Die erste Bürgermesse zur Citybahn Ende April im Mainzer Schloss soll nicht der letzte Schritt der Bürgerbeteiligung in Mainz gewesen sein: „Die Messe im Schloss und der Online Dialog waren ein erster guter Anfang, aber wir wollen den Prozess verstetigen“, sagte Stadtwerke-Chef Daniel Gahr am Freitag in Mainz. Der Anspruch sei eine weitreichende Bürgerbeteiligung mit fortlaufender Information der Mainzer über das Projekt. Damit treten die Mainzer auch in Sachen Realisierung der neuen Straßenbahnlinie über den Rhein nach Wiesbaden ordentlich auf die Bremse: Frühestens im Frühjahr 2020 würden alle Fakten auf dem Tisch liegen, um über das Projekt entscheiden zu können, betonte Gahr. Das gelte auch für die Entscheidung der Mainzer Linienführung sowie den Grundsatzbeschluss, den der Stadtrat noch fassen soll.
In Wiesbaden wird man das nicht gerne hören: Schon 2022 werde die Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden rollen, betont hier CityBahn-Geschäftsführer Hermann Zemlin gerne – und Baubeginn soll in Mainz sein. Die Wiesbadener Planer wollen die Citybahn unbedingt, um den öffentlichen Nahverkehr in Wiesbaden zu entlasten und ein umfassendes Verkehrserneuerungskonzept auch zur Luftreinhaltung umsetzen zu können. Mitte Mai hieß es in einer Pressemitteilung der Citybahn GmbH, die Unterlagen für den Planfeststellungsprozess sollten bereits Mitte 2019 erstellt werden. Danach werde eine neue Verkehrsbewertung „für die festgelegte und durchgeplante Linienvariante“ erfolgen.
„Sind nicht euphorisch“ – Endkosten für Mainzelbahn stehen noch nicht fest
Die Pressemitteilung der Citybahn GmbH unterschrieb auch die Geschäftsführerin der Mainzer Mobilität, Eva Kreienkamp, derweil bremst Stadtwerke-Chef Gahr die Erwartungen: „Wir sind aufgeschlossen, aber nicht euphorisch“, betonte Gahr. Das Projekt Citybahn sei komplex, die Mainzer Streckenvarianten müssten gründlich untersucht werden, um mögliche Hürden und K.O.-Kriterien schon im Vorfeld zu identifizieren. Auch müssten die Anforderungen für den Betriebshof geschärft werden – die Citybahn soll die Mainzer Infrastruktur des Betriebshofes mitnutzen. „Wir veranschlagen für den Prozess mindestens eine Dauer von zwei Jahren“, betonte Gahr, „die Devise lautet eindeutig: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“
Die zurückhaltende Haltung in Mainz dürfte viel damit zu tun haben, dass das Projekt Mainzelbahn noch immer nicht endgültig abgeschlossen ist. Noch immer ist nicht klar, wie viel der Bau der Ende 2016 eingeweihten Strecke auf den Lerchenberg am Ende gekostet hat: Die Endabrechnung soll erst Anfang 2019 vorliegen, die Stadt streitet derzeit offenbar mit mehreren Firmen über Abrechnungen. Auch mussten fehlerhafte Weichen ersetzt und an diversen Stellen Nachbesserungen vorgenommen werden. Kritiker befürchten ein böses Erwachen des bislang mit rund 90 Millionen Euro angesetzten Projektes. „Wir sind nicht euphorisch, weil wir gut in Erinnerung haben, wie steinig der Weg von der ersten Idee zur Realisierung sei der Mainzelbahn war“, sagte Gahr am Freitag.
Favorit Große Bleiche – vielleicht mit Kurve über Flachsmarkt
In Mainz müssen Stadt und Stadtrat vor allem noch über die Streckenführung entscheiden: Die neue Bahnstrecke könnte über Kaiserstraße, Große Bleiche oder Ludwigsstraße führen, alle drei Varianten sollen intensiv geprüft werden, sagte Gahr. Bei einer Bürgerbeteiligung vor einigen Wochen im Mainzer Schloss hatten Bürger zahlreiche Kritikpunkte an den drei Varianten geäußert. „Die Kaiserstraße geht hier nicht als Favorit raus“, bilanzierten Vertreter der Citybahn GmbH auf der Infomesse im Schloss: Die Route gilt als zu Cityfern.
„Die Wiesbadener wollen doch in erster Linie direkt in die Altstadt“, sagte ein Besucher aus Mainz-Drais auf der Infomesse, deshalb müsse die Bahn zum Höfchen führen. Auch müsse man überlegen, ob es nicht sinnvoll sei, den Flachsmarkt anzubinden. Tatsächlich gebe es eine Variante, nach der die Citybahn von der Großen Bleiche in die Flachsmarktstraße einbiegen und dort an St. Quintin vorbei zur Rheingoldhalle geführt werden könne, verriet ein Planer Mainz& auf der Infomesse – von den Kurvenradien her sei das möglich. Gegen eine Strecke über die Ludwigsstraße wiederum sprechen die häufigen Feste auf dem Mainzer Boulevard
Die derzeit geplanten Linienführung seien aber vor allem unter dem Aspekt der schnellen Verbindung geplant worden, erfuhr Mainz& weiter – deshalb präferiere man eine Linie über die Große Bleiche direkt zum Rhein und zur Theodor-Heuss-Brücke. In Richtung Hauptbahnhof stellen sich die Planer derzeit eine Strecke in gerader Linie über die Binger Straße zur Alicenbrücke vor, Münsterplatz und Hauptbahnhof würden damit gar nicht angefahren. „Es ist eine Reihe von Mischlösungen aufgekommen“, sagte ein Planer, das werde man sich nun in Ruhe ansehen.
Erhebliche Bedenken der Mainzer in Sachen Theodor-Heuss-Brücke
Auf der Messe wurde aber auch deutlich: die Mainzer haben erhebliche Bedenken, was eine Citybahn auf der Theodor-Heuss-Brücke angeht. Die Aussagen „keine Citybahn über die Theodor-Heuss-Brücke“ und „Für die Citybahn eine neue Rheinbrücke“ bekam sehr viel Zustimmung. Konkret schlugen Mainzer Besucher auf der Citymesse eine zweite Rheinquerung neben der Kaiserbrücke mit direkter Anbindung an den Betriebshof der Mainzer Stadtwerke vor. In Mainz-Kastel wünschte man sich dazu eine direkte Anbindung an den dortigen Bahnhof – nach den derzeitigen Plänen soll die Citybahn aber noch vor dem Brückenkreisel aus Mainzer Richtung links auf die Wiesbadener Straße abbiegen.
Die Rückmeldungen haben offenbar auch die Verantwortlichen vorsichtig werden lassen: Bei der Citybahn sei „die breitest mögliche Beteiligung notwendig“, betonte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD): „Wir brauchen diesen Prozess, um am Ende ein positives Klima mitprägen zu können.“ Der Bürgerbeteiligung soll deshalb breiter Raum gegeben werden: Nach der Sommerpause soll am Mainzer Schillerplatz in dem früheren Energiekaufhaus der Stadtwerke eine Informations- und Anlaufstelle für die Citybahn auf Mainzer Seite entstehen. Eine Dauerausstellung solle über die Pläne informieren, regelmäßig Sprechstunden mit Politikern und Planern stattfinden, sagte Gahr.
Infopoint am Schillerplatz, Workshops, fortlaufende Bürgerbeteiligung
Auch fortlaufende Treffen mit Anwohnern und Geschäftsleuten soll es geben, 25 bis 30 „Stakeholder“ regelmäßig in Planungsworkshops die Einbindung aller Betroffenen sicher stellen. An den Planungsworkshops sollten „die wesentlichen Gruppen“ beteiligt sein, sagte Gahr, und zählte als Beispiel auf: Rollstuhlfahrer, Einzelhandel, Gastronomie, Mainzer Netze, Anwohner und das Citymanagement. Auch die Fastnacht spiele eine wichtige Rolle, „wenn wir uns durch die Innenstadt bewegen.“ Ziel sei eine feste Gruppe, die sich über einen längeren Zeitraum hin in dem Planungsvorhaben engagiere.
Vorbild sei dabei das Beteiligungsverfahren im Vorfeld der Mainzelbahn, sagte Ebling: Damals habe es lediglich 53 Einwendungen und keine einzige Klage gegen die Mainzelbahn gegeben. Ein Bürgerentscheid sei in Mainz allerdings ausgeschlossen, betonte der OB: das rheinland-pfälzische Planungsrecht schreibe für den Straßenbahnbau ein Planfeststellungsverfahren vor, und dieses schließe ein Bürgerbegehren explizit aus. Tatsächlich heißt es in der Gemeindeordnung in Paragraph 17a, ein Bürgerentscheid sei nicht zulässig bei „Vorhaben, für deren Zulassung ein Planfeststellungsverfahren oder ein förmliches Verwaltungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich ist.“
Anders sieht das in Wiesbaden aus, in Hessen ist ein Bürgerbegehren nicht ausgeschlossen, die Wahrscheinlichkeit, dass Bürgerinitiativen ein Bürgerbegehren zur Citybahn durchsetzen, hoch. In Wiesbaden wird derzeit heftig über die Citybahn gestritten: Wiesbaden hatte in den 1950er Jahren seine Straßenbahnen abgeschafft, für die Citybahn muss hier die gesamte Infrastruktur samt Gleiskörpern und Oberleitungen neu geschaffen werden. Das stößt zum Teil auf heftige Kritik, weil dafür Bäume fallen und tiefgreifende Änderungen im Stadtbild nötig sind.
Ebling will Erweiterung des Straßenbahnnetzes – Strecke nach Ebersheim wird geprüft
Mainz sei hingegen eine Straßenbahnstadt, das Thema historisch gewachsen, betonte Ebling: „Wir haben grundsätzlich eine gute Stimmung für eine Erweiterung“ – und die werde es in Zukunft auch unabhängig von der Citybahn geben. So werde es eine vertiefte Untersuchung einer Straßenbahnlinie nach Mainz-Ebersheim geben, sagte Ebling: „Das Umland lechze nach Verbindung.“ Das Thema Mobilität werde eines der großen Themen der nächsten Jahre, auch weil Mainz wachse. „Mobilitätsbedürfnisse steigen, Menschen bewegen sich mehr“, sagte Ebling, „wir müssen das intelligent verzahnen.“ Auch die Beziehungen zwischen Mainz und Wiesbaden vertieften sich ständig, dem müsse Politik Rechnung tragen.
„Mobilität heißt Mobilität für alle, wir müssen das gemeinsam denken“, sagte Ebling weiter, deshalb brauche es in Mainz Zeit für Diskussionen. „Die Mobilität der Zukunft muss umweltverträglich sein, innovativ und sozial, sowie auch in Zukunft erschwinglich“, betonte der OB: „Das zentrale Projekt dazu heißt Citybahn.“ Das alles aber müsse gründlich diskutiert werden, die Mainzer Pläne seien deshalb wahrscheinlich erst im Frühjahr 2020 für den Stadtrat entscheidungsreif, sagte Ebling, und räumte ein: Ja, es gebe da „ein Spannungsfeld“ zu dem sehr viel schnelleren Wiesbadener Zeitplan. „Aber jede Stadt muss da ihren eigenen Weg gehen“, betonte der Oberbürgermeister: „Wir haben immer gesagt, dass aus unserer Sicht der Zeitplan 2022 ambitioniert war.“
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Plänen für die Citybahn findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel, Details zur Kosten-Nutzen-Analyse hier. Mehr zur Mainzer Streckenführung genau hier. Die offizielle Internetseite zur Citybahn findet Ihr hier.