Der Countdown läuft, die Spannung steigt: Am kommenden Sonntag ist OB-Stichwahl in Mainz. Dann entscheidet sich, ob die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz in den kommenden acht Jahren vom parteilosen Nino Haase oder vom Grünen Christian Viering gelenkt wird. Die Spannung ist gewaltig, denn die Unterstützer-Gruppen haben sich alles andere als deutlich positioniert: sowohl CDU, als auch FDP und Linke haben keine klare Wahlempfehlung abgegeben – ein Novum. Wer welche Chancen hat: eine Mainz&-Analyse.

Der parteilose Nino Haase vor dem grünen Christian Viering - so lautete die Reihenfolge im ersten Wahlgang. - Foto: gik
Der parteilose Nino Haase vor dem grünen Christian Viering – so lautete die Reihenfolge im ersten Wahlgang. – Foto: gik

Am 12. Februar 2023 schickten die Mainzer im ersten Wahlgang zwei Männer in die Stichwahl, die beide noch nie einen Spitzenposten in der politischen Verwaltung inne hatten: Bei einer Wahlbeteiligung von 49,2 Prozent entschieden sich die Mainzer mit 40,2 Prozent für Nino Haase, Viering holte 21,5 Prozent. Dass der parteilose Nino Haase mit einem so deutlichen Vorsprung vorne lag, war eine dicke Überraschung und kam einem Erdrutsch in der politischen Landschaft gleich.

Seit 1945 hatten Sozialdemokraten die Landeshauptstadt regiert, seit 2009 halten Grüne, SPD und FDP gemeinsam im Stadtrat die Mehrheit. Doch bei der OB-Wahl am 12. Februar kamen die Parteien der Ampel-Koalition gemeinsam nur noch auf 38,6 Prozentpunkte – und damit sogar zusammen weniger, als Haase an Stimmen holte. Der Grund: Die SPD stürzte auf ganze 13,3 Prozent ab, und auch der Kandidat der FDP holte lediglich 3,8 Prozent.

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Stichwahl: Wie viele Mainzer gehen überhaupt noch zur Wahl?

Damit aber ist die Stichwahl am 5. März keineswegs entschieden: Ausschlaggebend für das Ergebnis am kommenden Sonntag ist zum einen die Wahlbeteiligung – und zum anderen die Frage, wie sich die verbliebenen rund 40 Prozent der Wählerstimmen verteilen. Bei einer Stichwahl gehen in der Regel deutlich weniger Menschen zur Wahl, als bei regulären Wahlgängen – in Kaiserslautern gingen gerade nur noch knapp 28 Prozent der Wähler zur Wahlurne.

Briefwahlunterlagen für die OB-Wahl in Mainz am 12. Februar 2023. - Foto: gik
Briefwahlunterlagen für die OB-Wahl in Mainz am 12. Februar 2023. – Foto: gik

In Mainz waren es 2019 bei der Stichwahl zum OB-Amt immerhin 40,2 Prozent, damals gewann am Ende Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) mit 55,2 Prozent vor Nino Haase, der auf 44,8 Prozent kam. In diesem Jahr könnte also entscheidend werden, wer am Sonntag die meisten Wähler zur Wahlbeteiligung motivieren kann – erneut sind 161.656 Mainzer zur Stimmabgabe aufgerufen. Am 12. Februar stimmten davon 17.065 für Viering, aber 31.837 für Haase.

Nun aber fallen vier Kandidaten von anderen Parteien weg – spannend wird deshalb: Wer unterstützt welchen Kandidaten in der Stichwahl? Am klarsten positionierte sich die SPD: Sie gab eine klare Wahlempfehlung für den Kandidaten des grünen Koalitionspartners ab – Amtsvorgänger Michael Ebling (SPD) warb gar beim politischen Aschermittwoch der Grünen explizit für die Wahl Vierings. Das Stimmungsbild in der Mainzer SPD sei „eindeutig: Die Mainzer SPD sieht große inhaltliche Schnittmengen“, sagte der Co-Vorsitzende der Mainzer SPD, Christian Kanka.

SPD wirbt für Viering, FDP hingegen nicht – Ampel ohne Mehrheit

Wem daran gelegen sei, „dass an der Spitze der Stadt ein Oberbürgermeister steht, der die Menschen zusammenführen und den sozialen Zusammenhalt im Blick behalten kann, sollte Christian Viering die Stimme geben“, warb Kanka. SPD, Grüne und FDP arbeiteten im Stadtrat „seit vielen Jahren vertrauensvoll zusammen“, betonte auch die gescheiterte SPD-Kandidatin Mareike von Jungenfeld: „Die Arbeit der Koalition tut der Stadt gut, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Die Ampelkoalition bleibt der stabile, konstruktive politische Faktor in Mainz.“

Warf sich in den Wahlkampf pro Christian Viering: Innenminister und Ex-OB Michael Ebling (SPD, Mitte). - Foto: Grüne Mainz
Warf sich in den Wahlkampf pro Christian Viering: Innenminister und Ex-OB Michael Ebling (SPD, Mitte). – Foto: Grüne Mainz

Die FDP hingegen mochte sich dem nicht anschließen – sie gab explizit keine Wahlempfehlung zugunsten des grünen Koalitionspartners ab. „Von einer Wahlempfehlung sehe ich persönlich ab“, sagte der OB-Kandidat der FDP, Marc Engelmann, auf Mainz&-Anfrage: Er schätze beide verbliebenen Kandidaten persönlich. „Die Menschen, die mich gewählt haben, sind sicherlich intelligent genug, ihre Wahlentscheidung selbst zu treffen“, fügte Engelmann hinzu – praktisch gleichlautend äußerste sich auch der FDP-Kreisvorstand.

Damit könnte Viering fürs Erste nur auf die 13,3 Prozent der SPD-Stimmen bauen – wenn diese denn alle zu Viering wechseln. Doch das ist keineswegs sicher: Schon im ersten Wahlgang muss ein erheblicher Prozentsatz ursprünglicher SPD-Wähler für den parteilosen Haase gestimmt haben, kam die SPD doch vor drei Jahren auf besagte 55 Prozent, jetzt aber nur noch auf 13,3 Prozent. Viering hingegen holte mit seinen 21,5 Prozent sogar noch etwas weniger als die Grünen-OB-Kandidatin Tabea Rößner 2019, die damals auf 22,5 Prozent kam.

Linke bieten Viering Zusammenarbeit an, fordern: „Kein Weiter So“

Viering selbst hatte am Wahlabend betont, er habe mit seinem Abschneiden „das Wahlpotenzial der Grünen ausgeschöpft“, für Stimmenzuwachs ist er also auf Wähler anderer Parteien angewiesen. Da bieten sich neben der SPD vor allem die Linken an – doch auch die vermieden nun ein klare Wahlempfehlung für einen der beiden Kandidaten. Stattdessen schickte die Partei eine zweigeteilte Botschaft an ihre Wähler: Die Partei bot Viering eine Zusammenarbeit zu konkreten Themen an – und übte gleichzeitig scharfe Kritik an der bisherigen Ampel-Politik.

Wahlplakat des Linken-OB-.Kandidaten Martin Malcherek. - Foto: Linke Mainz
Wahlplakat des Linken-OB-.Kandidaten Martin Malcherek. – Foto: Linke Mainz

„Das insgesamt schwache Abschneiden der Kandidaten der Ampel in der ersten Runde der OB-Wahl zeigt, dass sich die Mainzer kein ‚Weiter so‘ wünschen“, bilanzierte der Linken-Kreisvorstand, dessen Kandidat Martin Malcherek im ersten Wahlgang auf sehr gute 7,1 Prozent gekommen war. Malcherek selbst hatte im Wahlkampf mehrfach gemeinsam mit Haase für Fotos posiert, man verstand sich gut. Die Freude über das eigene gute Abschneiden verknüpfte die Linke nun mit scharfer Kritik an der regierenden Ampel-Koalition im Stadtrat: SPD, Grünen und FDP wirft die Linke Untätigkeit und die Blockade guter Ideen der anderen Fraktionen vor.

„Der Energie-Nothilfefond wurde versprochen, aber bis heute nicht umgesetzt. Der soziale Wohnungsbau kommt in Mainz nicht signifikant voran und liegt unter dem Niveau des Jahres 2019. Der 2019 ausgerufene Klimanotstand wird von der Ampelfraktion nicht in konkrete Taten umgesetzt“, schimpfte der Kreisvorstand der Linken auf: „Hohe Preise im ÖPNV schränken die Mobilität vieler Mainzer ein, Kultureinrichtungen geben auf, weil ihnen die politische Unterstützung fehlt und wohnungslose Menschen werden weiter aus dem öffentlichen Raum ausgegrenzt.“

Linke wirft Ampel-Koalition im Stadtrat Untätigkeit und Blockade vor

„Wir sagen es deutlich: Hierfür ist in erheblichem Maße die regierende Ampelkoalition verantwortlich, die Millionen an Steuergeld lieber hortet als eine soziale und klimagerechte Politik für alle Mainzer voranzubringen“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Eine bessere Politik „scheitert an einer handlungsunfähigen und handlungsunwilligen Ampelkoalition“, so die Linke weiter – das aber werde auch der parteilose Nino Haase nicht ändern können, weil ihm die politischen Mehrheiten im Stadtrat für seine Politik gänzlich fehlten.

Wahlplakat des Grünen-Kandidaten Christian Viering. - Foto: Grüne Mainz
Wahlplakat des Grünen-Kandidaten Christian Viering. – Foto: Grüne Mainz

Gleichzeitig kritisiert die Linke aber auch: Man sehe zwar „in den Zielen und Ideen von Christian Viering durchaus Potenzial, den jahrelangen politischen Stillstand in Mainz zu beenden. Allerdings glauben wir, dass ihm hierfür die Unterstützung der Ampelkoalition fehlt.“ Deshalb biete die Linke Viering an, schon vor der Kommunalwahl 2024 bei Themen wie einem Mainzer Neun-Euro-Ticket, Gehaltserhöhung für Erzieherinnen, sozialem Wohnungsbau und der Förderung der Mainzer Kulturszene zusammenzuarbeiten.

Haase hat bereits angekündigt, für seine Ideen und Konzepte bei den Fraktionen im Stadtrat um Unterstützung werben zu wollen – welche Möglichkeiten ein Oberbürgermeister in seiner Amtsführung hat (und welche nicht), könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Offizielle Unterstützung für Haase hatten die ÖDP und die Freien Wähler schon vor dem ersten Wahlgang angemeldet – bleibt die Frage: Wen unterstützt die CDU?

CDU gibt keine Wahlempfehlung ab, CDU-Politiker pro Haase

CDU-Kandidatin Manuela Matz erreichte im ersten Wahlgang ebenfalls nur 13,5 Prozent der Stimmen, offenbar weil viele CDU-Wähler bereits im ersten Wahlgang Haase wählten – schließlich hatte die CDU selbst 2019 Haase als ihren Kandidaten auf den Schild gehoben. Trotzdem aber gab die CDU nun keine Wahlempfehlung für Haase in der Stichwahl ab: „Wir halten unsere Wähler für intelligent genug, eine kluge und vorausschauende Wahlentscheidung zu treffen“, teilte der CDU-Kreisvorstand mit – und schickte dennoch gleich Entscheidungshilfen mit.

Wahlplakat Nino Haase. - Foto: Haase
Wahlplakat Nino Haase. – Foto: Haase

Die CDU Mainz habe sich „immer dafür eingesetzt, dass ein Wechsel an der Stadtspitze und somit auch der städtischen Politik stattfindet“, so die schriftliche Stellungnahme weiter – eine klare Positionierung gegen den grünen Viering. „Wir erwarten in der Zukunft, inhaltliche und sachorientierte Zusammenarbeit zum Wohle unserer Stadt“, betont man von Seiten der CDU zudem. Und es solle „ein Oberbürgermeister gewählt werden, der auch in der Lage ist, die Stadt national und international zu repräsentieren“ – auch das dürfte eher auf Haase gemünzt sein.

Manch CDU-Politiker macht denn auch aus seiner persönlichen Entscheidung gar keinen Hehl mehr: „Ich würde mich sehr freuen, wenn zur Stichwahl am 5.3.23, unser neuer Oberbürgermeister Nino Haase heißt“, schreibt etwa die Gonsenheimer Ortsvorsteherin Sabine Flegel auf ihrem Facebook-Profil: „Meine Unterstützung hat er!“

Nicht erwünscht ist bei Haase im Übrigen die Unterstützung von Rechtsaußen: Von einem erneuten Wahlaufruf der AfD zugunsten seiner Person hat sich Haase in aller Deutlichkeit distanziert: Die Haltung der AfD „beruht einzig und allein auf destruktivem Hass, das lehne ich zutiefst ab“, betonte Haase: Er wolle als Oberbürgermeister „mit aller Kraft für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit einstehen – das schließt eine aktuelle wie zukünftige Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus.“

Wo bleiben meine Briefwahl-Unterlagen?

Die Unterlagen für die Briefwahl wurden übrigens bereits seit dem 14. Februar versandt und sollten bei den Mainzern bereits angekommen sein. Wie schon im ersten Wahlgang gilt: Das Briefwahlbüro der Stadt Mainz im Stadthaus in der Großen Bleiche ist bis zum Freitag vor der Wahl, also dem 03. März 2023, bis 18.00 Uhr geöffnet. Briefwahlunterlagen müssen bis allerspätestens Sonntag, 5. März, 18.00 Uhr dort eingegangen sein.

Das Briefwahlbüro im Stadthaus in der Großen Bleiche. - Foto: gik
Das Briefwahlbüro im Stadthaus in der Großen Bleiche. – Foto: gik

Wer jetzt noch auf Unterlagen wartet und unsicher ist, ob er auch die Stichwahl beantragt hat, sollte dringend im Briefwahlbüro der Stadt Mainz nachfragen – die Telefonnummer lautet 06131 – 12 15 00. Man kann natürlich auch in der Großen Bleiche 46 persönlich vorbeischauen und gleich vor Ort wählen. Euren Wahlschein für die Briefwahl könnt Ihr übrigens auch auf dieser Internetseite online beantragen – sollte die Beantragung im Wahlbüro letztlich doppelt vorliegen, werde der Zweitantrag annulliert, versichert die Stadt.

Auf derselben Internetseite kann man übrigens auch nachschauen, welches Wahlbüro man hat – dort können Mainzer auch ohne Wahlschein, und nur bei Vorlage des Personalausweises am Sonntag zwischen 08.00 Uhr und 18.00 Uhr ihre Stimme abgeben.

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Info& auf Mainz&: Alle Infos der Stadt Mainz rund um die OB-Stichwahl am 05. März 2023 findet Ihr hier im Internet. Alle Artikel, Hintergründe und Informationen von unserer Seite findet Ihr im großen Mainz&-OB-Wahldossier. Eine ausführliche Nach-Wahlanalyse des ersten Wahlgangs lest Ihr hier bei Mainz&. Wer sich noch einmal über die beiden Kandidaten und ihre Pläne für Mainz informieren will, bittesehr: Hier geht es zu unseren ausführlichen Mainz&-Interview mit Nino Haase, und hier zu unserem ausführlichen Mainz&-Interview mit Christian Viering – beide Gespräche findet Ihr in voller Länge hier auf unserem Mainz&-Videokanal auf Youtube.