High Noon für die Citybahn: Das lange geplante Bürgerbegehren zu dem umstrittenen Citybahn-Projekt in Wiesbaden soll nun endlich kommen – und zwar am 1. November. Der 1. November sei wegen der Corona-Pandemie der erste mögliche Termin in diesem Jahr für eine solche Abstimmung, sagte Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende, nun sollen die Wiesbadener an Allerheiligen über das Schicksal der Bahn entscheiden. Mende machte auch klar: Er wolle für das Projekt werben, die Citybahn sei zentral wichtig für die Bewältigung des Verkehrs in der Region: „Das ist kein Projekt gegen Autofahrer, sondern ein Projekt für Mobilität in der Stadt“, betonte Mende.

Die Citybahn soll einmal durch Wiesbaden rollen und auch Mainz und den Taunus anbinden. - Foto: Citybahn GmbH
Die Citybahn soll einmal durch Wiesbaden rollen und auch Mainz und den Taunus anbinden. – Foto: Citybahn GmbH

Die Citybahn sollte eigentlich schon ab 2022 die beiden Landeshauptstädte Mainz und Wiesbaden über die Theodor-Heuss-Brücke hinweg verbinden, besonders für die hessische Landeshauptstadt ist es das zentrale Verkehrsprojekt für das kommende Jahrzehnt. „So, wie der Istzustand ist, kann es nicht weitergehen“, betonte Oberbürgermeister Mende am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Wiesbaden sei stolz auf seine historische Innenstadt, aber für die heutigen Verkehrsmengen sei sie eben nicht gebaut.

Der Magistrat der Stadt machte deshalb am Dienstag den Weg frei für das lange anvisierte Bürgerbegehren: Am 1. November sollen die Wiesbadener nun über die Citybahn zwischen Mainz und Wiesbaden abstimmen. „Ich bin immer dafür eingetreten, dass der nächst mögliche Termin genommen wird“, sagte Mende, ein früherer Termin sei wegen der Corona-Pandemie schlicht nicht möglich gewesen: Man habe bereits im März die Unterlagen für einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung fertig gehabt, betonte Mende. Doch dann kam die Corona-Pandemie – und die Entscheidung des Gesetzgebers, alle Direktwahlen und Bürgerentscheide bis zum 1. November auszusetzen.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Die Linienführung der Citybahn mit möglichen Haltestellen. - Grafik: Stadt Wiesbaden
Die Linienführung der Citybahn mit möglichen Haltestellen. – Grafik: Stadt Wiesbaden

Nun will der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung vorschlagen, den Bürgerentscheid eben am 1. November auszuführen, darüber soll am 2. Juli abgestimmt werden. Er glaube, dass auch in Coronazeiten viele Informationsformate realisierbar seien, auch im Kontakt mit den Bürgern, betonte Mende, vieles könne im Freien stattfinden, „auch wenn die Formate kleiner sein werden.“ Die Stadt werde unmittelbar nach einem Beschluss am 2. Juli – wenn er denn komme – in die breite Information der Bevölkerung gehen, und das auf allen Kanälen. „Ich will informieren und eine positive Grundstimmung wecken“, sagte Mende, „und ich werde keiner Debatte aus dem Weg gehen.“

Denn die Citybahn ist in Wiesbaden weiter hoch umstritten, vielen Bürgern ist die Vorstellung, eine schienengebundene Bahn durch die historischen Straßen rollen zu lassen, ein Dorn im Auge. Auch die Linienführung über Biebrich wird vielfach als unnötig abgelehnt, die Industrie- und Handelskammer sprach sich schon mit großer Mehrheit gegen das Projekt aus: Die Versammlung befürchtet Nachteile für Handel und Wirtschaft. Bürgerinitiativen fordern stattdessen den Ausbau eines leistungsfähigen und umweltfreundlichen Bussystems.

Visualisierung der Citybahn auf der Biebricher Allee. - Grafik: Citybahn GmbH
Visualisierung der Citybahn auf der Biebricher Allee. – Grafik: Citybahn GmbH

Er glaube, dass in Wiesbaden noch sehr viele Bürger dem Projekt Citybahn unentschlossen gegenüberständen, sagte Mende hingegen, um diese Bürger wolle man werben. „Die Citybahn ist kein Allheilmittel“, betonte der OB, „aber sie ist Kernstück und Rückgrat einer zeitgemäßen Mobilität in Wiesbaden.“ Eine Citybahn sei „komfortabel, zuverlässig, nachhaltig und barrierefrei“, die Bahn trage zur Emissionsminderung bei und sei „ein gutes Instrument, um die Pendlerproblematik zu kanalisieren und dem Verkehr abzuhelfen, der durch die Stadt geht.“

Die Citybahn bringe eine dringend notwendige Kapazitätserweiterung, kein anderes Verkehrsmittel  weise vergleichbare Kapazitäten auf. Im Mobilitätsleitbild seien alle Alternativen „umfassend geprüft worden, und zwar von Seilbahnen bis Flugtaxis“, unterstrich Mende weiter: „Es gibt keine Alternative, die dem Vergleich mit der Citybahn wirklich Stand hält.“ Die Bahn sei zudem ein wichtiges Projekt zur Vernetzung der Region zwischen Mainz und Wiesbaden, und die Region wachse. Die Bahn habe auch einen Nutzen für die Menschen, die auf das Auto angewiesen seien, weil sie zur Verkehrsentlastung in Wiesbaden beitrage.

In Wiesbaden kommt der Busverkehr an seine Grenzen. - Foto: ESWE
In Wiesbaden kommt der Busverkehr an seine Grenzen. – Foto: ESWE

„So, wie es ist, kann es nicht weiter gehen – es muss sich etwas ändern“, betonte auch Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne). Wiesbaden sei mit seinem Bussystem an eine Leistungsgrenze gestoßen, „wir brauchen eine Weiterentwicklung mit einem leistungsfähigen ÖPNV“, betonte der Dezernent. Die Corona-Pandemie habe ja gerade zusätzlich noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es sei, ein Verkehrssystem anbieten zu können, das mehr Platz und Komfort anbiete als Busse.

Ein Bürgerentscheid war schon im Februar 2017 beschlossen worden, die Umsetzung verzögerte sich wegen juristischen Tauziehens, aber auch, weil die Stadt lange eine Niederlage befürchtete. Der im April 2017 nach Wiesbaden gewechselte Verkehrsdezernent Kowol schaltete deshalb erst einmal die Entwicklung eines Mobilitätsleitbildes vor die Abstimmung. Nun könne man auch genau die Auswirkungen für Stadtteile und Straßenzüge darlegen, und auch zeigen, wo die Haltestellen sein sollen, sowie über die verkehrliche Entwicklung von Wiesbaden bis 2030 diskutieren, sagte Kowol und betonte: „Ich habe einen großen Optimismus, dass wir diese Abstimmung zugunsten einer Citybahn gewinnen können.“

Umstritten ist in Mainz vor allem die Führung der Citybahn über die Theodor-Heuss-Brücke. - Foto: gik
Umstritten ist in Mainz vor allem die Führung der Citybahn über die Theodor-Heuss-Brücke. – Foto: gik

Verzögert hatte sich das Bürgervotum aber auch im Streit um die genaue Fragestellung, der Wiesbadener Magistrat einigte sich nun auf diese Formulierung: „Soll der Verkehr in Wiesbaden, zur Vermeidung von Staus und weiteren Verkehrsbeschränkungen für den Autoverkehr, durch eine leistungsfähige Straßenbahn (Citybahn) von Mainz kommend durch die Wiesbadener Innenstadt bis Bad Schwalbach weiterentwickelt werden, um Verkehrszuwächse aufzufangen und Umweltbelastungen (Luftverschmutzung, Lärmbelastung) zu verringern?“

Die Formulierung solle das Projekt „in einen Gesamtzusammenhang einordnen, ich halte das ausdrücklich für legitim“, betonte Mende. Die Fragestellung sei ein Kompromiss zur mit dem Städtetag abgestimmten Formulierung, räumte er ein. Die Stadt habe aber das Ziel gehabt, die Formulierung auch nicht zu überfrachten, jetzt sei die Fragestellung „so klar, dass sie jeder Bürger versteht.“ Gleichzeitig werde der Wesenskern unmittelbar und auf den ersten Blick deutlich: „Soll in Wiesbaden eine Citybahn gebaut werden oder nicht“, sagte Mende: „Wir brauchen jetzt eine breite öffentliche Debatte über die Kernfrage: Wie wollen wir Mobilität in dieser Stadt bestmöglich organisieren?“

Info& auf Mainz&: Mainz& hat bereits mehrfach ausführlich über das Projekt Citybahn berichtet, einen grundlegenden Artikel dazu findet Ihr hier bei Mainz&. Das Hickhack über das Bürgerbegehren könnt Ihr hier nachlesen. Mehr über die Mainzer Debatte, insbesondere das Thema Doppeltraktion, findet Ihr hier bei Mainz&. Wo die Citybahn in Mainz langrollen soll, könnt Ihr hier nachlesen. Die offizielle Homepage der Citybahn mit allen Planungen könnt Ihr hier im Internet nachschauen.

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein