Sexuelle Lust lässt sich tatsächlich im Atem nachweisen, das fanden nun Forscher des Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie heraus. Gemeinsam mit einem internationalen Team untersuchten die Chemiker, ob sich sexuelle Erregung bei Menschen auch in ihrer Atemluft nachweisen lässt, und siehe da: Die Zusammensetzung der flüchtigen Substanzen änderte sich bei zunehmender Erregung deutlich – sogar Glückshormone ließen sich nachweisen. Nur so zum Spaß stellten die Experten ihre Untersuchungen nicht an.

Atemluft im Kino angezapft: Thomas Klüpfel bringt an der Kino-Abluft einen Schlauch an, das war für die Atemluft-Studie 2016. – Foto:MPI für Chemie
Atemluft im Kino angezapft: Thomas Klüpfel bringt an der Kino-Abluft einen Schlauch an, das war für die Atemluft-Studie 2016. – Foto: MPI für Chemie

Die Idee zu der Studie hatte der Mainzer Atmosphärenforscher Jonathan Williams: Schon 2016 hatten Williams und sein Team – eigentlich Atmosphärenforscher – in einem Mainzer Kinosaal nachgewiesen, dass sich tatsächlich chemisch in der Atemluft nachvollziehen lässt, ob eine Filmszene spannend, lustig oder eher langweilig ist. Die chemischen Signaturen unterschieden sich je nach Film oder auch Filmszene deutlich – so stiegen etwa die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer dann deutlich an, wenn die Heldin in „Die Tribute von Panem“ um ihr Leben kämpfte.

Williams und sein Team hatten schon damals nachgewiesen, dass Menschen über Atem und Haut ständig chemische Signale in die Luft abgeben, die sich je nach emotionalem Zustand verändern können. Nun wollten sie mit ihrer neuen Studie zur sexuellen Erregung „testen, ob auch andere starke Emotionen eine Spur im Atem hinterlassen“, sagte Williams: „Um die chemischen Signale besser zu charakterisieren, haben wir dies unter kontrollierten Bedingungen getestet und nicht unter den komplexen Bedingungen in einem Kino.“

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Die Aufgabe war denkbar einfach: Zwölf Männern und zwölf Frauen sollten sich im Research Laboratory on Human Sexuality, kurz SexLab, an der Universität Porto in zufälliger Reihenfolge verschiedene zehnminütige Filmclips anschauen: eine Natur-Reisedokumentation, einen Horrorfilm, ein Fußballspiel und einen Erotikfilm. Währenddessen analysierte das Max-Planck-Team den Atem der Probanden kontinuierlich auf über einhundert flüchtige organische Verbindungen, gleichzeitig maßen Forschende des SexLabs die sexuelle Erregung der Testpersonen, indem sie etwa einen Temperaturanstieg an den Genitalien ermittelten.

Erotik und sexuelle Erregung verändert auch die Zusammensetzung unsere Atemluft, fanden Forscher nun heraus - hier eine Werbung für die Mainzer Sektmarke Flik. - Foto: Flik
Erotik und sexuelle Erregung verändert auch die Zusammensetzung unsere Atemluft, fanden Forscher nun heraus – hier eine Werbung für die Mainzer Sektmarke Flik. – Foto: Flik

Das Ergebnis: Mit dem Start des erotischen Films stieg die Menge verschiedener flüchtiger organischer Verbindungen in der Atemluft der erregten Teilnehmenden schnell an, andere Verbindungen nahmen rasch ab. Auch schwankten die Werte weniger als im unerregten Zustand. „Dass die Konzentration von CO2 und Isopren im Atem sank, könnte daran liegen, dass die Genitalien stärker durchblutet waren, die Muskeln und Lunge dagegen weniger“, sagt Nijing Wang, Erstautorin der kürzlich veröffentlichten Studie. „Bei Männern haben wir Phenol, Kresol und Indol gefunden, das scheinen typische Indikatoren für eine sexuelle Erregung zu sein“, berichtet die Forscherin.

Die Substanzen entstehen beim Abbau der Aminosäuren Tryptophan, einer Vorläufersubstanz des Neurotransmitters Serotonin, und Tyrosin, aus der unser Körper Dopamin und Noradrenalin bildet. Bekannt ist, dass diese Botenstoffe eine wichtige Rolle bei erotischen Gefühlen spielen und schnell gebildet werden. Sie bringen Menschen bei sexueller Erregung unter anderem in einen euphorischen Gemütszustand. Bei einer Probandin konnten die Wissenschaftler Dopamin, das auch als Glückshormon gilt, sogar direkt im Atem nachweisen.

 

„Generell waren die Ergebnisse der Atemanalyse bei Männern eindeutiger als bei Frauen“, berichtet Giovanni Pugliese, Postdoc am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. So beobachteten die Forschenden bei Frauen nicht den gleichen Anstieg flüchtiger Substanzen wie bei Männern – vielleicht, weil manche Frauen durch die Erotikfilme nicht sonderlich erregt waren. „Um die Aussagekraft insgesamt zu erhöhen, möchten wir die Studie mit einer größeren Zahl an Probanden wiederholen“, kündigte Giovanni Pugliese an.

Welche chemischen Signale senden wir beim Küssen? Hier zwei Glückliche beim Autokorso der Fußball-WM. - Foto: gik
Welche chemischen Signale senden wir beim Küssen? Hier zwei Glückliche beim Autokorso der Fußball-WM. – Foto: gik

Das Thema ist aber nicht einfach nur Spaß: Die Signatur der Erotik im Atem genauer zu untersuchen, lohne sich nicht zuletzt aus medizinischer Sicht, betonen die Forschenden: „Die Möglichkeit, die sexuelle Erregung eines Menschen über seinen Atmen nicht-invasiv festzustellen, würde für Sexualstudien einen großen Fortschritt bringen“, betonte Pedro Nobre, Wissenschaftler der Universität Porto in Portugal.

 

Bisher werden solche Studien dadurch erschwert, dass Sensoren direkt im Genitalbereich der Testpersonen angebracht werden müssen. Laut Nobre, einem erfahrenen Sexualforscher, kann die Atemanalyse die Beurteilung sexueller Erregung erleichtern und bei der Bewertung sexueller Funktionsstörungen helfen. Gegenstand weiterer Studien wird für die Max-Planck-Forschenden nun die Frage sein, inwiefern wir auch in einem Gespräch, beim Küssen oder bei einer Umarmung flüchtige chemische Signale senden und unser Gegenüber diese – bewusst oder unbewusst – wahrnimmt.

Der Spruch von der Chemie, die zwischen zwei Menschen stimmt – oder eben auch nicht stimmt – kann auf diese Weise  jetzt offenbar ganz handfest und wissenschaftlich nachgewiesen werden – so, wie vor sechs Jahren schon die „Spannung in der Luft“.

Info& auf Mainz&: Die Studie „Breath chemical markers of sexual arousal in humans“ wurde im Rahmen des Horizon 2020 Projektes IMPACT der Europäischen Kommission durchgeführt. Einen Link zur Originalpublikation und weiteren Informationen zu den Autoren findet ihr hier im Internet. Unseren Mainz&-Bericht von den Untersuchungen über die Spannung in der Kinoluft, könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen:

Kinosaal: Spannung liegt tatsächlich buchstäblich in der Luft – Uni Mainz maß Muster in Atemluft