Im Juli 2021 fuhr die damalige Vizepräsidentin der Dienstaufsicht ADD, Begona Hermann, in den Urlaub nach Kalifornien – vierzehn Tage nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Nun musste Innenminister Michael Ebling (SPD) am Mittwoch im Innenausschuss des Mainzer Landtags einräumen: Hermann hat offenbar einen dienstlichen Anlass für ihre private Reise vorgeschoben – um überhaupt in der Corona-Zeit ein Visum für die USA erhalten zu können. Gegen Hermann sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, teilte Ebling nun mit. Die CDU-Opposition forderte „ernste Konsequenzen“.

War im Juli 2021 ADD-Vizepräsidentin: Begona Hermann, hier bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss im Januar 2023. - Foto: gik
War im Juli 2021 ADD-Vizepräsidentin: Begona Hermann, hier bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss im Januar 2023. – Foto: gik

Es war Mitte Januar, als im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags zur Flutkatastrophe im Ahrtal ein weiteres Detail in Sachen Krisenmanagement der Landesregierung bekannt wurde: ADD-Vize Begona Hermann, eigentlich Leiterin des Krisenstabes, machte mitten in der Krisenbewältigung der Flutkatastrophe zwei Wochen Urlaub – einen privaten Familienurlaub in Kalifornien.

Schon diese Nachricht hatte für erheblichen Wirbel gesorgt, denn Hermann war eigentlich Leiterin des Krisentabes der ADD, der nach der Flutkatstrophe des 14. Juli 2021 die Aufräumarbeiten im Tal leitete. Gerade in den ersten Wochen nach der Katastrophe funktioniert im Ahrtal wenig: Im Untersuchungsausschuss hatten diverse Zeugen wie Bürgermeister und freiwillige Helfer berichtet, dass von der ADD so gut wie nichts zu sehen gewesen sie, dass Hilfe  nur sporadisch ankam. Von einem „Hügel der Ahnungslosen“ habe man mit Blick auf den ADD Krisenstab gespottet, berichteten die Zeugen.

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Hermann flog am 31. Juli 2021 für zwei Wochen nach Kalifornien

Doch mitten in dieser Lage flog ADD-Vizepräsidentin Begona Hermann am 31. Juli 2021 in Urlaub, für volle zwei Wochen. Die Opposition im Mainzer Landtag hatte das als „instinktloses und unsensibles“ Verhalten kritisiert, das Antreten des Urlaubs sei „unverständlich und unverantwortlich“, kritisierten CDU, Freie Wähler und AfD nach dem bekanntwerden. ADD-Präsident Thomas Linnertz hätte eine Urlaubssperre verhängen müssen, hatte der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, kritisiert.

Hatte Hermanns Urlaub genehmigt: ADD-Präsident Thomas Linnertz. - Foto: gik
Hatte Hermanns Urlaub genehmigt: ADD-Präsident Thomas Linnertz. – Foto: gik

Bei der ADD hatte man den Urlaub hingegen verteidigt: Er sei bereits vor Beginn des Einsatzes im Ahrtal genehmigt worden, „und wurde unter Abwägung der Situation aufrechterhalten.“ Die Abwesenheit der Vizepräsidentin habe „keine nachteiligen Auswirkungen auf die Arbeit der ADD vor Ort“ gehabt, hieß es weiter.

Am Mittwoch dann aber setzte das Innenministerium selbst das Thema Urlaub von Hermann überraschend auf die Tagesordnung eines Sonder-Sitzung des Innenausschusses – dort sollte eigentlich hauptsächlich über den Angriff auf Polizeibeamte vor einer Disko in Trier informiert werden. Doch dann berichtete Innenminister Michael Ebling (SPD) völlig überraschend: ADD-Präsident Linnertz habe am Dienstag ein Disziplinarverfahren gegen die ADD-Vize-Präsidentin a.D. eingeleitet – Hermann war Ende 2022 in den Ruhestand gegangen.

Dienstlicher Anlass konstruiert, um Einreisegenehmigung zu erhalten

Ebling zufolge hatte das Innenministerium den ADD-Präsidenten beauftragt, einen Verdacht mit Blick auf Hermanns Urlaub aufzuklären: „Der Verdacht steht im Raum, dass die politische Beamtin im Ruhestand im Juli 2021 einen dienstlichen Anlass konstruiert haben könnte, um für eine private Reise in die USA eine Einreisegenehmigung von den US-Behörden zu erhalten“, sagte Ebling laut seinem Sprechvermerk im Ausschuss, der Mainz& vorliegt. Im Juli 2021 galten für die Einreise in die USA noch strenge Corona-Beschränkungen, private Reisen in die USA waren zum damaligen Zeitpunkt aufgrund von Corona-Beschränkungen weitgehend untersagt.

Das Ahrtalufer in Altenahr am 28. Juli 2021. - Foto: gik
Das Ahrtalufer in Altenahr am 28. Juli 2021. – Foto: gik

Hermann jedoch gab den US-Behörden gegenüber einen dienstlichen Grund für ihre Reise an: Sie habe nach derzeitigem Kenntnisstand „einen Austausch mit einer US-amerikanischen Universität zum Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe, und der Vorsorge für die Zukunft als Begründung für die private Reise angegeben, um eine Einreisegenehmigung erhalten zu können“, so der Innenminister. Ebling musste zudem einräumen: „Ohne diese Genehmigung mit Hilfe eines dienstlichen Anlasses wäre die Reise vermutlich nicht möglich gewesen.“

Offenbar nahm Hermann aber während ihrer Reise gar keine beruflichen Termine wahr, denn Ebling gab im Ausschuss weiter bekannt: „Sollte sich der in Rede stehende Vorwurf bestätigen, wäre ein solches Verhalten in aller Deutlichkeit zu missbilligen.“ Dies müsse nun im Rahmen des angestoßenen Disziplinarverfahrens aufgeklärt werden. ADD-Präsident Linnertz sei „nicht in den Vorgang eingebunden“ gewesen, betonte Ebling zugleich. Linnertz habe sich zu dieser Zeit „ständig im Ahrtal aufgehalten“ und „die extrem herausfordernde Aufgabe als Gesamteinsatzleiter übernommen. Er kümmerte sich daher ausschließlich um die Krisenbewältigung“, betonte der Minister.

Baldauf: Flutkatastrophe als Reisegrund „ist blanker Zynismus“

Tatsächlich aber haben Visaangelegenheiten für die USA in der Regel einen Vorlauf von mindestens zwei bis drei Wochen, wann genau Hermann das Visum beantragte, sagte der Innenminister nicht – offenbar aber war die Flutkatastrophe da schon passiert, sonst hätte Hermann sie nicht als Grund für eine Dienstreise angeben können. Zudem hatte Hermann aus Kalifornien Email-Kontakt mit ihrem Chef, so schrieb sie am 6. August an Linnertz: „Es ist sehr schön hier mit meiner Familie, aber ich denke natürlich auch viel an das Ahrtal und unsere Arbeit dort.“

Zerstörte Brücke in Altenahr im Herbst 2022 - mehr als ein Jahr nach der Flutkatastrophe. - Foto: gik
Zerstörte Brücke in Altenahr im Herbst 2022 – mehr als ein Jahr nach der Flutkatastrophe. – Foto: gik

Die CDU-Opposition zeigte sich entsetzt nach Bekanntwerden der Vorwürfe: „Sollten sich die Vorwürfe gegen die ehemalige Vizepräsidentin der ADD bestätigen, muss das ernste Konsequenzen haben“, forderte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf: „Wenn sie tatsächlich einen dienstlichen Grund erfunden hat, um in die USA einreisen zu können, wäre das blanker Zynismus.“ Wenn Hermann tatsächlich ausgerechnet den Wiederaufbau der Flutkatastrophe als Grund für einen vorgeblichen Austausch mit einer amerikanischen Universität vorgeschoben habe, um die Reise überhaupt antreten zu können, „wäre das Hohn und Spott gegenüber den Betroffenen der Flutkatastrophe im Ahrtal.“

Bei Vernehmung vor Untersuchungsausschuss Ahrtal geschwiegen

Begona Hermann bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags am 20. Januar 2023. - Foto: gik
Begona Hermann bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags am 20. Januar 2023. – Foto: gik

Zudem stelle sich die Frage, warum Hermann zu diesem Sachverhalt bei ihrer Befragung im Untersuchungsausschuss Mitte Januar nicht gesagt habe, fragte Baldauf weiter – Hermann hatte in der Sitzung auf Nachfrage der CDU überhaupt erst die Reise einräumen müssen. ADD-Präsident Linnertz müsse sich „die Frage gefallen lassen, wieso er sich hinter Herrmann stellte und ihren Urlaub genehmigte“, sagte Baldauf, und weiter: Auch die Rückendeckung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Innenminister Ebling „für Linnertz und die Vorgänge in der ADD erscheinen in immer fragwürdigerem Licht.“

Sollte Hermann tatsächlich wissentliche Falschangaben gegenüber den US-Behörden gemacht haben, könnte das zudem für sie selbst auch erhebliche Konsequenzen haben: Die US-Behörden verstehen in der Regel gerade bei Visa-Angaben keinen Spaß. Bei einer absichtlichen Falschdarstellung von wesentlichen Tatsachen können die US-Behörden grundsätzliche Einreisverbote verhängen – als wesentliche Tatsache gilt dabei, wenn sich die Person bei der Angabe der wahren Tatsachen nicht für ein Einreisevisum qualifizieren würde. Das könnte bei Hermann durchaus der Fall gewesen sein: Die strengen Corona-Einreisebestimmungen in die USA wurden erst im November 2021 aufgehoben.

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Info& auf Mainz&: Wie der Urlaub der ADD-Vizepräsidentin im Juli 2021 heraus kam, haben wir hier bei Mainz& berichtet. Mehr zu den Reaktionen darauf, lest Ihr hier auf Mainz&.