Die Probleme mit den Corona-Impfstoffen gehen weiter: Das Mainzer Unternehmen Biontech müsse seine Liefermengen für die kommenden beiden Wochen reduzieren, teilte das Bundesgesundheitsministerium am Mittwochabend mit. Die ausgefallenen Lieferungen würden in den Kalenderwochen nachgeliefert, Grund seien Lieferverzögerungen. Es ist nicht das einzige Problem in Sachen Impfstoff: Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) fordert wegen eines Todesfalls nach einer Impfung mit dem Mittel von Johnson & Johnson nun auch von diesem US-Pharmakonzern weitere Studien, erneut geht es um Thrombosen. Derweil haben Forscher der Universität Ulm Verunreinigungen im Impfstoff von AstraZeneca gefunden – sie könnten womöglich die Ursache für die oft heftigen Nebenwirkungen bei dem Impfstoff oder vielleicht sogar für die Thrombosen sein.
Die Ulmer Forscher veröffentlichten am Mittwoch eine Studie, nach der in dem Covid-Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Verunreinigungen nachgewiesen werden konnten. Konkret gehe es dabei um menschliche und virale Eiweiße – darunter insbesondere so genannte Hitzeschock-Proteine, teilte die Universität auf ihrer Homepage mit. Die Forscher um den Leiter der Gentherapie der Ulmer Universitätsmedizin, Professor Stefan Kochanek, hatten drei Chargen des AstraZeneca-Impfstoffs mit biochemischen Methoden und Proteomanalysen untersucht und fanden dabei neben den Proteinen des Vakzins selbst „beträchtliche Mengen menschlicher Proteine und auch regulatorischer viraler Proteine, die nicht Teil des Impfstoffs sind.“
Der Impfstoff „Vaxzevria“ ist ein sogenannter Vektorimpfstoff, bei dem ein für Menschen ungefährliches Adenovirus sozusagen als „Genfähre“ dient, mit dem ein Oberflächeneiweiß des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 in die körpereigenen Zellen eingeschleust wird. Das eingeschleuste Eiweiß enthält quasi den Bauplan des gefährlichen Coronavirus, der Körper antwortet mit einer Immunreaktion, in deren Folge Antikörper gebildet werden, die dann gegen COVID-19 schützen sollen. Kurze Zeit nach der Immunisierung mit „Vaxzevria“ träten bei Impflingen „relativ häufig grippeähnliche Symptome als Impfreaktion auf“, so die Forscher weiter, und „in sehr seltenen Fällen entwickelten vor allem jüngere Frauen bis zu 16 Tage nach der Impfung lebensbedrohliche Sinusvenenthrombosen.“
Diese Thrombosen hatten Anfang 2021 zu mehreren Dutzend Todesfällen weltweit geführt, auch in Deutschland wurde die Impfung mit AstzraZeneca deshalb zunächst gestoppt, nach einer Überprüfung aber wieder fortgesetzt. Seither wird der Impfstoff von der Ständigen Impfkommission Stiko nur noch für Menschen über 60 Jahre empfohlen – der Impfstoff leidet seither unter einem erheblichen Imageproblem und bleibt oft in Impfzentren oder Arztpraxen liegen. Vor der Änderung der Impfempfehlung war AstraZeneca vor allem bei Jüngeren verimpft worden – speziell bei Erzieherinnen, Lehrern und bei Krankenhauspersonal. Viele Jüngere berichteten von heftigen Nebenwirklungen nach der Impfung, die Forscher vermuten nun: Die starken Impfstoffreaktionen könnten durch die Verunreinigungen ausgelöst worden sein.
Denn in dem Impfstoff fanden die Forscher deutlich mehr Proteine als sie erwartet hätten und als mit dem eigentlich Impfstoff-Protein zu erklären gewesen wäre. „Im Ergebnis war mindestens die Hälfte der Eiweiße menschlichen Ursprungs“, darunter sei vor allem eine Häufung sogenannter Hitzeschockproteine aufgefallen. „Insgesamt haben wir über 1000 Proteine in den Chargen detektiert: Die Mehrzahl dürfte keine negativen Auswirkungen auf Impflinge haben“, betonte Kochanek. Extrazelluläre Hitzeschockproteine seien jedoch bekannt dafür, „dass sie angeborene und erworbene Immunantworten modulieren und bestehende Entzündungsreaktionen verstärken können“, erklärt der Experte: „Sie wurden zudem auch schon mit Autoimmunreaktionen in Verbindung gebracht.“
Es müsse nun in weiteren Studien untersucht werden, inwiefern diese Protein-Verunreinigungen die Wirksamkeit des Vakzins mindern könnten oder ob es einen Zusammenhang mit der oftmals starken Impfreaktion geben könne, betonten die Ulmer Forscher weiter. „Die Vielzahl der gefundenen Verunreinigungen, von denen zumindest einige negative Effekte haben könnten, macht es nötig, den Herstellungsprozess und die Qualitätskontrolle des Impfstoffs zu überarbeiten“, betonte Kochanek: „Dadurch ließe sich neben der Sicherheit womöglich auch die Wirksamkeit des Vakzins erhöhen.“
In der Pharmaindustrie gälte die möglichst weitgehende Entfernung solcher Verunreinigungen aus biotechnologisch hergestellten therapeutischen Proteinen als ein sehr wichtiges Qualitätsmerkmal. Im Fall des Impfstoffs von AstraZeneca reiche die Kontrolle mit den bisher verwendeten Standard-Nachweisverfahren offenbar nicht aus, bilanzieren die Forscher. Die Ulmer Studie ist bislang erst als Preprint-Paper der renommierten Zeitschrift Nature erschienen, sie wurde demnach noch nicht dem wissenschaftlichen Review-Prozess unterzogen. Die Forscher halten ihre Ergebnisse aber so wichtig, dass sie sie direkt veröffentlichen wollten.
Die neuen Erkenntnisse könnten demnach dazu führen, dass der AstraZeneca-Impfstoff besser verträglich und weniger umstritten werden könnte – der Impfstoff werde „stark unterschätzt“, betonte erst kürzlich wieder der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: Neueste Studien zeigten, dass AstraZeneca nach der 2. Impfung ebenfalls eine Schutzwirkung von 85 bis 90 Prozent habe, genau wie der mRNA-Impfstoff von Biontech. Tatsächlich nehmen die Erkenntnisse über eine hohe Wirksamkeit des AstraZeneca-Vakzins zu – offenbar wirkt der Impfstoff umso besser, je länger der Zeitraum zwischen der 1. und der 2. Impfung ist. Experten kritisieren deshalb die Aufgabe der 12-Wochen-Frist durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der bei der Freigabe von AstraZeneca von der Priorisierung gesagt hatte, die Frist dürfe auch kürzer ausfallen.
AstraZeneca sollte in der letzten Maiwoche allerdings laut Plan des Bundesgesundheitsminsteriums nur rund 124.000 Impfdosen liefern – die Impfkampagne in Deutschland ruht weiter maßgeblich auf dem Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer. Umso gravierender ist nun die erneute Lieferverzögerung, die das Bundesgesundheitsminsterium am Mittwochabend meldete: Biontech werde in den kommenden zwei Wochen weniger Impfstoff liefern können als bislang anvisiert, die fehlenden mengen würden aber in den zwei Wochen danach nachgeliefert – insgesamt ändere sich an der Liefermenge nichts, berichten mehrere Medien wie etwa NTV.
Auf die zugesagten Liefermengen für die Länder habe die Lieferverzögerung aber keine Auswirkung, habe das Ministerium weiter betont, die zugesagte Menge an Impfstoff für ihre Impfzentren bleibe unverändert – die Verzögerungen träfen vor allem die Arztpraxen. In der aktuellen letzten Maiwoche sollte Biontech insgesamt rund 1,8 Millionen Dosen an Deutschland liefern, davon waren 87.750 für Rheinland-Pfalz vorgesehen. Kommende Woche stehen im aktualisierten Impfplan der Bundesregierung nun rund 1,7 Millionen Dosen Impfstoff von Biontech, in den zwei Wochen danach „nur“ noch 1,5 Millionen Dosen.
Kommende Woche würde Rheinland-Pfalz demnach rund 76.000 Impfdosen Biontech bekommen, in den zwei Wochen danach jeweils 81.900 – ein Großteil wird derzeit für die Zweitimpfungen benötigt. Derweil warteten vergangene Woche im Impfpool des Landes Rheinland-Pfalz allein rund 453.625 Personen der Priogruppe 3 noch auf einen Impftermin. Verimpft wurde in den vergangenen zwei Wochen zudem vielfach der Impfstoff des US-herstellers Moderna, auch dies ist ein mRNA-Impfstoff ähnlich wie Biontech. Grund für diese Impfoffensive: Moderna lieferte seit Anfang Mai kurzzeitig deutlich mehr Impfstoff von rund 30.000 Impfdosen und mehr pro Woche – zuletzt waren es allein in dieser Woche 26.400 Dosen.
Die Liefermengen bei Moderna bleiben aber stark schwankend, die Prognosen im Juni reichen von 31.200 für Rheinland-Pfalz bis lediglich 2.400 pro Woche. Insgesamt soll Rheinland-Pfalz bis Ende Juni 609.750 Impfdosen von Biontech, AstraZeneca und Moderna bekommen – der Impfstoff von Johnson & Johnson steht derzeit nicht auf der Liste. Der Grund: Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) fordert vom US-Hersteller derzeit weitere Studien – vergangenen Freitag war eine 41-jährige Frau in Belgien an einer seltenen Thrombose gestorben, nachdem sie mit dem Vakzin von Johnson & Johnson geimpft worden war.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Problemen mit dem AstraZeneca-Impfstoff und den Thrombosefällen lest Ihr hier bei Mainz&, die Studie der Ulmer Forscher zu den Verunreinigungen könnt Ihr hier im Internet nachlesen und herunterladen. Liefermengen für Corona-Impfstoffe werden regelmäßig vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht – hier im Internet könnt Ihr sie selbst einsehen.