UPDATE& — Es ist eines der großen Verkehrsprobleme in Mainz: die Abbiegespur am Pariser Tor von der Geschwister-Scholl-Straße in Richtung Bretzenheim. Seit die Stadt Mainz im Juli 2020 den Linksabbieger auf nur noch eine Spur reduzierte, staut sich der Verkehr hier regelmäßig bis zur Berliner Siedlung – in schlimmsten Fällen herrscht sogar ein Mega-Stau bis zurück nach Hechtsheim. Der Verein „Unser Mainz in Rheinhessen“ fordert nun endlich Abhilfe – und plädiert an Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos), endlich für ein echtes Verkehrskonzept mit klugen Planungen, Datenbasis und mehr Verkehrsfluss zu sorgen. UPDATE&: Am Freitag kam es prompt zu einem schweren Unfall an genau dieser Kreuzung.

Seit der Linksabbieger am Pariser Tor nur noch eine Spur hat, bilden sich hier regelmäßig episch lange Staus. - Foto: gik
Seit der Linksabbieger am Pariser Tor nur noch eine Spur hat, bilden sich hier regelmäßig episch lange Staus. – Foto: gik

Es war am 6. Juli 2020, als der Ortsvorsteher der Mainzer Oberstadt, Daniel Köbler (Grüne), jubelte: „Sehr gut! Die Busspur an der Geschwister-Scholl-Straße wurde wieder markiert.“ Was den Grünen so begeisterte, führt seit drei Jahren allerdings zu Bega.-Staus und einem erheblichen Verkehrschaos, das inzwischen ganze Teile der Mainzer Oberstadt lahm legt: Die Abbiegespur am Pariser Tor von der Geschwister-Scholl-Straße nach links in die Pariser Straße.

Bis Juli 2020 gab es hier zwei Abbiegespuren, dann wies die damalige Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) eine zusätzliche Busspur an der Kreuzung aus – und reduzierte den Linksabbieger in Richtung Pariser Straße von einer auf zwei Spuren. Seither herrscht hier praktisch jeden Tag Ausnahmezustand: „Ab 15.30 Uhr, 16.00 Uhr ist dort Stau“, berichtet Ulrich Drechsler vom Verein „Unser Mainz in Rheinhessen“, und dieser Stau habe horrende Ausmaße. „Wir haben uns mal hingestellt und gezählt: Die Autos brauchen bis zu sieben Ampelphasen, bis sie drüberkommen“, berichtet Drechsler.

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Rückstau bis Hechtsheim, viel zu kurze Grünphase

Tatsächlich staut sich in Hochzeiten der Verkehr hier bis zur Berliner Siedlung zurück, mindestens: Bis nach Hechtsheim und sogar zur Autobahnauffahrt reiche der Stau zeitweise zurück, klagt der Verein. Der Grund: Der Linksabbieger ist für viele Mainzer die einzige Möglichkeit, um aus Richtung Hechtsheim nach Bretzenheim und Zahlbach, zur Mainzer Universität oder auch schlicht auf den Autobahnzubringer Pariser Straße und weiter hinaus nach Rheinhessen zu kommen. Gleichzeitig lassen die Ampelschaltungen für den Linksabbieger lediglich drei Autos bei einer Grünphase durch, das Ergebnis: Der Stau kann nicht abfließen, und blockiert oft auch die zwei Fahrspuren in Richtung Innenstadt.

Wegen der Großbaustelle auf dem Mainzer Ring, der A60, und am AK Mainz-Süd spricht die Stadt von Schleichverkehr am Pariser Tor. - Foto: gik
Wegen der Großbaustelle auf dem Mainzer Ring, der A60, und am AK Mainz-Süd spricht die Stadt von Schleichverkehr am Pariser Tor. – Foto: gik

Die Stadt Mainz argumentiert indes bis heute, die Reduzierung des Linksabbiegers solle „Schleichverkehr“ unterbinden, der von überregionalen Autofahrern herrühre, die Stau auf dem Mainzer Ring rund um das Autobahnkreuz Mainz-Süd umfahren wollten. Erwiesen ist das nicht: Die Verkehrsprobleme am Pariser Tor würden vielmehr durch zahlreiche neue Wohngebiete wie auf dem Rodelberg oder das Heiligkreuz-Areal sowie durch neue Arbeitsplätze in der Oberstadt deutlich verschärft, klagt Drechsler: „Die Leute haben doch gar keine andere Chance.“ Einer Lösung verweigere sich die Stadt aber: „Man unternimmt nichts, um Abhilfe zu schaffen.“

Tatsächlich gibt es seit drei Jahren regelmäßig Anfragen und Anträge aus dem Ortsbeirat in der Oberstadt: „Die Erwartung, dass sich die Situation verbessert, hat sich nicht erfüllt.“, klagte etwa im März dieses Jahres die FDP im Ortsbeirat: Die Baustelle auf der A60 existiere immer noch, die Staus ebenso. Schon im November 2021 hatte die FDP kritisiert: Es mache doch keinen Sinn, „an einer offenbar erfolglosen ‚Lösung‘ festzuhalten.“

UPDATE&: Just am Donnerstagabend kam es an genau dieser Kreuzung zu einem schweren Unfall zwischen einem PKW und einer Straßenbahn. Der Fahrer des PKWs wollte nach links auf die Pariser Straße abbiegen, als die Nachbarampel in Richtung Innenstadt auf Grüne sprang – der 36-Jährige fuhr los, obwohl seine eigene Ampel noch auf Rot stand, und kollidierte mit einer entgegen kommenden Straßenbahn. Ob Frust bei dem Autofahrer ein Grund für den „Frühsrtart“ war, teilte die Polizei nicht mit.

Stau legt Verkehr in der gesamten Mainzer Oberstadt lahm

Auch weitere Gewerbetreibende des Vereins „Unser Mainz in Rheinhessen“ berichten, welche gravierenden Auswirkungen der Ampel-Rückstau inzwischen hat: Der Stau sorge inzwischen bis weit hinein in die Parallel- und Seitenstraßen für Verkehrschaos, und lege zum Teil das gesamte Wohnviertel in der Oberstadt bis nach Weisenau lahm, berichtet etwa der Mainzer Juwelier Jan Sebastian: „Man kommt nirgendwo mehr durch, teilweise braucht man 25 Minuten für das erste Stück bis zur Kreuzung.“

Zusätzliche Busspur statt Linksabbieger: Links Stau, rechts viel Platz - gewollt? - Foto: gik
Zusätzliche Busspur statt Linksabbieger: Links Stau, rechts viel Platz – gewollt? – Foto: gik

„Die Stadt muss sich ein neues Konzept für den Knotenpunkt überlegen“, fordert Drechsler nun – der Verein will sich nun an den neuen Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) wenden. „Wir wollen den neuen Ob sensibilisieren, sich dem Thema noch einmal speziell zu widmen“, sagt Drechsler. Der Vorschlag des Vereins laute: eine Rückkehr zur zweispurigen Abbiegespur. Warum probiere man nicht einfach aus, wie sich der Verkehr entwickele, wenn die Autos ein Vierteljahr lang wieder auf zwei Spuren abbiegen könnten, fragt Drechsler. Die Busspur werde kaum von Bussen genutzt – und die ständen nun auch im Rückstau durch die Abbiegespur.

Überhaupt sei der mangelnde Verkehrsfluss in Mainz ein Dauerbrenner, sagen die Vereinsmitglieder, die zum Großteil Gewerbetreibende aus der Innenstadt sind. Auf der Rheinallee „kriegen wir immer noch keinen Verkehrsfluss hin“, kritisierte Sebastian weiter: Gerade habe er dort an sieben roten Ampeln hintereinander gestanden. „Nur wenn ich verkehrswidrig schneller fahre als Tempo 30, habe ich eine grüne Welle“, kritisierte er – und das, obwohl doch gerade Rheinallee und Rheinstraße die Hauptproblemzonen in Sachen Stickoxidbelastung in der Innenstadt seien.

Stopp & Go in der Reinallee, Kunden aus dem Umland bleiben aus

„Da herrscht in Hochzeiten nur noch Stopp und Go“, kritisiert Sebastian. Das Ergebnis: Für die Mainzer, die sich auskennen, sei es inzwischen wieder eine Alternative, durch die Wohngebiete der Mainzer Neustadt zu fahren. Das sei auch für die Attrak5tivität der Innenstadt ein Problem, betont Drechsler: Mainz müsse als Oberzentrum und Einkaufszentrum noch attraktiv für Kunden aus dem Umland bleiben. Das aber werde zunehmend schwierig, berichten sie hier: Gerade Boutiquen in der Altstadt klagten, die Lage sei ausgesprochen schwierig, die Kunden blieben aus.

Das Schillerdenkmal auf dem Mainzer Schillerplatz von hinten: Drehen die Kunden Mainz den Rücken zu? - Foto: gik
Das Schillerdenkmal auf dem Mainzer Schillerplatz von hinten: Drehen die Kunden Mainz den Rücken zu? – Foto: gik

Auch er merke den Kundenrückgang der letzten Zeit, sagte Sebastian, der das alteingesessene Juweliergeschäft Willenberg leitet. „Ich habe viele Kunden aus dem rheinhessischen Hinterland“, sagt er – doch die blieben wegen der angespannten Verkehrssituation zunehmend aus. „Wir brauchen diese Kunden, wir können von den Mainzern allein nicht leben“, unterstreicht Sebastian: Wenn die Einkaufswilligen aus dem Umland zu oft frustriert würden, „suchen die sich nicht andere Wege, in die Stadt zu kommen – die suchen sich eine andere Stadt.“

Den Verkehr in Mainz zu reduzieren sie „völlig in Ordnung“, sagt der Einzelhändler, aber dann müsse man auch Angebote schaffen für Wege in die Stadt: Park and Ride am Stadtrand, kostenlose Shuttlebusse in die Stadt, eine gute ÖPNV-Anbindung der rheinhessischen Nachbargemeinden.  „Die Leute müssen in Mainz schnell in die Parkhäuser kommen, und nicht ständig vor roten Ampeln stehen“, kritisiert Sebastian.

Auch im Mainzer Zollhafen entstehen ständig weitere neue Wohnungen. - Foto: gik
Auch im Mainzer Zollhafen entstehen ständig weitere neue Wohnungen. – Foto: gik

Es brauche ein Verkehrskonzept für Mainz, und das auf einer soliden Datenbasis, fordert der Verein: Wo fließe der Verkehr in die Stadt und wo wieder hinaus? Welche Auswirkungen hätten Sperrungen oder Tempolimits auf die nächste oder übernächste Straße? „Das weiß man bei der Stadt gar nicht“, kritisiert Sebastian. Auch die Auswirkungen durch die zahlreichen neuen Wohngebiete würden bei der Verkehrsplanung überhaupt nicht berücksichtigt, kritisiert Drechsler, und nennt als Beispiele: Der Ausbau des Zollhafens, das neue Wohngebiet auf dem Rodelberg, das Heiligkreuzareal.

Am Pariser Tor seien jüngst neue und modernere Ampeln eingebaut worden, teilte Verkehrsdezernentin Steinkrüger im März im Ortsbeirat Oberstadt mit – Hoffnung auf Abhilfe in Sachen Abbiegespur machte die Dezernentin indes nicht: „Die Möglichkeiten zur Erhöhung der Grünzeiten für die Linksabbieger sind auch mit der neuen Signalsteuerung begrenzt“, teilte Steinkrüger mit – sonst würden ja die Grünzeiten der anderen Fahrtrichtungen reduziert. Die Grünzeiten sollten aber nun „stärker an die aktuelle Verkehrsbelastung angepasst werden und so zusätzliche Grünzeiten für den Linksabbieger ermöglichen.“

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