Die Zahl der Infektionen mit dem neuen Coronavirus steigt weiter dramatisch an, zur Eindämmung der Pandemie setzen Bund und Länder nun auf ein Kontaktverbot: Ab Mitternacht sind Personengruppen von mehr als zwei Menschen verboten, und zwar im öffentlichen wie im privaten Raum, Familien ausgenommen. Damit soll die anhaltend rasante Ausbreitung des Coronavirus unterbunden werden. Die Gefahr gehe von häufigem unmittelbarem sozialen Kontakt aus, der dem Virus eine unkontrollierte Verbreitung ermögliche, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Sonntag in Mainz: „Deswegen beschränken wir diesen stark.“

Menschengruppen verboten - so soll die Zunahme der Infektionen durch das Coronavirus endlich gestoppt werden. - Foto: gik
Menschengruppen verboten – so soll die Zunahme der Infektionen durch das Coronavirus endlich gestoppt werden. – Foto: gik

Damit dürfen sich ab Mitternacht Gruppen von mehr als zwei Personen nicht mehr treffen, das gilt sowohl für den öffentlichen, als auch für den privaten Raum. Das Verlassen der eigenen Wohnung sei nur noch in Begleitung maximal einer weiteren Person, oder in Begleitung von Personen des eigenen Hausstands erlaubt, sagte Dreyer nach einer Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Ländern. In der Öffentlichkeit sei außerdem, wo immer möglich, zu anderen als den Angehörigen des eigenen Hausstands, ein Mindestabstand von mindestens 1,5 Metern einzuhalten. Die Regelungen gelten zunächst für mindestens zwei Wochen.

Eine Ausgangssperre wie sie in Bayern oder dem Saarland bereits gilt, wird damit bundesweit erst einmal nicht verhängt. Bürger dürfen weiter zur Arbeit oder zum Einkaufen gehen, Arzt oder Apotheke aufsuchen. Auch Spazierengehen oder Sporttreiben im Freien ist weiter erlaubt – aber eben nur maximal zu zweit. Frisöre sollen nun bundesweit schließen, dazu auch Kosmetikstudios, Massagestudios oder Tatoostudios. Medizinisch notwendige  Behandlungen bleiben erlaubt, auch Optiker und Hörgeräteakustiker dürfen weiter Kunden empfangen. Die Gastronomie wird nun komplett geschlossen, ausgenommen sind nur die Lieferung oder das Abholung von Speisen.

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Vergleich im Anstieg der Coronavirus-Infektionen zwischen den Ländern. - Quelle: Kurt Eichenwald via Twitter
Vergleich im Anstieg der Coronavirus-Infektionen zwischen den Ländern. – Quelle: Kurt Eichenwald via Twitter

Die Politik zieht damit die Konsequenzen aus den rasant weiter steigenden Infektionszahlen mit dem neuen Coronavirus. Die Zahl der gemeldeten Fälle stieg am Sonntag nach Angaben der Johns Hopkins Universität am Nachmittag auf mehr als 316.000 Infizierte und knapp 14.000 Tote. In Italien waren es mehr als 53.500 Inifzierte, hier gibt es zudem inzwischen 4.825 Tote – mehr als in der chinesischen Provinz Hubei, wo die Pandemie ihren Ursprung hatte. Spanien liegt inzwischen mit mehr als 28.500 Infizierten und 1.720 Toten auf Platz drei. In Deutschland stieg die Zahl der Infizierten ebenfalls erheblich auf inzwischen 23.921, hier gibt es inzwischen 92 Tote.

In Rheinland-Pfalz meldete das Gesundheitsministerium am Sonntagnachmittag 1.149 Fälle, am Vortag waren es noch 1.062 gewesen. In Mainz gibt es damit inzwischen 81 Infizierte, im Kreis Mainz-Bingen 54, aber noch keinen Toten. In Hessen werden inzwischen 1.267 Fälle gemeldet, im Nachbarland gibt es drei Tote.

„Wir befinden uns in einer sehr historischen Situation“, betonte Dreyer am Sonntag. Die alarmierende Lage in anderen EU-Ländern, insbesondere in Italien und Frankreich zeige: „Es geht letztlich um Leben und Tod.“ Deshalb sei es notwendig, die Maßnahmen zu erweitern. „Damit wollen wir die Infektionskurve abflachen, damit auch bei hohen Krankheitsfällen stets genügend Intensivplätze zur Verfügung stehen und die gesundheitliche Versorgung weiterhin gesichert bleibt“, betonte Dreyer: „Die Gefahr ist der häufige unmittelbare soziale Kontakt, der dem Virus eine unkontrollierte Verbreitung ermöglicht, deswegen beschränken wir diesen stark.“ Dabei sei es egal, ob der Kontakt im öffentlichen Raum oder im häuslichen Umfeld stattfinde.

Ministerpräsidentin Malu Deyer (SPD) am Sonntag bei der Verkündung der Kontaktbeschränkungen. - Foto: Pulkowski, Staatskanzlei
Ministerpräsidentin Malu Deyer (SPD) am Sonntag bei der Verkündung der Kontaktbeschränkungen. – Foto: Pulkowski, Staatskanzlei

Die Bürger werden deshalb nun angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. In der Öffentlichkeit ist, wo immer möglich, zu anderen als den Angehörigen des eigenen Hausstands, ein Mindestabstand von mindestens 1,5 Metern einzuhalten. „Gruppen feiernder Menschen  auf öffentlichen Plätzen, in Wohnungen oder Einrichtungen sind absolut inakzeptabel“, machte Dreyer klar. Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet. Das soll aber auch für den privaten Bereich gelten.

„Natürlich können wir das im privaten Bereich nicht überprüfen“, räumte Dreyer ein, es gehe aber um das klare Signal, dass die Reduzierung der sozialen Kontakte draußen wie drinnen unbedingt notwendig sei. „Uns ist bewusst, dass das den Alltag unsere Bürger einschneidend verändert“, betonte die Ministerpräsidentin weiter, „wir sehen aber, wie rasant und wie tödlich die Folgen sein können – der Verzicht auf Kontakt heute kann morgen Leben retten.“

Die Bundesländer hatten zudem mit dem Bund um eine einheitliche Regelung gerungen, nachdem am Freitag das Bundesland Bayern vorgeprescht war und eine Ausgangssperre verhängt hatte. Dabei dürfen Bürger ihre Wohnung nur noch aus triftigen Gründen verlassen – das ist beim Kontaktverbot nicht der Fall. Bürger in Rheinland-Pfalz und Hessen dürfen nun weiterhin zur Arbeit oder zur Notbetreuung gehen, Einkäufe oder Arztbesuche erledigen, aber auch an notwendigen Sitzungen, erforderlichen Terminen und Prüfungen teilnehmen. Individueller Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie andere notwendige Tätigkeiten bleiben weiter möglich – allerdings immer nur maximal zu zweit oder im Familienverband.

Nun werden Gaststätten bundesweit ganz geschlossen, ebenso die Frisöre. - Foto: gik
Nun werden Gaststätten bundesweit ganz geschlossen, ebenso die Frisöre. – Foto: gik

Eine Ausgangssperre lege den Fokus „auf etwas anderes“, sagte Dreyer dazu, zudem hätten die Länder und der Bund eine einheitliche Regel finden wollen. „In dieser Zeit der maximalen Verunsicherung haben wir heute noch einmal bekräftigt, größtmögliche Klarheit schaffen zu wollen“, sagte sie. Am Wochenende hatten 16 renommierte Forscher in einer gemeinsamen Stellungnahme der Nationalakademie Leopoldina einen bundesweiten kompletten Shutdown für drei Wochen gefordert.

Das Coronavirus breite sich weltweit „mit sehr hoher Dynamik aus“, heißt es in der Stellungnahme, die Ihr hier herunterladen könnt. „Diese hochdynamische und so noch nicht dagewesene Situation birgt Unsicherheiten und erfordert unkonventionelle Lösungen“, fordern die Wissenschaftler, darunter die Leitung der Leopoldina sowie der renommierte Virologe Christian Drosten, es sei eine „wissenschaftlich und kontinuierlich abgestimmte Vorgehensweise notwendig.“

Warum der Stopp des steilen Anstiegs der Ausbreitung so wichtig ist, zeigt diese Grafik des Heutejournals mit Claus Kleber. - Screenshot: gik
Warum der Stopp des steilen Anstiegs der Ausbreitung so wichtig ist, zeigt diese Grafik des Heutejournals mit Claus Kleber. – Screenshot: gik

Um besonders gefährdete Personengruppen schützen zu können brauche es nun einen bundesweiten temporären Shutdown von drei Wochen, fordern die Wissenschaftler weiter. Auch fordern sie in dem Schreiben bessere Bereitstellung von Telefonhotlines sowie dringend eine Ausweitung der „noch sehr begrenzten Test-und Laborkapazitäten“, diese müssten „kurzfristig hochgefahren werden, was in einem Land wie Deutschland bei entsprechenden technischen Kapazitäten und klaren politischen Vorgaben möglich ist.“

Im Norden von Rheinland-Pfalz, in der Region Koblenz, brach etwa am Sonntag die zentrale Telefonberatungsstelle 116117 völlig unter den Anrufen zusammen, die Polizei rief die Bürger auf, nicht den Polizeinotruf 110 mit Fragen zum Coronavirus lahm zu legen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte zudem am Wochenende gerügt, in Europa werde viel zu wenig getestet, das gilt auch für Deutschland: Mediziner und Virologen fordern schon seit einigen Wochen, in Deutschland müsse dringend mehr getestet werden, um Infektionsherde besser lokalisieren und eindämmen zu können. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hält aber noch immer an seiner Anweisung fest, Verdachtsfälle nur dann zu testen, wenn schwere Symptome der Lungenkrankheit Covid-19 auftreten.

Das Mainzer Innenministerium wies zudem am Sonntag darauf hin, dass der Grenzübertritt nach Frankreich nur noch an einzelnen festgelegten Grenzübergängen zulässig ist. Das geschehe auf Anordnung des Bundes. Geöffnet bleiben demnach nur die Land-Grenzübergangsstellen Bienwald, Schweigen und Hornbach, sie werden durch die Bundespolizei gesichert. „Bitte richten Sie sich dort auf längere Wartezeiten ein“, hieß es aus dem Mainzer Innenministerium. Die weiteren Grenzübergangsstellen entlang der rheinland-pfälzischen Landesgrenze würden nunmehr mit sofortiger Wirkung ebenfalls vorübergehend durch bauliche und technische Sperren beidseitig geschlossen. Ziel sei, die Maßnahmen zur Einschränkung des grenzkontrollfreien Reisens innerhalb des Schengenraums zu verdichten und den unkontrollierten Grenzübertritt zu verhindern.

Deutschland und die EU hatten am 18. März ihre Außengrenzen weitgehend geschlossen, die Grenzen nach Frankreich dürfen seither nur noch Pendler zur Arbeit mit Passierschein sowie Warentransporte per Lkw passieren. Mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.

Info& auf Mainz&: Alle Regelungen, die nun gelten – Ausgangssperre in Bayern, Kontaktsperre bundesweit – haben wir noch einmal übersichtlich hier aufgelistet. Alle Informationen, Meldungen und Hintergründe zur Coronavirus Epidemie findet Ihr ab sofort auf unserer Sonderseite „Alles zum Coronavirus“ genau hier bei Mainz&. Warum diese Maßnahmen so wichtig sind: Mehr zum Prinzip der Verlangsamung der Pandemie und zu #flattenthecurve lest Ihr hier bei Mainz&.

 

 

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