Im März starteten Anwohner der Mainzer Oberstadt eine Petition im Internet mit dem Titel „Stadt stoppen!“ Der Appell richtete sich gegen die Vernichtung von bislang geduldetem Parkraum und gegen die massive Anhebung von Anwohnerparkgebühren – mehr als 300 Unterschriften wurden der Stadt Mainz übergeben. Gehört fühlen sich die Anwohner nicht: In einem dramatischen Appell senden sie nun „einen Hilferuf zur eskalierenden Parkraumsituation am Fichteplatz“ an Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos). Der Hintergrund: Eine Massierung von Baustellen – und die Vernichtung von bislang geduldetem Parkraum zwischen Bäumen und auf breiten Randstreifen entlang der Straßen.

Seit gut einem halben Jahr geht das Mainzer Verkehrsdezernat mit großer Härte gegen parkende Autos vor, gerade in Stadtteilen, und gerade auf Flächen, auf denen bislang das Parken jahrzehntelang geduldet wurde. Die Mombacher Straße traf es bereits vor gut einem Jahr, hier unterband die Stadt das Parken in mehrfacher Reihe und zwischen Bäumen – Ersatz für die wegfallenden Parkplätze wurde nicht geschaffen. Es folgten ähnliche Maßnahmen in Mainz-Bretzenheim und rund um den Fichteplatz in der Oberstadt, in der Wallstraße wurden im Februar über Nacht 250 Knöllchen verteilt – für Parken auf einem Grünstreifen, auf dem das jahrzehntelang üblich und völlig problemlos war.
Das Entsetzen in den betroffenen Gebieten ist groß, denn Ersatz für die wegfallenden und meist dringend benötigten Parkflächen wird keiner geboten. Die Stadt führe zumeist auch noch keinerlei Dialog mit den Anwohner, in Hauruck-Aktionen würden Fakten geschaffen, einseitige grüne Ideologie „an der Realität der Menschen vorbei“ durchgesetzt – so lauten zahlreiche kritische Äußerungen. Die ÖDP forderte mehr Transparenz und rechtzeitige Informationen vom Verkehrsdezernat in Sachen Parken, die FDP in Mainz „eine sachliche, bedarfsorientierte Parkraumpolitik“ statt „planloser Verdrängung des motorisierten Individualverkehrs.“
Anwohner fordern Denkpause bei Parkraumvernichtung
Im März starteten dann Anwohner in der Mainzer Oberstadt eine Petition im Internet mit dem Titel „Stadt stoppen!“, sie richtete sich zum einen gegen die dramatische Anhebung der Anwohnerparkgebühren, zum anderen aber gegen die Vernichtung von Parkraum, insbesondere in der Oberstadt. „Parkraum ist knapp in Mainz und wir fordern ein umfassendes Konzept der Stadt Mainz, das fair, sozial und klimagerecht in allen Stadtteilen Parkflächen für Autos und Fahrräder zur Verfügung stellt“, heißt es in der Petition, die bis heute 379 Personen unterzeichnet haben.

Die Petition forderte ein „Moratorium“ zwischen Stadt und Bürgern, und damit faktisch einen Stopp für die weitere Parkraumvernichtung von Seiten des Verkehrsdezernats: „Sehr viele Bewohner*innen sind auf ihre Autos angewiesen“, heißt es zur Begründung, man fordere die Stadt zu „einer Denkpause“ auf, in der die Stadt Mainz und die Bürgerschaft ins Gespräch kommen könnten. Man schlage Begehungen in den Quartieren vor und die Suche nach konkreten Lösungen für die aktuellen Situationen, sowie „ein gemeinsames Nachdenken über die Zukunft der Mobilität in den Vierteln.“ Das betreffe nicht nur die Oberstadt, sondern auch Gonsenheim, das Bleichenviertel oder die Wallstraße.
„Wir betonen, dass wir keiner Autolobby das Wort reden. Wir nutzen Kraftfahrzeuge ebenso wie Fahrräder, Bus und Bahn und gehen zu Fuß“, hieß es in der Petition weiter. Mobilität sei vielfältig, sie neu zu denken notwendig – auf das Auto könnten viele Stadtbewohner aber angesichts nicht ausreichender Alternativen eben nicht ganz verzichten. „Die Stadt Mainz braucht daher ein umfassendes Konzept, das fair, sozial und klimagerecht gerade in den
Wohngebieten gute Lösungen auch für Autos und Fahrräder anbietet“, so die Forderung: „Bisher fehlt ein Konzept, das die gesamte Stadtgesellschaft in den Blick nimmt und die Lasten angemessen verteilt – damit Mainz für alle ein lebenswerter Wohnort bleibt!“
Hilferuf der Anwohner Fichteplatz: Situation spitzt sich zu
Die Petition samt Unterschriften wurden Anfang April im Stadthaus an die Adresse von Oberbürgermeister Haase abgegeben – nun klagen die Petenten: „Bis heute kam keine Antwort von der Stadt.“ Doch inzwischen spitze sich die Situation rund um den Fichteplatz zu, denn es drohten monatelange Straßensperrungen durch neue Baustellen. In einem neuerlichen Schreiben wenden sich die Initiatoren der ersten Petition nun erneut an OB Haase, von einem „dringenden Hilferuf zur eskalierenden Parkraumsituation“ ist die Rede.

„Im Quartier rund um den Fichteplatz leben nahezu zweitausend Menschen, alles Mieter ohne Garagen oder Grundstück, viele Familien, Senioren, Gering- bis Normalverdiener“, heißt es in dem neuen Schreiben vom 13. Juni. Für diese Menschen spitze sich die Parksituation seit Jahren zu, die Gründe: Wegfall geduldeter Parkplätze auf sehr breiten Gehwegen in zweiter Reihe und auf unversiegelten, verdichteten Flächen zwischen Bäumen sowie der Wegfall bestehender Parkplätze durch Baustellen der Wohnbau Mainz und des TRON-Projekts. Dazu sollten langfristig auch Parkplätze an der Philippschanze wegfallen, weil dort ein Schulneubau am Gutenberg Gymnasium anstehe.
Aktuell ausgelöst wurde der Hilferuf nun zudem durch Parkschilder, die seit Pfingstmontag weitere Sperrungen für eine die Fernwärme-Baustelle in der Schneckenburgerstraße ankündigten. Die Baustelle sollte eigentlich am 16. Juni starten, doch die Mainzer Netze verkündeten am Montag überraschend eine Absage: Man müsse ein anderes Fernwärme-Projekt in der Oberstadt vorziehen, die Arbeiten rund um die Schneckenburgerstraße würden nun voraussichtlich 2026 umgesetzt. Die Stadt hatte vergangene Woche kurzfristig die Obere Zahlbacher Straße zur Einbahnstraße erklärt, um dort zusätzlichen Parkraum für die Anwohner zu schaffen – was auch wieder auf Kritik stieß: Rettungswagen brauchen jetzt unter Umständen länger zur Uniklinik.

„Fühlen uns bislang von der Stadtpolitik nicht gehört“
Die Situation werde im ganzen Viertel „als enorm belastend“ empfunden, man fühle sich „bislang von der Stadtpolitik nicht gehört“, klagen die Protestler. Man fordere deshalb „ein Ende der Nicht-Kommunikation“ und „einen Dialog auf Augenhöhe statt per Pressemitteilung oder Info-Aushang in zwei, drei Hausfluren des Quartiers“, die Einbindung der Bürger in die Entwicklung von Lösungen und eine sofortige Entspannung der Parkplatzsituation durch temporäre Sonderregelungen und Öffnungen angrenzender Parkzonen.

Ein Beispiel könne die Öffnung des Parkhauses Augustusplatz für Anwohner zur kostenlosen, ganztägigen Nutzung sein, eine andere Lösung die temporäre Öffnung aller angrenzenden Anwohnerparkzonen. Zudem fordern die Anwohner die Rückkehr – wenigstens temporär – zur geduldeten Nutzung früherer Parkplätze auf unversiegelten Flächen, etwa zwischen Bäumen und in zweiter Reihe bei ausreichender Gehwegbreite – ohne Strafzettel oder Abschleppen.
Die Lage sei so angespannt, dass sich viele Anwohner inzwischen täglich über 30 Minuten mit der Parkplatzsuche beschäftigen müssten und vielfach genötigt würden, ihre Autos ordnungswidrig abzustellen – „inklusive Umparken am frühen Morgen, um die frei werdenden Plätze der ausfahrenden Berufspendler zu nutzen.“ Die Situation „belastet das tägliche Leben, insbesondere von uns Eltern, Älteren und berufstätigen Menschen sehr – und das alles ohne unser eigenes Zutun“, klagen die Unterzeichner.
SPD fordert „echte Parkplatz-Wende“ in der Oberstadt
Und sie stellen eindringliche Fragen an die Stadt: „Warum sprechen einzelne wenige Ortsbeiratsmitglieder informell mit uns – aber nicht der Oberbürgermeister oder die Stadtverwaltung? Was verstehen Sie unter bürgernaher Kommunikation? Welches Konzept hat die Stadt für die Anwohnerparker der Zone O2 – kurzfristig wie mittelfristig? Gibt es denn eines? Und wie können wir es mitgestalten?“ Das Viertel habe durchaus das Potenzial, ein Modell für zukunftsorientierte Stadtentwicklung zu werden, klimaresilient, lebenswert, mobilitätswandel-freundlich. „Wir bitten Sie eindringlich: Reagieren Sie auf diesen Hilferuf. Suchen Sie das Gespräch mit uns“, heißt es weiter: „“Wir wollen eine positive Vision, entwickelt mit den Menschen hier – und nicht über ihre Köpfe hinweg.“
Die SPD in der Mainzer Oberstadt zeigte sich derweil solidarisch mit den Anwohnern am Fichteplatz: „Die Stadt sollte hier die Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohnern ernst nehmen und mehr Wertschätzung für die Bürger zeigen“, sagte der stellvertretende Ortsvorsteher David Wilk (SPD), es brauche schnelle und pragmatische Lösungen, um die angespannte Lage zu entschärfen. „Wir brauchen eine echte Parkplatz-Wende in der Oberstadt – mit einer besseren Kommunikation seitens der Stadt, einem ganzheitlichen Konzept sowie neue Parkplätze“, fügte Wilk hinzu.
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