Mit 13.521 Unterschriften gegen den Bibelturm neben dem Gutenberg-Museum will die Bürgerinitiative Gutenberg Museum ein Bürgerbegehren zu den Ausbauplänen der Stadt erreichen. Die BI übergab am Dienstagnachmittag die vier Ordner voller Unterschriften an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). „Wir hoffen, dass es eine faire Prüfung gibt und nicht vor deren Ende Tatsachen geschaffen werden“, sagte Mitinitiator und BI-Sprecher Thomas Mann. Ebling sagte eine intensive Prüfung zu und versicherte, die Stadt werde vor Abschluss des Bürgerbegehren-Verfahrens nicht handeln. Damit könnte sich der eigentlich für Januar 2018 geplante Spatenstich für den Bibelturm deutlich verzögern. Der Stadtrat soll am 29. November über das Bürgerbegehren entscheiden.
Die Stadt will direkt neben am „Römischen Kaiser“ auf dem Liebfrauenplatz einen 23,40 Meter hohen sogenannten Bibelturm bauen, einen Turm mit abgeschrägter Fläche, der im Untergeschoss einen Raum zur feierlichen Präsentation der weltberühmten Gutenberg-Bibeln bekommen soll. Der Turm soll mit einer Fassade aus durchbrochenen Bronzelettern verkleidet sein, als „Eyecatcher“ das Weltmuseum der Druckkunst sichtbarer machen und mit einem architektonischen Highlight bereichern. Das Projekt ist in Mainz hoch umstritten, die Bürgerinitiative hatte deshalb seit Anfang August Unterschriften gesammelt, um das Projekt zu stoppen und eine Befragung der Mainzer Bürger durchzusetzen.
Die BI hält den Turm in seiner Architektur an dieser Stelle – im Herzen von Mainz und direkt am Mainzer Dom – für verfehlt und argumentiert, der Turm werde den dringend notwendigen Zugewinn an Flächen für das Gutenberg-Museum gar nicht bringen. Der Turm selbst werde lediglich 127 Quadratmeter zusätzliche Ausstellungsfläche bringen, rechnet die BI vor, weitere 261 Quadratmeter sollten im unterirdischen Verbindungsbau entstehen. Die meiste Fläche im Turm werde stattdessen für Flure, Rampen und Treppenaufgänge benötigt, die BI spricht deshalb von einem „umbauten Treppenhaus“. Tatsächlich sollen nach neuesten Plänen ursprünglich in den Obergeschossen vorgesehene Ausstellungsräume sowie Bibliothek und Café nicht mehr realisiert werden.
„Dafür einen der wichtigsten Plätze im Herzen der Altstadt zu opfern, ist unverhältnismäßig“, kritisiert Nino Haase, Organisator der Unterschriftensammlung bei der BI. Der Liebfrauenplatz sei den Mainzern wichtig, das Grün besonders wertvoll in einer Stadt, die gegen hohe Luftverschmutzung ankämpfe. Die BI habe in zahlreichen Gesprächen an ihrem samstäglichen Info-Stand am Liebfrauenplatz den Unmut der Bürger zum Bau des Turms und zu den einhergehenden Baumfällungen deutlich gespürt, betonte Haase. Die BI wolle den Liebfrauenplatz mit seinen mehr als 50 Jahre alten Platanen mit ihren großen Baumkronen und „als prachtvoll bepflanzte Oase abseits des hektischen Stroms der Stadt“ mit Ruhebänken zum Verweilen erhalten, heißt es deshalb in einem Brief der BI an alle Stadtratsmitglieder.
In dem Brief bittet die BI darum, das Projekt Bibelturm zu überdenken und zugunsten anderer Ausbaumöglichkeiten des Museums zu kippen. „Wir sind für die Erweiterung und Sanierung des Gutenberg-Museums“, betonte Haase am Dienstag erneut im Gespräch mit Mainz&, „wir sehen aber nicht, wieso dieser Platz im Herzen der Stadt dafür geopfert werden muss.“ In ihrem Brief führt die BI denn auch eine Reihe Alternativen auf: So sehe der Gewinner des Architekturwettbewerbs ja eigens neben dem Bau des Bibelturms eine Erweiterung und Aufstockung des Schellbaus vor, das ergäbe eine Erweiterung von 780 Quadratmeter Fläche, rechnet die BI vor.
Die Schatzkammer für die Gutenberg-Bibeln wiederum könnte beispielsweise über eineinhalb Geschosse im bisherigen Vortragssaal oder auch an anderer Stelle im Bestandgebäude „großräumiger inszeniert und neu implementiert werden“, schlägt die BI vor. Umbau und Sanierungen könnten dabei unter Aufrechterhaltung des Museumsbetriebs „sowohl vertikal, als auch horizontal unterteilt in einzelnen Abschnitten durchgeführt werden“, heißt es weiter. Und selbst die Bronzefassade könne „als wesentliches, charakteristisches Gestaltungselement weiter Anwendung finden“, meint die BI.
Zudem habe die Stadt noch immer kein Finanzierungskonzept für den Turm vorgelegt, kritisiert Haase weiter: Nach Ansicht von Experten reichten die 5,1 Millionen Euro an Budget für den Turmbau nicht aus. Der Stadt drohe im Extremfall eine Bauruine, falls das Geld ausgehe – und das ausgerechnet im Jubiläumsjahr von Gutenberg 2018. Zudem stünden beim Schell-Bau dringend notwendige Brandschutzmaßnahmen in Höhe von vier Millionen Euro an, woher das Geld dafür kommen solle, sei völlig unklar. „Die Folgekosten werden exorbitant sein“, warnte Haase, so dürfe in einer Stadt nicht geplant werden: „Wir brauchen eine offene, transparente Planung von Bauprojekten“, forderte er.
Auch die Stadtratsmitglieder ruft die BI in ihrem Brief auf: „Fordern Sie die Planung und Kostenrechnung für den Gesamtausbau ein und befassen Sie sich mit den Alternativen zum Ausbau des Museums. Fordern Sie mehr Transparenz, wozu eine Flächenbedarfsanalyse auf Basis der Ausstellungsobjekte und belegbarer Fakten gehört. Lassen Sie sich begründen, weshalb der Bedarf nicht auch mit der Modernisierung, Aufstockung und Erweiterung des Bestandes erfolgen kann.“
„Wir machen uns auch Sorgen um den Haushalt der Stadt“, betonte Haase weiter. Es sei doch nicht realistisch zu glauben, dass die Stadt durch den Bau des Bibelturms Spenden in erheblicher Größenordnung für die weitere Sanierung des Museums einwerben könne: „Bislang hat die Stadt nach eigenen Angaben 16.000 Euro für das Gutenberg-Museum sammeln können“, sagte Haase, der Dom werbe pro Jahr rund 300.000 Euro ein – wie wolle die Stadt denn da mehrere Millionen an Spenden einsammeln? „Das wird nicht funktionieren“, sagte Haase.
„Ich bin vorsichtig optimistisch, dass angesichts der hohen Anzahl der Unterschriften der Stadtrat noch einmal in sich geht“, sagte ÖDP-Chef Claudius Moseler Mainz&. Moseler hatte schon im Februar gegen die Planungen zum Bau des Bibelturms im Stadtrat gestimmt. Die Stadt will nun prüfen, wie viele der 13.521 Unterschriften im Sinne eines Bürgerbegehrens gültig sind. Laut Gemeindeordnung muss ein Quorum von fünf Prozent aller in Mainz Wahlberechtigten ein Bürgerbegehren unterstützen, in Mainz wären das 7.814 Menschen, die ihren Wohnsitz in Mainz haben müssen. Die Stadt muss deshalb nun alle Unterschriften mit dem Mainzer Wählerverzeichnis abgleichen.
Das notwendige Quorum sei deutlich überschritten worden, zeigte sich BI-Sprecher Thomas Mann überzeugt. Zusätzlich habe die BI „mehrere Tausend Solidaritätsunterschriften von gefühlten Mainzern“ erhalten. Die BI hatte unter anderem an Samstagen auf dem Wochenmarkt Unterschriften gesammelt, viele auswärtige Besucher unterzeichneten den Aufruf.
Ebling bedankte sich bei der Bürgerinitiative ausdrücklich für ihr Engagement und sagte „eine intensive Prüfung“ zu. Ziel sei, dass der Stadtrat am 29. November über das Bürgerbegehren entscheide. „Es wird in dieser Frage viel gestritten und diskutiert, das ist auch okay“, betonte der Oberbürgermeister: „Das ist auch ein Teil von Lebendigkeit in dieser Stadt, die gut ist.“ Der Bürgerantrag gebe dem Stadtrat „die Möglichkeit, das Thema zu überprüfen“, das sei schon per se positiv. „Ich hoffe, dass es aber auch die Schnittmenge gibt, dass wir alle die Auffassung haben, dass es das Museum wert ist“, sagte Ebling weiter und fügte auch gleich hinzu: Eine Aufwertung des Gutenberg-Museums wolle ja auch die Bürgerinitiative.
Die Stadt hatte allerdings bis zuletzt auch betont, das Bürgerbegehren sei nicht rechtmäßig, da die Frist dafür bereits im Sommer verstrichen sei. Die Stadt beruft sich dabei auf einen Beschluss des Stadtrats vom 8. Februar 2017, in dem über die Vorplanungen abgestimmt wurde. „Das war lediglich ein Vorbereitungsbeschluss zu den Planungen“, betonte Haase, „nach geltender Rechtslage löst ein solcher Beschluss keine Fristsetzung aus.“ Die BI beruft sich dabei auf ein Urteil des Koblenzer Oberverwaltungsgerichtes, wir werden das mal nachrecherchieren.
Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) betonte am Rande des Termins, die Stadt werde „natürlich jetzt keine Fakten schaffen“, solange die Fragen zum Bürgerbegehren noch nicht geklärt seien. Ob der Spatenstich im Januar 2018 oder drei Monate später stattfinde, sei nicht wichtig. Dass der Spatenstich aber genau im Jubiläumsjahr 2018 stattfinde, das sei schon wichtig, betonte Grosse: „Das wäre ja ein positives Zeichen des Aufbruchs“, fügte sie hinzu. Und auch Ebling betonte am Dienstag erneut, es sei „der richtige Weg“, erst mit dem Bau des Bibelturms zu beginnen: „Wir schaffen damit die Voraussetzung, dass das Museum besser atmen kann und viele es fördern wollen.“
Wenn die notwendige Menge an Unterschriften zusammen gekommen ist, muss sich der Stadtrat mit dem Bürgerbegehren befassen. Er könne jederzeit selbst die Durchführung eines Bürgerbegehren beschließen, betonte Moseler. Lehne der Stadtrat aber den Antrag der Bürger ab, greife das Bürgerbegehren selbst: „Dann wird abgestimmt.“ Ein Bürgerentscheid, betonte Haase noch, würde in jedem Fall befriedend wirken: „Wenn die Mehrheit der Mainzer für den Bibelturm ist, wäre das für uns auch in Ordnung“, sagte er, „nach dem jetzigen Stand glaube ich das aber nicht.“
Info& auf Mainz&: Mainz& berichtet bereits seit Monaten über die Auseinandersetzungen rund um den Bibelturm, ausführlich zum Beispiel hier. Und wir haben schon im April 2016 kommentiert: „Fragt die Mainzer“ – wir fanden, es war absehbar, dass jedwedes Bauprojekt hier im Herzen von Mainz hohe Wellen schlagen würde. Die BI Gutenberg-Museum betont, sie werde weiter Unterschriften sammeln, diese könnten auch noch nachgeliefert werden. Zur Internetseite der BI geht es hier.