UPDATE: Nach der Entwarnung durch die EMA, will Deutschland ab Freitag wieder mit AstraZeneca impfen. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Abend in Berlin an. Das Vakzin des schwedisch-britischen Herstellers soll nun aber mit einem Warnhinweis vor schweren Hirnthrombosen versehen werden. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte zuvor die Nutzung des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca weiter empfohlen.
„Dies ist ein sicheres und wirksames Produkt, das Menschen vor Corona schützt“, sagte die Exekutivdirektorin der EMA, Emer Cooke, am Mittwoch in Amsterdam. „Der Nutzen liegt deutlich über den Risiken“, betonte sie. Gleichzeitig räumte Cooke aber auch ein: „Wir können nicht ausschließen, dass es einen Zusammenhang gibt“ zwischen den schweren Hirnthrombosen und einer Impfung mit AstraZeneca, man empfehle deshalb „eine Bewusstseinsschärfung für die Risiken“. Forscher in Norwegen sehen derweil einen Zusammenhang zwischen den gefährlichen Thrombosen und den Impfungen als belegt an.
Deutschland hatte am Montag die Impfungen mit AstraZeneca vorsorglich gestoppt, nachdem ungewöhnlich viele Fälle schwerer Hirnthrombosen aufgetreten waren. Bis Montag waren sieben solcher Fälle bekannt geworden, inzwischen stieg die Zahl auf 13. Demnach waren etwa eine Woche nach der Impfung schwere Hirnblutungen, sogenannte Sinusvenenthrombosen im Gehirn aufgetreten, drei Menschen starben allein in Deutschland daran. Fast alle Fälle betrafen jüngere Frauen zwischen 20 und 50 Jahren, für sie könnte womöglich in Einzelfällen ein höheres Thromboserisiko bestehen.
In Deutschland wurden bis Dienstag bundesweit 1,6 Millionen Impfungen mit AstraZeneca durchgeführt, in Rheinland-Pfalz waren es 123.068 Impfungen, am Mittwoch meldete das Mainzer Gesundheitsministerium auch hier im Land einen Fall einer Sinusvenenthrombose bei einer 47 Jahre alten Frau in der Gegend von Trier. Mit AstraZeneca wurden in Deutschland vor allem jüngere Personen geimpft, weil die Ständige Impfkommission den Impfstoff hier erst nur für Personen unter 65 Jahren freigegeben hatte, der Impfstoff wurde deshalb vor allem zunächst bei Personal in Krankenhäusern oder in der Pflege eingesetzt.
Das Paul-Ehrlich-Institut sah schon in den sieben Fällen schwerer Hirnblutungen eine weit überdurchschnittliche und so alarmierende Häufung, dass es die Überprüfung des Impfstoffs empfahl. Die Fälle wurden an die EMA weitergeleitet, die äußerte sich nun am Donnerstag in einer ersten Stellungnahme – und empfahl die weitere Nutzung des Impfstoffs. Der Exekutivausschuss habe die Fälle von Blutgerinnseln untersucht, sagte Direktorin Emer Cooke am späten Mittwochnachmittag, die klare wissenschaftliche Schlussfolgerung sei: „Dies ist ein sicheres und wirksames Produkt, das Menschen vor Corona schützt.“ Die Vorteile einer Impfung mit AstraZeneca überwögen deutlich die Risiken einer Covid-19-Erkrankung, an der täglich Tausende sterben würden, betonte sie.
Der Ausschuss habe sich im Detail die Fälle von Blutgerinnseln angesehen, sagte auch die Vorsitzende des Prüfausschusses, Sabine Straus, einen Nachweis für Qualitätsbedenken des Impfstoffs habe man nicht gefunden. „Dies ist ein sicherer Impfstoff gegen das Coronavirus“, betonte Straus. Eine erhöhe Entwicklung von Thrombosen allgemein sehe man nicht, allerdings lägen eben auch die Berichte über Blutgerinnsel 7 bis 14 Tage nach der Impfung vor. „Die Nachweise, die wir derzeit haben, sind nicht ausreichend, um zu sagen, ob sie mit dem Vakzin zusammenhängen“, sagte Straus, deshalb werde die EMA nun weitere Untersuchungen dazu einleiten. Es sei bekannt, von der Krankheit Covid-19 eine „große Gefahr von Thrombosen“ ausgehe, da könne es einen Zusammenhang geben.
Straus zufolge liegen der EMA derzeit insgesamt rund 20 Fälle solcher schweren Hirnthrombosen in Zusammenhang mit AstraZeneca-Impfungen vor, darunter sieben aus Deutschland, drei jeweils aus Italien, Norwegen und Spanien, drei aber auch aus Großbritannien sowie ein Fall aus Indien. Die sechs weiteren Fälle aus Deutschland waren darin noch nicht enthalten. „Wir können nicht ausschließen, dass es einen Zusammenhang gibt“, betonte Cooke zugleich, deshalb empfehle der Ausschuss „eine Bewusstseinsschärfung für die Risiken“ – konkret heißt das wohl: Vor der Gefahr schwerer Thrombosen soll nun in Zusammenhang mit dem Impfstoff gewarnt werden.
Die Entscheidung, ob mit dem Vakzin nun weiter geimpft wird, und für welche Personengruppen, treffen nun die einzelnen Mitgliedsländer – rund 15 europäische Staaten hatten die Impfungen mit AstraZeneca wegen der Warnungen vorsorglich ausgesetzt. Eine Aussage aus Deutschland, ob nun mit AstraZeneca weiter geimpft wird, liegt derzeit noch nicht vor – wir informieren Euch natürlich umgehend, sobald das der Fall ist.
Forscher der Universität in im norwegischen Oslo sehen derweil einen klaren Zusammenhang mit den Impfungen und den Hirnthrombosen – auch in Norwegen wurden drei Mitarbeiter des Gesundheitswesens nach Impfungen mit AstraZeneca wegen Hirnthrombosen in Kliniken eingeliefert, eine davon starb. Die Ursache dafür sei nun gefunden, gab der Osloer Professor Pål Andre Holme am Donnerstag bekannt: „Unsere Theorie ist, dass dies eine besonders starke Immunreaktion auf das Vakzin darstellt“, sagte Holme laut dem Online-Magazin Science Norway: „Nichts anderes als der Impfstoff kann diese solche Immunantwort erklären.“
In den Patientengeschichten habe es nichts anderes gegeben, das eine Erklärung für diese heftige Immunantwort geben könnte, sagte Holme weiter. Er sei sich weitgehend sicher, dass die gefunden Antikörper die Ursache seien, „und ich sehe keine andere Erklärung als dass es der Impfstoff ist, der diese Reaktion auslöst“, sagte Holme. Mehrere europäische Länder kündigten am Abend an, wieder mit AstraZeneca impfen zu wollen, darunter etwa Frankreich, nicht aber Schweden. Deutschland will ab Freitag wieder mit AstraZeneca weiter impfen, der Aufklärungsbogen für das Vakzin soll aber nun den Hinweis auf die Gefahr schwerer Hirnblutungen enthalten.
Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Impfstopp und den Problemen mit den Hirnthrombosen durch AstraZeneca-Impfungen lest Ihr noch einmal hier bei Mainz&. Mehr zum Thrombosefall in Rheinland-Pfalz und weiteren Hintergründen zu den Thrombosen lest Ihr hier bei Mainz&. Ausführliche Fragen und Antworten zu AstraZeneca findet Ihr auch hier beim Bundesgesundheitsministerium.