Das vergangene Wochenende in Mainz war ja randvoll mit Events: Kultursommer-Eröffnung, Great Wine Walk, gleich mehrere Weinmessen sowie der Mainzer Rhein-Frühling – und dazu fand auch noch ein Verkaufsoffener Sonntag statt. Die Frage im Vorfeld: Würden sich die vielen Events gleichzeitig gegeneinander befruchten – oder eher die Besucher abgraben? Die Bilanz danach zeigt: Die Stadt war randvoll, aber nicht alle Einzelhändler konnten profitieren. Handelsverband und Werbegemeinschaft zeigten sich trotzdem hoch zufrieden – und wünschen sich dennoch mehr Freiheit gerade bei der Planung von verkaufsoffenen Tagen.

Mainzer Innenstadt, Fußgängerzone: Einkaufen, bummeln, shoppen - Kunden tun das gerne auch mal an einem Sonntag. - Foto: gik
Mainzer Innenstadt, Fußgängerzone: Einkaufen, bummeln, shoppen – Kunden tun das gerne auch mal an einem Sonntag. – Foto: gik

„Die Stadt war voll, die Resonanz richtig gut – die Einzelhändler sind alle sehr zufrieden“, bilanzierte Annette Plachetka, Vorsitzender der Werbegemeinschaft der Mainzer Einzelhändler, am Dienstag im Gespräch mit Mainz&. Das Wochenende sei für die Einzelhändler fantastisch gewesen, schwärmt die Inhaber der Schuh-Passion in der Mainzer Altstadt: „Die Kunden waren sehr positiv drauf, das Wetter hat mitgespielt – die Leute haben einfach die Tage genossen.“

Doch nicht in der ganzen Innenstadt war die Lage so positiv: Gerade am Verkaufsoffenen Sonntag hatten viele Läden zu, so etwa entlang von Schillerplatz und Schillerstraße. „Es lohnt sich einfach nicht“, sagt Jan Sebastian, Inhaber des Juwelierladens Willenberg, im Gespräch mit Mainz& ganz offen: „Ich bin der einzige Einzelhändler auf der Schillerstraße, der überhaupt am Verkaufsoffenen Sonntag geöffnet hätte“, da stimme einfach die Kundenfrequenz nicht, berichtet Sebastian, und betont: mit Personalproblemen habe das nichts zu tun.

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Great Wine Walk erneut ein Erfolg, viel Frequenz in der Stadt

„Wir haben kein Problem mit dem Personal, ich könnte mir aussuchen, wer arbeiten darf“, berichtete Sebastian: Das Arbeiten am Sonntag sei bei seinen Mitarbeitern höchst beliebt. Der Grund: Für die Stunden am Sonntag gebe es mehr Geld und dazu noch Freizeitausgleich, „das ist höchst attraktiv“, betont Sebastian. Doch auch ohne Öffnung am Sonntag zeigte sich auch Sebastian mit dem Event-Wochenende höchst zufrieden: „Der Samstag war Bombe“, schwärmt er, der Great Wine Walk sei sehr gut angenommen worden.

Der Great Wine Walk zog offenbar auch bei seiner zweiten Auflage viele Besucher in die Geschäfte. - Foto: gik
Der Great Wine Walk zog offenbar auch bei seiner zweiten Auflage viele Besucher in die Geschäfte. – Foto: gik

Das berichtet auch Annette Plachetka: „Bei uns war mehr los als im Vorjahr beim Great Wine Walk“, berichtet sie, die Kunden seien wirklich zum Probieren ins Geschäft gekommen: „Es war sehr interessiert, sehr gesittet, sehr genussvoll.“ In ihrem Fall habe sich der Umsatz in diesem Jahr sogar verdoppelt, „es war Wahnsinn“, freut sie sich. Auch der Sonntag sei in ihrem Fall hervorragend gelaufen: „Es waren sehr viele von auswärts in der Stadt, viele Handwerker“, berichtet sie: „Die sagen: Jetzt haben wir mal eine Chance zu bummeln, zu genießen, wir lassen es uns gut gehen.“

„Es war wahnsinnig viel los, ganz viel Frequenz in der Stadt“, berichtet auch Sebastian, „ganz viele meiner Kollegen waren mit dem Samstag sehr zufrieden.“ Allerdings räumt Sebastian auch ein, dass bei manch einem das Geschäft nicht an beiden Tagen gleich gut gelaufen sei. Auch sei das Wetter so gut gewesen, „da sind die Leute eher draußen geblieben, als in die Läden zu gehen“, berichtet Sebastian von anderen Stimmen. Das sei beim Mantelsonntag im Herbst anders, „das ist perfekt vom Termin und bei den Leuten auch fest im Kopf gesetzt“, sagt Sebastian.

Verkaufsoffene Sonntag müssen an Fest gekoppelt sein – sinnvoll?

„Wir sehen die verkaufsoffenen Sonntage als Werbung“, betont auch Plachetka: „Wenn sich die Stadt Mainz offen zeigt, ist es immer schön, wenn die Geschäfte auch offen sind.“ Aber wäre es für die Einzelhändler nicht günstiger gewesen, den verkaufsoffenen Sonntag an einem anderen Wochenende durchführen zu können, wenn nicht gleichzeitig so viel Event-Konkurrenz herrscht? „Wir dürfen nicht“, sagt Sebastian, „wir müssen den verkaufsoffenen Sonntag an ein Fest koppeln – das wissen ganz viele gar nicht.“

Wandelkonzert des Staatstheaters Mainz beim Eröffnungsfest für den Kultursommer RLP: Stadt sogar schon zu voll zum Shoppen? - Foto: gik
Wandelkonzert des Staatstheaters Mainz beim Eröffnungsfest für den Kultursommer RLP: Stadt sogar schon zu voll zum Shoppen? – Foto: gik

Tatsächlich schreibt das rheinland-pfälzische Ladenschlussgesetz genau diese Regelung vor, danach dürfen verkaufsoffene Sonntag nur stattfinden, wenn gleichzeitig ein anderes Fest oder Event stattfindet, das Menschen in die Innenstadt zieht – und das mehr Frequenz bringt, als die Öffnung der Läden. „Wir sind schon seit Jahren dabei, hier eine Änderung zu fordern“, sagt Sebastian, der auch Präsident des Handelsverbandes Rheinland-Pfalz ist. Die Kopplung an Feste hält er nicht mehr für zeitgemäß: „Wir wollen die Möglichkeit, anders und eigenständig zu öffnen, dazu auch an einem der Adventssonntage im Dezember“, sagt Sebastian: „Mehr wollen wir gar nicht.“

Bislang aber lehnte die Landesregierung eine weitere Liberalisierung stets ab, regelmäßig kippten Gerichte gerade in der Corona-Pandemie verkaufsoffene Sonntage in Kommunen – weil gleichzeitig keine Feste stattfinden durften. Handelsverband und Industrie- und Handelskammern kritisieren das seit Jahren, bislang ohne Erfolg. Dabei suchen gleichzeitig Politiker und Einzelhandel beständig nach Möglichkeiten, Innenstädte attraktiv zu halten, und sie gegen den Handel im Internet zu unterstützen – aus Sicht der Einzelhändler wären unabhängige verkaufsoffene Sonntage eine Möglichkeit dazu.

Gutachten: Gemeinwohl kann Sonntagsöffnung rechtfertigen

Die Arbeitsgemeinschaft der IHKs in Rheinland-Pfalz legte deshalb gemeinsam mit anderen Landes-IHKs schon 2017 ein Rechtsgutachten des Düsseldorfer Staatsrechts-Professors Johannes Dietlein vor, „nach dem die gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten mit der derzeitigen engen Regulierung keineswegs ausgeschöpft werden“, wie es etwa bei der IHK Trier damals hieß. Anlass für einen verkaufsoffenen Sonntag müsse nicht zwingend ein Markt, eine Messe oder eine Ausstellung sein, vielmehr könnten „auch Gründe des Gemeinwohls eine Sonntagsöffnung rechtfertigen“, befand der Gutachter – etwa das Ziel der Stärkung der Innenstädte und des dortigen Einzelhandels.

Wie zieht man Menschen zum Einkaufen in die Innenstädte, damit sie nicht so leer bleiben wie hier in der Coronazeit? - Foto: gik
Wie zieht man Menschen zum Einkaufen in die Innenstädte, damit sie nicht so leer bleiben wie hier in der Coronazeit? – Foto: gik

„Wir wollen nicht den Sonntagsschutz in Frage stellen“, betonte damals Matthias Schmitt, Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Trier: „Vielmehr geht es darum, dass endlich wieder Rechtssicherheit bei der Genehmigung verkaufsoffener Sonntage herrscht und unsere Zentren auch künftig die Möglichkeit haben, sich an bis zu vier Sonntagen gemeinsam zu präsentieren.“ Diese Regelung von vier Sonntagen sieht das Landesgesetz vor, die Einzelhändler wünschen sich dazu einen Adventssonntag als Möglichkeit zu öffnen.

Tatsächlich gibt es längst viele Waren, die auch an Sonntagen verkauft werden, dazu gehören etwa Benzin an Tankstellen, Medikamente in Apotheken oder auch Backwaren in Bäckereien – der Online-Handel ist ohnehin auch an Sonntagen verfügbar. Gerade hatte deshalb auch der Landtagsabgeordnete Stephan Wefelscheid (Freie Wähler) kritisiert, dass es in Rheinland-Pfalz noch immer ein Autowaschverbot an Sonn- und Feiertagen gibt – das sei „wie im Mittelalter und nicht mehr zeitgemäß.“ In Hessen wiederum streiten Gerichte und Handel gerade über Selbstbedienungs-Supermärkte und die Frage, ob diese mit der Sonntagsruhe vereinbar seien.

Standort Mainz: Vor einem Jahr nur Schulnote 3

Gut möglich, dass die Auseinandersetzung um die Frage, wie viel Sonntagsruhe noch sein muss in Zeiten von wachsender Online-Konkurrenz, in die nächste Runde geht: Kommende Woche lädt die IHK Mainz zur Vorstellung eines Positionspapiers für eine Reform des Ladenöffnungsgesetzes ein: „Wie können wir die Nahversorgung im ländlichen Raum sichern, Innovationen im stationären Handel fördern und gleichzeitig bürokratische Hürden abbauen?“, heißt es in der Einladung. Dazu hätten die kommunalen Spitzenverbände und die IHKs in Rheinland-Pfalz „ein gemeinsames Positionspapier erarbeitet, das Lösungsansätze für eine Reform des Ladenöffnungsgesetzes aufzeigt.“

Sonntags shoppen oder nicht shoppen? - Foto: gik
Sonntags shoppen oder nicht shoppen? – Foto: gik

In Mainz jedenfalls bekam die Innenstadt noch vor einem Jahr von den Einzelhändlern und Gastronomiebetreibern keine guten Noten: Der geschäftliche Erfolg war in den vergangenen Jahren gesunken, die Erreichbarkeit der City werde immer mehr eingeschränkt, Leerstände nähmen zu, ergab eine Umfrage des City Managements Mainz: Der Standort Mainz erhielt von den Befragten lediglich die Schulnote 3,15, die Liste der Verbesserungsvorschläge war lang.

Fast die Hälfte der Befragten wünschte sich übrigens dabei auch eine höhere Anzahl Verkaufsoffener Sonntage, von denen es in Mainz derzeit zwei pro Jahr gibt. 20 Prozent wünschten sich bei der Umfrage in Mainz drei Verkaufsoffene Sonntage, 28 Prozent sogar vier – 20 Prozent wollten hingegen sogar ganz darauf verzichten.

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zur Umfrage unter den Mainzer Einzelhändlern von Februar 2024 lest Ihr hier bei Mainz&.