Man könnte meinen, es sei schon wieder der 1. April, aber offenbar ist das Ernst gemeint: Die Mainzer Landesregierung hält auch weiter eisern an einem Verbot von Autowäschen an Sonn- und Feiertagen fest – und beruft sich dabei auf die Weimarer Reichsverfassung. Das ergab nun eine Anfrage des Landtagsabgeordneten Stephan Wefelscheid (Freie Wähler). „Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter“, kritisierte Wefelscheid, und fordert ein Umdenken: Andere Bundesländer hätten das Autowaschverbot an Sonn- und Feiertagen längst aufgehoben, Rheinland-Pfalz müsse endlich in der Moderne ankommen.

Sonn- und Feiertage gelten nach der Verfassung in Deutschland als besonders geschützt: Sie sollen „der religiösen Erbauung, der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe“ dienen – so weit, so klar. Doch in Zeiten, in denen die Gesellschaft immer säkularer wird, und in denen immer mehr Berufe sonntags selbstverständlich auch arbeiten, stellt sich immer mehr die Frage. Welcher Schutz des Sonntags ist noch zeitgemäß?
Der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, wollte nun von der Landesregierung wissen, für wie zeitgemäß sie denn noch das Verbot der Autowäsche an Sonn- und Feiertagen hält – die Antwort verblüffte den Koblenzer nicht wenig. „Obwohl sich die Zeiten und unsere Gesellschaft grundlegend geändert haben, hält die rheinland-pfälzische Landesregierung eisern daran fest“, konstatierte Wefelscheid, und wunderte sich vor allem, dass sich das Land dabei auf die Weimarer Reichsverfassung von vor 100 Jahren bezog.
Sonntagsruhe nach Weimarer Reichsverfassung: Autowäsche verboten
Tatsächlich antwortete die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage Wefelscheids im Mainzer Landtag: „Sonn- und Feiertage genießen nach Artikel 140 Grundgesetz i.V.m. 139 Weimarer Reichsverfassung als Tage der religiösen Erbauung, der seelischen Erhebung und der Arbeitsruhe ausdrücklich verfassungsrechtlichen Schutz.“ Dasselbe gelte auch nach der Landesverfassung Rheinland-Pfalz, an diesen Tagen solle das öffentliche Leben also „soweit möglich, seiner werktäglichen Elemente entkleidet und ihre Begehung als ‚Nicht-Werktage‘ ermöglicht werden.“ Das solle heutzutage „den individuellen Belangen sowohl der gläubigen als auch der nicht-gläubigen Menschen dienen.“

„Für mich hört sich das wie eine Predigt aus dem Mittelalter an“, sagte Wefelscheid: „Allein die Sprache zeigt, dass diese Regelungen völlig aus der Zeit gefallen sind. Wir sind nicht mehr im Mittelalter, wo Kirche und Adel zusammenwirkten, um die Bevölkerung ihrem gestrengen Regiment zu unterwerfen.“ Auf einem niederbayerischen CSU-Parteitag „mag das noch gefallen, bei aufgeklärten modernen Menschen trifft dies aber überwiegend auf Unverständnis“, kritisierte der Landtagsabgeordnete.
Die meisten Waschanlagen befänden sich zudem eher abseits von Wohnbebauung, vielerorts seien sie auch schon auf Selbstbedienung ausgelegt. „Mir will sich nicht erschließen, inwieweit eine Selbstbedienungs-Waschanlage in einem Industriegebiet dazu geeignet sein soll, die äußere Ruhe zu beeinträchtigen“, sagte Wefelscheid. Und ob diese Tätigkeit des Autowaschens nun schädlich für das eigene Empfinden der Sonn- und Feiertagsruhe sei, solle doch jeder mündige Bürger für sich entscheiden können.
Autowäsche: In RLP verboten, in Hessen und Bayern erlaubt
Tatsächlich entscheiden das längst nicht nur die Bürger individuell, sondern die einzelnen Bundesländer ebenso – und das weit abseits von religiöser Prägung. Zehn Bundesländer erlauben nämlich derzeit schon die Autowäsche an Sonntagen, wie eine Übersicht des Internetportals Mobile.de zeigt – darunter auch so katholische Ländern wie Bayern. In sechs Bundesländern bleibt hingegen die Sonntagswäsche des Autos verboten, darunter auch eher protestantische Gegenden wie Bremen und Niedersachsen, aber eben auch Rheinland-Pfalz, das Saarland oder Baden-Württemberg.

Besonders pikant für die Rheinland-Pfälzer: Das Nachbarland Hessen erlaubt Autowaschen an Sonntagen, wenn die Waschanlage selbstständig arbeitet und an eine Tankstelle angeschlossen ist. Dass man als rechts des Rheins sonntags sein Auto waschen darf, links des Rheins aber nicht, dürfte für viele schwer nachvollziehbar sein. Wefelscheid betonte zudem, in einer Gesellschaft, „in der zunehmend beide Partner arbeiten müssen und schon kaum mehr Zeit für den Wocheneinkauf, Friseurtermine oder dergleichen bleibt, sind solche
Gängelungen nicht zeitgemäß, sondern Relikt einer Zeit vor der Säkularisierung.“
Der Landtagsabgeordnete fordert denn auch ein Umdenken: „Auch andere Bundesländer haben das Autowaschverbot an Sonn- und Feiertagen schon längst aufgehoben, am Bundesrecht scheitert es also nicht.“ Die Landesregierung sei jetzt aufgefordert, dieses Verbot angesichts der Entwicklung der Gesellschaft nochmals zu Evaluieren und die Debatte zu eröffnen, ob es wirklich noch zeitgemäß sei. „Sich auf Gesetzestexte von vor über hundert Jahren zurückzuziehen oder an etwas festzuhalten, nur weil es eben so geschrieben steht, überzeugt mich nicht und passt auch nicht mehr in unsere Zeit“, fügte er hinzu.
Die Landesregierung antwortete jedoch, aus ihrer Sicht bestünden jedoch „derzeit keine Gründe für die Schaffung einer Ausnahme für das Autowaschen an Sonn- bzw. Feiertagen.“ Das Betreiben von Autowaschanlagen und Waschplätzen habe klar eine Gewinnerzielungsabsicht, und damit „eindeutig werktäglichen Charakter“, die Bedeutung des Sonntags als Tag der allgemeinen Arbeitsruhe sei „auch losgelöst von einem etwaigen Rückgang der gesellschaftlichen Bedeutung von Kirchen zu sehen.“ Mit der Begründung der Gewinnerzielungsabsicht allerdings müsste eine ganze Reihe anderer Berufe an Sonntagen ebenfalls verboten werden – auch Tankstellen, Kioske, Apotheken oder auch Ausflugsdampfer haben schließlich eine Gewinnerzielungsabsicht.
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