mainz&-Kolumne zum Einzelhandel in Mainz lest Ihr hier: „Warum ich notgedrungen dauernd im Internet einkaufe“.

 

 

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