Die Zukunft der Steinhalle und des Mainzer Landesmuseums beschäftigt weiter die Gemüter in Mainz – und weit darüber hinaus: Offene Brief für den Erhalt der Steinhalle gibt es inzwischen auch von dem Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine sowie der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier, die Online-Petition für den Erhalt der Steinhalle verzeichnet inzwischen 3.700 Unterschriften – und mehr als 1.000 Kommentare. Und auch die Mainzer SPD stellt sich inzwischen gegen das Vorhaben von Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD), aus dem Interimsplenarsaal in der Steinhalle ein „Demokratie-Labor“ zu machen – das Demokratieforum könne doch auch an einer anderen Stelle, näher am Landtag oder im Landtag selbst, verwirklicht werden. Der Ernst-Ludwig-Platz böte sich doch dafür an, schlägt eine Mainz&-Leserin vor.
Ende April schlug der Freundeskreis des Mainzer Landesmuseums Alarm und machte Pläne des Landtags öffentlich, die bis dahin so gut wie keine Öffentlichkeit erfahren hatten: Der Landtag wolle nicht, wie einst von Herings Vorgänger Joachim Mertes (SPD) versprochen, nach der Renovierung des Deutschhauses mit seinem Interimsplenarsaal wieder ausziehen, sondern nun auf einmal das alte Landtagsgestühl im Landesmuseum lassen – und daraus ein „Demokratiemuseum“ machen. Hering bestätigte daraufhin die Pläne und sprach von einem „Reallabor Demokratie“, das künftig ein Ort der politischen Bildung für Veranstaltungen, Vorträge und Schulklassen werden solle – Herzstück eines „Museumscarrés“.
Daraufhin brach allerdings eine Welle der Empörung los: Archäologen und Historikerverbände, der Mainzer Altertumsverein sowie zahllose hoch renommierte Wissenschaftler aus ganz Deutschland kritisierten die Pläne scharf: Gegen ein „Demokratie-Labor“ sei zwar im Prinzip nichts einzuwenden, die Steinhalle sei aber der völlig falsche Ort dafür, lautet die zentrale Kritik: Die ehemalige kurfürstliche Reithalle sei kein ebensowenig ein geeigneter Symbol-Ort für die Demokratie wie ein Museum – Demokratie sei lebendig und müsse auch lebendig vermittelt werden, betonten Kritiker.
Vor allem aber raube eine Nicht-Rückgabe der Steinhalle dringend benötigten Raum für die Präsentation einer der bedeutendsten Sammlungen römischer Steindenkmäler nördlich der Alpen – seit dem Einbau des alten Plenargestühls stünden die meisten wertvollen Relikte schlicht im Depot. Tatsache ist: Einen angemessenen Präsentationsraum für das römische Erbe von Mainz gibt es nicht, Hunderte Steindenkmäler ruhen in Lager und Depots, darunter weltweit einmalige Exponate wie die große Mainzer Jupitersäule, Denkmäler, die Mainz zu einer der ältesten und bedeutendsten Römerstädte nördlich der Alpen machen.
Ein Konzept für ihre Präsentation gibt es bis heute nicht, die Steinhalle bot genau diesen Relikten einst eine Heimat – ohne sie, fürchtet nicht nur der Freundeskreis des Museums, gehe ein einzigartiges Wissenslabor an römischer Geschichte verloren, ein „identifikatives Alleinstellungsmerkmal“ für Mainz und schlicht jede Menge Platz für das Landesmuseum. „Eine solch bedeutende Sammlung zur Dekoration herabzustufen ist ein Zeichen von Geschichtsvergessenheit“, kritisierte ein Unterzeichner der Online-Petition.
Am Dienstag formierte sich die Landesregierung von Rheinland-Pfalz mit der Konstituierung des Landtags neu, die Zuständigkeit für die Römische Altertümer wechselte damit zum langjährigen Innenminister Roger Lewentz (SPD). Der will sich als neuer Chef der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) am Mittwoch zu seinem neuen Aufgabenbereich äußern – Lewentz dürfte sich in seiner neuen Aufgabe auch einer ganzen Flut von Protestbriefen gegenüber sehen. So schrieb die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier e.V. in einem Offenen Brief an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), man sehe „mit Verwunderung und mit Sorge auch um unsere eigene Sammlung in Trier“, dass Dreyer den Saal der römischen Steindenkmäler im Landesmuseum Mainz in einen „Ort der Demokratie“ umwandeln wolle.
„Damit wird dem Landesmuseum Mainz mit seinem ehemals besonderen Präsentationskonzept im Steinsaal die Ihnen gewährte Gastfreundschaft für eine vorübergehende Aufnahme des Landtages des Landes Rheinland-Pfalz schlecht gedankt“, kritisiert die Gesellschaft aus Dreyers Heimatstadt Trier weiter. Die Trierer Gesellschaft habe ebenso wie der Mainzer Altertumsverein in Verträgen mit dem Land Rheinland-Pfalz „Vereinbarungen getroffen, nach denen das Land für die Überlassung der Denkmäler verantwortungsvolle Behandlung, Bewahrung und Präsentation für die Öffentlichkeit garantiere“, heißt es in dem Offenen Brief vorwurfsvoll: „Wir erwarten, dass auch Sie Ihrer Verantwortung gegenüber dem kulturellen Erbe in Rheinland-Pfalz gerecht werden.“
Man erwarte „Respekt vor den archäologischen Leistungen und Verdiensten unserer Vorfahren“ und forderte die Ministerpräsidentin auf, „dem Steinsaal im Landesmuseum Mainz seinen Charakter zum Wohl der Denkmäler und zum Nutzen des Publikums zurückzugeben“, heißt es weiter – die Entscheidung werde man „mit hoher Aufmerksamkeit verfolgen“ und im Kreis der rund 800 Mitglieder kommunizieren. „Die Konsequenzen nicht zuletzt für unsere eigene Sammlung in Trier müssen wir bei unseren Erörterungen dabei stets im Blick behalten“, warnt der Vorsitzende des Vereins, Lukas Clemens.
Anfang Mai meldete sich zudem der Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine zu Wort, der 1852 in Dresden und Mainz gegründete Dachverband vertritt mehr als 200 Mitgliedsvereine, darunter auch der Mainzer Altertumsverein. Man unterstütze mit Nachdruck die Forderung des Mainzer Vereins nach Erhalt der Steinhalle „in ihrer historischen Dimension“, also der ursprünglichen Ausdehnung, heißt es auch hier in einem Offenen Brief an Ministerpräsidentin Dreyer: „Die in der Steinhalle präsentierten römischen Steindenkmäler stellen eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art nördlich der Alpen dar, die nicht in den Hintergrund gedrängt und auf die Rolle einer Kulisse beschränkt werden dürfen.“
Ein Demokratieforum oder Demokratielabor dürfe „nicht auf Kosten der Ausstellungsräume“ gehen, sondern müsse an „einem anderen, dafür geeigneten Ort“ untergebracht werden, betont der Verband weiter – für einen Ort der Demokratiegeschichte stünden in in Mainz schließlich „mehrere geeignete Orte wie das Deutschhaus und das Schloss zur Verfügung.“
Und auch der Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine verweist, wie schon viele andere Protestler zuvor, auf das weniger Meter vom Landesmuseum entfernt existierende „Haus des Erinnerns Für Demokratie und Akzeptanz“: Hier werde bereits eine Art „Demokratielabor“ betrieben, „das mit großem Erfolg und mit Bundesförderung die Arbeit der Vermittlung von Demokratiegeschichte und -bildung leistet“, heißt es weiter. Es brauche geeignete getrennte Lösungen für beide Projekte – Steinhalle und Demokratielabor – und zwar an getrennten Orten.
Damit verfestigt sich eine gemeinsame Linie aller Protestnotenverfasser und Kritiker des Projektes: der Ruf nach einem alternativen Ort für ein „Demokratie-Labor“. Das Demokratieforum könne doch auch „an einer anderen Stelle näher am Landtag oder im Landtag selbst verwirklicht werden“, schlägt nun auch die Mainzer SPD vor: „Der Landtag als originärer Ort sollte so erlebbar gemacht werden im oder in unmittelbarer Nähe des Landtages“, schlugen die Kulturexpertin der SPD im Mainzer Stadtrat, Martina Kracht, und der Vertreter der SPD Mainz-Altstadt, Andreas Behringer, zur Lösung des Konfliktes vor.
Die Mainzer SPD stellte sich damit offen gegen die Pläne ihrer eigenen Parteifreunde: Seit dem Einbau des Interimsplenarsaals in der Steinhalle sei die Präsentation der bedeutenden römischen Steinelemente nicht mehr möglich, „das ist ein großer Verlust für die Mainzer Stadtgesellschaft, denn diese Steine sind Teil unserer eigenen städtischen Geschichte“, klagen die beiden Sozialdemokraten. Und gerade die steinernen Monumente seien „auch in schwierigen Zeiten ein Zeichen für Reisefreiheit, Migration, religiöses tolerantes Zusammenleben und die kulturelle Offenheit der Stadt Mainz über die letzten Jahrtausende hinweg.“
Die Steinhalle sei „der wahrhaftige Ort“, um dieses römische Erbe zu zeigen, die Steine müssten „schnellstmöglich wieder der städtischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, fordern Kracht und Behringer – wenn dies in der Steinhalle nicht mehr möglich sein sollte, „erwarten wir Vorschläge, wo in Mainz ein neuer Platz zum Zeigen der Monumente angedacht werden könnte.“ Das sei aber kein Plädoyer gegen ein „Demokratieforum“ – auch das sei ein wichtiges Anliegen, das eben nur in größerer Nähe zum Landtag im Deutschhaus sinnvoll sei.
Mainz&-Leserin Manuela Müller-Horn hat dazu auch schon eine Idee: „Warum gibt man nicht einem Politik- und Demokratiemuseum mehr Raum und einen neuen Platz“, schrieb sie in einem Kommentar auf der Mainz&-Facebookseite: Ein solches „Mitmachmuseum“ könne doch zwischen Landtag, Abgeordnetenhaus und Gerichten einen Platz finden – also auf dem heutigen Ernst-Ludwig-Platz. Der etwas heruntergekommene Platz an der Großen Bleiche harrt ohnehin seit einigen Jahren einer Neugestaltung, vor allem der Bereich rund um den alten, still gelegten Brunnen ist alles andere als ein Aushängeschild für die Landeshauptstadt Mainz.
Dort könne doch „mit viel Glas und Transparenz ein Mitmachmuseum entstehen“, schlägt Müller-Horn weiter vor, dort könne dann auch die Landeszentrale für politische Bildung Platz bekommen und Vorträge sowie Veranstaltungen abhalten – und zwar genau im alten Plenargestühl, das derzeit in der Steinhalle steht. „So etwas darf nicht im verborgenen hinter Mauern auf Besucher lauern“, betont Müller-Horn – gemeinsam mit einem schönen Garten als Begegnungsstätte vor dem Mainzer Schloss könne so „ein würdiges Regierungsviertel“ entstehen.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Empörungssturm gegen die Zweckentfremdung der Steinhalle im Mainzer Landesmuseum lest Ihr hier bei Mainz&, mehr über die Pläne des Landtags haben wir hier bei Mainz& aufgeschrieben – und den Ausgangsartikel mit der Kritik des Freundeskreises lest Ihr hier bei Mainz&.