Paukenschlag in der Kliniklandschaft in Rheinland-Pfalz: Das Deutsche Rote Kreuz hat überraschend für alle seine Klinikstandorte Insolvenz angemeldet und kündigte den generellen Rückzug aus dem Klinikgeschäft an. Betroffen ist davon auch die DRK-Schmerzklinik in Mainz. Man sehe sich „aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen und unsicherer gesundheitspolitischer Rahmenbedingungen“ zu diesem Schritt gezwungen, teilte das DRK mit. Betroffen sind insgesamt elf Standorte in Rheinland-Pfalz. Die Reaktion vom Land Rheinland-Pfalz: Geld für insolvente Klinken gebe es nicht.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) war bislang mit seiner Trägergesellschaft Süd-West Betreiber von elf Kliniken in Rheinland-Pfalz. Mit insgesamt rund 4.200 Beschäftigten wurden hier eigenen Angaben zufolge pro Jahr mehr als 80.000 Patienten versorgt. Viele davon finden sich gerade in ländlichen Regionen des Westerwalds, aber auch entlang des Mittelrheins sowie in Rheinhessen mit den Standorten Worms, Alzey, Bad Kreuznach und Mainz.
Wirtschaftliche Probleme gab es schon länger: Bereits 2024 war die gemeinnützige Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz in Finanznot geraten und hatte im vergangenen August ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung abgeschlossen. Danach scheiterten allerdings Verhandlungen mit der Rheinischen Zusatzversorgungskasse (RZVK) für die Mitarbeitenden der betroffenen Häuser, daraufhin sah sich die DRK Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mit Forderungen in Millionenhöhe konfrontiert – damit war das Sanierungskonzept geplatzt.

DRK zieht sich komplett aus Klinikgeschäft zurück: 11 Standorte
Am 06. Dezember 2024 habe man deshalb „aufgrund des sich ergebenden unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risikos erneut Insolvenz anmelden“ müssen, heißt es in einer Pressemitteilung des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz weiter, die allerdings nur an manche Medien verschickt wurde, weswegen wir sie aus dieser Quelle zitieren. Bis zur letzten Minute habe sich der DRK-Landesverband „für die Rettung und damit den Verbleib der überwiegend kleineren Krankenhäuser unter dem Dach beziehungsweise Beteiligung des rheinland-pfälzischen Roten Kreuz stark gemacht“, so die Mitteilung weiter.

Doch am Donnerstag kam dann der Paukenschlag: Zusätzlich zu den bisherigen fünf Kliniken, die sich bereits im Insolvenzverfahren befanden, meldete das Rote Kreuz nun für seine weiteren sechs Standorte Insolvenz an. „Die DRK gemeinnützige Trägergesellschaft Süd-West mbH hat nach intensiven und umfassenden Abwägungen einen Antrag auf Durchführung eines Insolvenzverfahrens gestellt“, teilte die Leitung der Trägergesellschaft am Freitag in einer dürren Meldung auf ihrer Homepage mit.
Das zuständige Amtsgericht Mainz habe der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens am 7. Februar 2025 zugestimmt. Das Verfahren habe keine Auswirkungen auf den Betrieb der Häuser, die medizinische Versorgung ist an allen Standorten gesichert, betonte die Geschäftsführung weiter. Alle ambulanten und stationären Behandlungen sowie Therapien würden „uneingeschränkt und in gewohnter Qualität weiter durchgeführt“, auch könne man weiter Termine vereinbaren.

Solch ein Rückzug eines Klinikbetreibers „noch nie dagewesen“
Wie lange die Versorgung an den Standorten gesichert ist, teilte die Geschäftsführung indes nicht mit: Insolvenzverfahren haben in der Regel eine Laufzeit von drei Monaten. Wie es danach mit den Standorten weiter geht, ist bislang völlig unklar. Der große Paukenschlag nämlich ist, dass das DRK ankündigte, sich komplett aus dem Bereich der Krankenhäuser zurückzuziehen. „Angesichts der hohen wirtschaftlichen Belastungen sowie der unklaren gesundheitspolitischen Zukunftsaussichten kann das DRK in Rheinland-Pfalz sein Krankenhausangebot nicht länger aufrechterhalten“, heißt es in der Mitteilung.

Im Dezember hatte das DRK schon für fünf Kliniken in Alzey, Altenkirchen, Hachenburg, Kirchen und Neuwied Insolvenz angemeldet, nun kommen sechs weitere Standorte hinzu – darunter auch das DRK-Schmerzzentrum in Mainz. Dass sich ein Klinikträger in solch einem Umfang aus dem Geschäft zurückzieht, sei „in der Geschichte des Landes noch nie vorgekommen“, sagte der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft, Andreas Wermter, dem SWR. Wermter kritisierte dabei auch, dass die Politik bereits seit Jahren nicht mehr für eine „auskömmliche Finanzierung“ der Kliniken gesorgt habe: Allein in Rheinland-Pfalz fehlten den Kliniken jährlich rund 150 Millionen Euro.
Auch das DRK macht vor allem die Politik verantwortlich: „Während gemeinnützige Träger wie das DRK die Verluste aus eigenen Mitteln finanzieren müssen, werden die meisten kommunalen Kliniken aus Steuermitteln öffentlich bezuschusst“, klagte Rainer Kaul, langjähriger Präsident des DRK-Landesverbandes Rheinland-Pfalz e.V.: „Von dieser Geldquelle ist das Deutsche Rote Kreuz abgeschnitten.“ Die Verluste aus dem Klinikbereich hätten sich in den zurückliegenden Jahren im hohen zweistelligen Millionenbereich bewegt, das sei nun nicht mehr zu stemmen.
Land Rheinland-Pfalz: „Kein Geld für insolvente Kliniken“
„Mit dem Beschluss der Krankenhausreform spitzt sich die wirtschaftliche Situation für kleinere Krankenhäuser, wie sie das DRK bisher mehrheitlich vereinte, weiter zu“, heißt es in der Pressemitteilung weiter: „Aber ein Krankenhaus muss sich tragen können.“ Die Landesregierung verweigert sich jedoch weiter allen Aufforderungen zur Unterstützung: „Es ist nicht die Rolle des Landes, Geld zuzuschießen in Krankenhaus-Standorte, die insolvent sind“, sagte Gesundheitsstaatssekretärin Nicole Steingaß (SPD) dem SWR.
Gesundheitsminister Clemens Hoch bedauere jedoch den Abschied des DRK, er habe zudem die betroffenen Kommunen und den Insolvenzverwalter für kommende Woche zu einem runden Tisch eingeladen. „Wir werden uns als Land mit aller Kraft dafür einsetzen, dass das betroffene Angebot erhalten bleibt“, sagte Hoch laut SWR – finanziell könne sich das Land aber „nicht beteiligen.“
CDU-Opposition wirft Minister Hoch „tatenloses Zuschauen“ vor
Bei der CDU-Opposition äußerte man sich fassungslos, und warf der Landesregierung „tatenloses Zuschauen beim Krankenhaussterben“ vor. „Das sind katastrophale Nachrichten für die rheinland-pfälzische Krankenhauslandschaft“, sagten CDU-Gesundheitsexperte Christoph Gensch und CDU-Krankenhausexperte Torsten Welling. In Rheinland-Pfalz vergehe „kaum ein Monat, in dem nicht von neuen Krankenhausinsolvenzen zu hören ist.“ Mit dem Rückzug des DRK „verliert das Fundament der Daseinsvorsorge im Land massiv an Stabilität“, kritisierten Gensch und Welling.

Die beiden CDU-Politiker warfen Minister Hoch zudem vor, er müsse „endlich den Ernst der Lage erkennen und Verantwortung übernehmen.“ Der „ständige Ruf des Ministers nach den Kommunen“ dürfe nicht zur Regel werden, Rekommunalisierungen von Krankenhäusern könnten zwar „im Einzelfall Sinn ergeben“, seien aber angesichts der in Rheinland-Pfalz chronisch unterfinanzierten Kommunen kein Königsweg. „Minus mal Minus ergibt in diesem Fall eben nicht Plus“, kritisierten Gensch und Welling.
Hoch hatte im Dezember bei der erneuten Insolvenz des DRK-Krankenhausgesellschaft von einem „denkbar schlechtesten Signal“ gesprochen, zugleich aber jede finanzielle Hilfe des Landes abgelehnt – und auf die Kommunen verwiesen: „Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam mit der kommunalen Familie vor Ort gute Lösungen zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung finden werden“, sagte Hoch damals. Offenbar gelang genau das aber nicht, nun schickte der Minister seine Staatssekretärin zur Erklärung vor – eine Lösung bot das Ministerium nicht an.
Scharfe Kritik auch von ÖDP: „keine tragfähigen Lösungen“
Scharfe Kritik daran kam auch von der ÖDP, der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat Gregor Doege sprach von „einem Alarmsignal“: „Die meisten Krankenhäuser in Deutschland kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten und stehen vor der Schließung. Weder die Bundesregierung noch die Landesregierungen bieten tragfähige Lösungen an“, kritisierte Doege. Die dringend benötigte flächendeckende Grundversorgung durch Krankenhäuser vor Ort rechne sich wirtschaftlich nicht, weshalb zunehmend Notaufnahmen geschlossen würden. Deutschland brauche dringend eine grundlegende Reform im Krankenhaussystem mit der Abschaffung der Fallpauschalen sowie der Wiedereinführung des Gewinnverbots im Krankenhaussektor.

Mitte Oktober hatte der Deutsche Bundestag noch die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verabschiedet, mit der Reform sollen Fallpauschalen in Krankenhäusern tatsächlich durch Vorhaltepauschalen weitgehend ersetzt werden. „Notwendige“ Krankenhäuser auf dem Land sollen „durch Zuschläge gesichert“ werden, so „sorgen wir für den Erhalt eines flächendeckenden Netzes guter Kliniken“, betonte Lauterbach damals. Doch zugleich sollen „nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder umgewandelt“ werden – Kritiker befürchten deshalb ein Kliniksterben gerade in ländlichen Regionen.
Das Versprechen, dass sich durch die Reform „der ökonomische Druck auf die Krankenhäuser verringert“, sieht man beim DRK aber offenbar nicht. Die Umsetzung der Reform soll zudem bis 2029 dauern – und die Bundesländer bleiben weiter für die Krankenhausplanung zuständig: „Sie entscheiden, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen anbieten soll“, heißt es beim Bundesministerium.
Bereits 2023 hatte eine Umfrage der Landeskrankenhausgesellschaft finanzielle Abgründe in Rheinland-Pfalz offen gelegt: Danach machten damals rund 65 Prozent der rund 100 Kliniken in diesem Bundesland Verluste, schon damals warnte die Gesellschaft vor weiteren Klinik-Insolvenzen. Das Land hatte schon damals Klinikrettungen abgelehnt. Beim DRK will man sich künftig auf seine Kernaufgabe der Hilfe für mensch4en in Notsituationen konzentrieren. Für die jetzt betroffenen Kliniken sei „Interesse seitens anderer Klinikträger vorhanden“, heißt es weiter – konkreter wurde die Pressemitteilung nicht.
Info& auf Mainz&: Ein ausführliches Dossier zum Thema findet Ihr hier beim SWR.