Sie waren alle hier: Umberto Eco und George W. Bush, Queen Elizabeth und die erste Mainzer Weinkönigin – das Gutenberg-Museum in Mainz ist wahrlich ein Hotspot von Prominenten. 60 Jahre lang kamen Politiker und Präsidenten, Schauspieler und sogar Royals zu Besuch – und sie alle trugen sich in das Gästebuch des Weltmuseums der Druckkunst ein. Zum Abschied aus dem Schellbau erzählt nun eine Ausstellung die Geschichten hinter den Unterschriften.

Umberto Eco bei seinem Besuch im Mainzer Gutenberg-Museum - und sein Eintrag ins Gästebuch damals. - Foto: gik
Umberto Eco bei seinem Besuch im Mainzer Gutenberg-Museum – und sein Eintrag ins Gästebuch damals. – Foto: gik

„Et in Arcadia ego“, schrieb Umberto Eco, es war das wohl höchste Lob, das der Schriftsteller und Sprach-Philosoph zu vergeben hatte. Es war im Oktober 2014, und Eco hinterließ diese Zeilen nach seinem Besuch im Mainzer Gutenberg-Museum – in einem ganz besonderen Buch: „Auch ich bin in Arkadien gewesen“, hinterließ der berühmte Gelehrte den Mainzern, was so viel bedeutet wie: Auch ich habe das Paradies gesehen.

Die wunderbare Widmung ist nun Teil einer ganz besonderen Ausstellung in dem Museum am Liebfrauenplatz, wo sich sonst alles um historisch-ehrwürdige Bücher dreht: „Hotspot Gutenberg-Museum – Hoher Besuch in Rheinland-Pfalz“ erzählt die Geschichte des Gästebuches des Weltmuseums der Druckkunst.

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„Das Gästebuch wurde genau vor 60 Jahren erstmals aufgeschlagen“, erklärte Museumsdirektor Ulf Sölter am Dienstagabend bei der Vernissage zur Ausstellung. 1962 wurde der neue Schellbau eingeweiht, der Betonbau war damals das Modernste vom Modernen, und verschaffte dem Gutenberg-Museum eine neue Heimat. „Zum Einzug wurde ein neues Gästebuch geöffnet“, berichtete Sölter – fortan trugen sich sechs Jahrzehnte lang prominente und weniger prominente Gäste in das Buch zur Erinnerung ein.

Das Gästebuch des Gutenberg-Museums im Original. - Foto: gik
Das Gästebuch des Gutenberg-Museums im Original. – Foto: gik

Eine „beachtliche Zahl“ an Einträgen sei dabei zusammengekommen, sagte Sölter, wie viele genau es sind, wissen sie hier gar nicht zu sagen – einige Hundert werden es auf jeden Fall sein. Darunter sind hohe Besucher wie der US-Präsident George W. Bush, der mit seiner Frau Laura 2005 Mainz einen Besuch abstattete – weil er den Dom, aber vor allem auch die berühmte Gutenberg-Bibel sehen wollte.

1994 war der damalige russische Präsident Michael Gorbatschow samt seiner Frau Raissa zu Besuch, auch der Chef der Europäischen Zentralbank und „Monsieur Euro“, Jean-Claude Trichet, trug sich in das Buch der Gäste ein. Natürlich sind hier auch deutsche Bundespräsidenten verewigt, ebenso EX-Kanzlerin Angela Merkel (CDU), aber auch Schauspieler wie Joachim Krol oder die Frau des berühmten Malers Marc Chagall, Valentina „Vava“ Chagall.

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„Diese Ausstellung ist der Beitrag des Gutenberg-Museums zum Jubiläumsjahr 75 Jahre Rheinland-Pfalz“, sagte Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) zur Ausstellungseröffnung. Am 18. Mai 2022 hatte sich die Verabschiedung der Landesverfassung zum 75. Mal gejährt, in diesen 75 Jahren habe das Land zahlreiche Persönlichkeiten willkommen heißen dürfen, sagte Grosse.

Kuratorin Anett Göthe vor einer der Präsentationstafeln in der Ausstellung. - Foto: gik
Kuratorin Anett Göthe vor einer der Präsentationstafeln in der Ausstellung. – Foto: gik

Viele Besucher kamen, um die Wiege der modernen Druckkunst zu bestaunen, war es doch in Mainz, dass im 15. Jahrhundert der Drucker Johannes Gensfleisch zu Gutenberg den Druck mit beweglichen Lettern erfand – und damit nicht nur die Druckkunst, sondern auch gleich die Welt des Wissens revolutionierte.

„Die Gäste gaben vielfach mit einem Eintrag ins Gästebuch ihrer Begeisterung Ausdruck“, sagte Grosse: „Damit schrieben sie sich auch in das kollektive Gedächtnis der Mainzer und der Rheinland-Pfälzer ein.“ So sei das Buch „ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur“ des Landes geworden. Die Ausstellung fächert nun dieses Kaleidoskop von Erinnerungen auf, optisch zieht sich das Merkmal des aufgeschlagenen Buches durch die kleine Schau.

 

Durch die Geschichten hinter den Unterschriften kann man sich indes hochgradig modern an einem Touch-Medientisch blättern: Auf Fingerdruck öffnen sich hier Erzählungen und Fotos zu den verschiedenen Besuchern. Einige Objekte erinnern dazu an machen einen Besucher – so etwa ein Mainzer Gullideckel an die irrsinnigen Sicherungsmaßnahmen beim Bush-Besuch. Ein Hingucker ist ein grün schimmerndes Abendkleid – es gehörte Elke Heil, die 1969 als Elke Fatho erste Mainzer Weinkönigin war. Ihre Geschichte können die Besucher auch mit einem Interview nacherleben.

Blättern durch die Geschichten hinter den Unterschriften: am Touch-Medientisch in der Ausstellung. - Foto: gik
Blättern durch die Geschichten hinter den Unterschriften: am Touch-Medientisch in der Ausstellung. – Foto: gik

„Als ich das erste Mal in dem Gästebuch zu blättern begann, konnte ich erfahren, welche bedeutende Persönlichkeiten schon hier waren“, berichtete die Kuratorin der Ausstellung, Museums-Vizedirektorin Anett Göthe: Botschafter, Wirtschaftslenker, aber auch Schriftsetzer und Typographen, Wissenschaftler und Politiker, sie alle hinterließen ihre Spuren. „Ich entdeckte Geschichten, die mich zum Schmunzeln brachten, aber auch zu Tränen rührten“, berichtete Göthe.

Zu Tränen rührte vor allem die Geschichte von Hans Peter Kraus, einem österreichischen Buchhändler: „Er wurde von den Nazis verhaftet, nach Dachau und dann nach Buchenwald gebracht“, berichtete Göthe. Nach acht Monaten wurde Kraus freigelassen, kehrte nach Wien zurück, verkaufte sein Geschäft und emigrierte über Stockholm in die USA. In New York eröffnete er erneut ein Antiquariat, und durch die Hände des Sammlers gingen einige der wertvollsten Bücher der Menschheitsgeschichte, wie Wikipedia zu berichten weiß: Evangelien- und Stundenbücher, seltene Erstausgaben der „Canterbury Tales“ – und Gutenberg-Bibeln.

 

1978 hatte Kraus ein ganz besonderes Exemplar im Angebot: das Shuckburgh-Exemplar, eine zweibändige Gutenberg-Bibel, gedruckt zwischen 1452 und 1454. Zehn Millionen Schweizer Franken habe Kraus als Preis für die wertvolle Bibel aufgerufen, berichtete Göthe: „Aufgrund des überhöhten Preises vermutetet man, dass Kraus die Bibel gar nicht verkaufen wollte – oder nur an einen ganz besonderen Käufer.“ Den besonderen Käufer fand er am 26. April 1978: Für 3,6 Millionen D-Mark erwarb die Stadt Mainz die Bibel für das Gutenberg-Museum, wo sie heute das wertvollste Exponat ist.

Das Kleid der ersten Mainzer Weinkönigin ist in der Ausstellung zu sehen. - Foto: gik
Das Kleid der ersten Mainzer Weinkönigin ist in der Ausstellung zu sehen. – Foto: gik

Am 23. Mai 12978 übergab niemand geringeres als die britische Queen Elizabeth II. das zweibändige Exemplar symbolisch der Öffentlichkeit – der Besuch der Queen und ihres Mannes, Prinz Philipp, im Gutenberg-Museum ging in das kollektive Gedächtnis der Mainzer ein. Am 5. Juni 1959 jedoch kam Buchhändler Kraus zu Besuch nach Mainz, und schrieb in das Gästebuch des Museums: „Es ist ein großer Moment in meinem Leben, die Gutenberg Bibel zu besuchen, die von mir kommt – sie hat nun ein sehr gutes Zuhause.“

„Für unsere Ausstellung haben wir in der Vergangenheit geblättert“, sagte Direktor Sölter, doch das Kapitel des Schellbaus gehe nun zu Ende: Kommendes jahr soll das Gutenberg-Museum in sein provisorisches Ausweichquartier im Naturhistorischen Museum umziehen – der 60 Jahre alte, marode Schellbau wird abgerissen. An seiner Stelle wird ein hochmoderner Neubau für das Gutenberg-Museum entstehen, die Pläne wurden Ende Oktober vorgestellt.

„Ein Kapitel in der Geschichte geht zu Ende“, betonte Sölter: „Mit dem Auszug aus dem Schellbau ins Übergangsquartier schließen wir das Gästebuch.“ Natürlich werde es in dem neuen Quartier und erst recht im neuen Museum ein neues Gästebuch geben: „Ein neues Kapitel beginnt, die Geschichte wird weitergeschrieben“, sagte Sölter. Bis dahin aber können die Mainzer in dem alten Buch blättern – die Ausstellung „Hotspot Gutenberg-Museum“ läuft bis zum 4. Juni 2023.

Info& auf Mainz&: Die Homepage des Gutenberg-Museums mit allen Infos zu Öffnungszeiten findet Ihr hier im Internet. Wir freuen uns sehr, dass auch ein Foto von Mainz& Teil der Ausstellung ist: Es zeigt Umberto Eco im Gutenberg-Museum an der Druckerpresse – die Geschichte dazu findet Ihr hier bei Mainz&.

Eine besondere Veranstaltung zur Ausstellung „Hotspot Gutenberg-Museum“ gibt es am Donnerstag, den 26. Januar 2023 um 18.00 Uhr: Dann wird ein Booklet mit ausgewählten Geschichten zu Persönlichkeiten aus dem Gästebuch vorgestellt – und dazu gibt es ein Gespräch mit der ersten Mainzer Weinkönigin.