Nach dem Bruch der Berliner Ampel-Koalition geht ein wahres Aufatmen durch die Republik: Mehr als zwei Drittel der Unternehmen in Rheinland-Pfalz bewerten das Aus der Ampel positiv, genau so viele Bundesbürger finden das ebenfalls gut. 84 Prozent sind für vorgezogene Neuwahlen – 54 Prozent wollen sie sogar früher als März. Doch die Frage, wann der Bundestag neu gewählt wird, ist weiter offen – läuft es für die Fastnachter ganz schlecht, fände die Wahl ausgerechnet an fastnachtssonntag statt. Derweil zeichnet sich ab: Das Hauptthema wird die Wirtschaftslage – und die Deutschen haben da eine eindeutige Präferenz.

Kran im Containerhafen der Mainzer Firma Frankenbach am Rhein: Die Wirtschaft stagniert. - Foto: gik
Kran im Containerhafen der Mainzer Firma Frankenbach am Rhein: Die Wirtschaft stagniert. – Foto: gik

„It’s the economy, stupid“, sagte einst der damalige US-Präsident Bill Clinton – und prägte damit einen absolut legendären Satz: Es ist IMMER die ökonomische Lage der Menschen, die Wahlen entscheidet, wollte der Demokrat damit sagen. Das bewahrheitete sich gerade diese Woche wieder bei der aktuellen US-Wahl: Es war vor allem die von vielen Amerikanern als schlecht empfundene wirtschaftliche Lage, die dem Republikaner Donald Trump die Wähler in Scharen zutrieb.

Das Thema dürfte auch die kommende Bundestagswahl in Deutschland dominieren, denn hier stagniert die Wirtschaftsentwicklung bereits im zweiten Jahr in Folge. Die Stimmung unter den Unternehmen ist miserabel, in Rheinhessen schauen vor allem Industrie, Handel und Dienstleister düster in die Zukunft. Immer mehr Industriebetriebe kündigen Arbeitsplatzabbau an, und die schlechte Konjunktur trifft längst nicht mehr nur die Automobilbranche und ihre Zulieferer: Gerade kündigte der Mainzer Spezialglashersteller Schott erneut Kurzarbeit an – von Oktober 2023 bis ins Frühjahr 2024 hinein war das schon einmal der Fall.

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Wirtschaft sieht Ampel-Aus positiv, 88 Prozent für schnelle Wahlen

Als Ursache sehen viele Unternehmer die schlechte Wirtschaftspolitik der Berliner Ampel-Regierung, umso größer ist die Erleichterung nach dem Aus des ungeliebten Bündnisses: 69 Prozent der Unternehmer in Rheinland-Pfalz bewerteten das Aus der Ampel bei einer Blitzumfrage der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz positiv oder eher positiv, nur 14 Prozent als eher negativ oder negativ. „Das Stimmungsbild ist eindeutig: Das Aus der Ampelkoalition und die folgenden Neuwahlen eröffnen Chancen, in anderer parteipolitischer Gewichtung wichtige wirtschaftspolitische Strukturreformen anzugehen“, sagte Arne Rössel, Hauptgeschäftsführer der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz.

Schmiss Mittwochabend seinen Finanzminister raus und trat anschließend in einer Wutrede nach: Wann stellt Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage im Bundestag? - Foto: gik
Schmiss Mittwochabend seinen Finanzminister raus und trat anschließend in einer Wutrede nach: Wann stellt Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage im Bundestag? – Foto: gik

Aus Sicht der Wirtschaft aber sollten Neuwahlen nun möglichst schnell folgen: Für 88 Prozent ist der derzeit geplante Termin für die Vertrauensfrage und die nachfolgenden Neuwahlen zu spät. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwochabend nach dem dramatischen Bruch zwischen ihm und Finanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigt, er wolle die Vertrauensfrage erst Mitte Januar im Bundestag stellen, damit käme es zu Neuwahlen Ende März. An dem Zeitplan gibt es seither vehemente Kritik, nun ergab auch das ZDF-Politbarometer: 84 Prozent der Bundesbürger sind für vorgezogenen Neuwahlen – und 54 Prozent wollen sie früher als von Scholz geplant.

„Die Wirtschaft benötigt nun eine belastbare Perspektive und Planungssicherheit“, betonte Rössel. Zudem müsse das beschädigte Vertrauen in die Politik wieder hergestellt werden. „Mit einer Minderheitsregierung über ein halbes Jahr und länger wird dies kaum möglich sein“, kritisierte der IHK-Vertreter. Zudem dränge die Zeit, „um wichtige aktuelle Fragestellungen, etwa die Beziehungen zu den USA, zu beantworten“, fügte er hinzu. Das ist auch eines der Argumente der CDU-Opposition: Wenn am 20. Januar Donald Trump erneut ins Weiße haus einziehe, müsse möglichst zeitnah klar sein, wer ihm als Kanzler Deutschlands gegenübertrete, argumentiert CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz.

Wähler sehen Wirtschaftskompetenz fast ausschließlich bei CDU

Der hat derweil nach derzeitigem Stand sehr gute Chancen, genau dieser nächste Kanzler zu sein: Im ZDF-Politbarometer von diesem Freitag konnte sich die CDU auf 33 Prozent steigern. Die SPD liegt weiter nur bei 16 Prozent, die Grünen kommen inzwischen auf 12 Prozent – und die dritte Ampel-Partei FDP muss mit ganzen 3 Prozent deutlich um ihren Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Interessant dabei auch: Die AfD kann bisher vom Ampel-Aus eher nicht profitieren und verharrt bei 18 Prozent – und das neue Bündnis Sahra Wagenknecht verliert gar zwei Prozentpunkte und kommt nun auf 6 Prozent.

Das ZDF-Politbarometer vom 8. November 2024. - Grafik: ZDF
Das ZDF-Politbarometer vom 8. November 2024. – Grafik: ZDF

Auch das Politbarometer sieht die Wirtschaft als wichtigstes Thema der kommenden Wahl – und hier haben die deutschen eine sehr eindeutige Präferenz: 40 Prozent sehen die größte Wirtschftaskompetenz bei der CDU, aber nur 10 Prozent bei der SPD – und ganze 3 Prozent bei der FDP. Sogar der AfD trauen mit 8 Prozent mehr Menschen Wirtschaftskompetenz zu, das BSW kommt hier auf ganze 2 Prozent. Und die Partei von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) halten gar nur 6 Prozent der Wähler in Sachen Wirtschaft für kompetent.

Habeck warf am Freitag dennoch seine Bewerbung als Kanzlerkandidat der Grünen in den Ring: In einem in den sozialen Netzwerken geposteten Video erklärte Habeck seiner Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und seine Erfahrung in den Dienst des Landes zu stellen – was daraus werde, müssten jetzt die Bürger entscheiden. Habeck räumte auch ein, er habe gerade in Sachen Heizungsgesetz „sei viel Vertrauen kaputt gegangen, möglicherweise auch in meine Person“, deshalb müsse man sich „jeden Anspruch, der jetzt kommt, erst erarbeiten.“ Das wolle er tun, gerade weil er Fehler eingestehen könne, sagte Habeck am Abend im Heute Journal.

Wirtschaft fordert Bürokratieabbau und niedrigere Energiekosten

Dass eine Partei, die gerade einmal bei 12 Prozent steht, einen Kanzlerkandidaten aufstellt, ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht vorgekommen – dass ein Wirtschaftsminister, in dessen Amtszeit die Wirtschaft geradezu in die Rezession rauschte, sich für das höchste Amt im Land bewirbt, auch nicht. In der Wirtschaft beklagt man seit Monaten eine hohe Planungsunsicherheit und eine enorme Bürokratielast, den Abbau von Bürokratie und regeln war denn auch der wichtigste Punkt in der IHK-Blitzumfrage.

„Für 94 Prozent der Umfrageteilnehmer steht der Bürokratieabbau an erster Stelle“, berichtete Rössel. Regulierungen, Berichtspflichten und Formalismus machten der Wirtschaft zu schaffen und entzögen dem Kerngeschäft Ressourcen, hier müsse dringend gegengesteuert werden. Weitere wichtige Reformgebiete seien die Energiekosten sowie die Versorgungssicherheit bei der Energie, Steuern und Investitionsanreize, Fach- und Arbeitskräftemangel sowie Planungsbeschleunigung.

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CDU legt 9-Punkte-Sofortprogramm für Winzer vor

Die CDU in Rheinland-Pfalz fordert zudem dringende Hilfen für die Winzer im Land, schließlich ist Rheinland-Pfalz mit gleich sechs Weinanbaugebieten das größte weinbautreibende Bundesland. „Der Weinbau in Rheinland-Pfalz steckt in einer strukturellen Krise“, klagte am Donnerstag der weinbaupolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Mainz, Horst Gies: „Es besteht die reale Gefahr, dass es in den nächsten Monaten zu einer signifikanten Anzahl an Betriebsaufgaben im ganzen Land kommen wird. Dies hätte enorme Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft und unsere einzigartige Kulturlandschaft.“

Die Winzer in Rheinland-Pfalz kämpfen mit harten Ernteausfällen und gesunkenem Absatz. - Foto: Rheinhessenwein
Die Winzer in Rheinland-Pfalz kämpfen mit harten Ernteausfällen und gesunkenem Absatz. – Foto: Rheinhessenwein

Aktuell kämpfen die Winzer mit teils erheblichen Ernteausfällen in Folge von Frostschäden, dazu kämen aber vor allem stark gestiegene Kosten durch Inflation und Mindestlohn-Erhöhung sowie eine Kaufzurückhaltung durch die aktuelle Rezession sowie ein Überangebot auf dem internationalen Weinmarkt, zählte Gies auf. Die Folge: Der Fassweinpreis sank gerade auf ganze 50 Cent pro Liter, das liegt weit unter den Produktionskosten – viele Winzer zahlen in diesem Jahr sogar drauf. In der Branche ist der Frust hoch, besonders auch, weil sich nach den heftigen Bauernprotesten Anfang 2024 so gut wie nichts tat – die Dieselsteuer kam trotzdem, weitere Hilfen blieben aus.

Ziel der Politik müsse doch sein, den mehr als 6.500 Weinbaubetrieben in Rheinland-Pfalz mit verlässlichen Rahmenbedingungen, Forschung und Innovation „eine Perspektive zu geben, um am Markt bestehen zu können“, schimpfte Gies – und legte ein Neun-Punkte-Sofortprogramm vor. Das sieht unter anderem die Streichung der Agardiesel-Besteuerung, eine Erhöhung des Steillagenzuschusses, die Zulassung von Kalium-Phosphat als Schädlingsbekämpfungsmittel im Ökoweinbau – was das ist, erklären wir Euch hier – sowie einen sofortigen Weinbaugipfel der Mainzer Ampel und „eine selbstbewusste und international ausgerichteten Marketingkampagne für Weine aus Rheinland-Pfalz“ vor.

FDP Mainz: Investitionen fördern, Gewerbegebiete ausweisen

Bei den Liberalen schart man sich derweil hinter dem als Bundesfinanzminister geschassten Parteichef Christian Lindner und bereitet sich auf einen harten Wahlkampf vor. „Heute ist Tag eins des Aufbruchs auch hier in Hessen“, sagte die Fraktionschefin der FDP im Hessischen Landtag, Wiebke Knell. Lindner habe „Mut bewiesen, und es braucht Mut und neue Ideen, um dieses Land voranzubringen“, unterstrich sie. Lindners Wirtschaftspapier, das mit zum Bruch der Koalition geführt hatte, zeigen mit Bürokratieabbau, geringerer Steuerlast und mehr Kontrolle bei der Migration den richtigen Weg auf.

Die Mainzer FDP-Chefin Susanne Glahn. - Foto: FDP Mainz
Die Mainzer FDP-Chefin Susanne Glahn. – Foto: FDP Mainz

Das sieht man in der FDP Mainz ähnlich: Konjunkturschädlich seien unter anderem die Summe der verschobenen Investitionsprojekte, sagte FDP-Kreischefin Susanne Glahn, und nannte als ein Beispiel die Baubranche. „Statt zuzuschauen, muss aktiv fördernd gehandelt werden“, betonte Glahn – dazu gehöre, bürokratische Prozesse abzubauen und ein wirtschaftsfreundliches Klima zu schaffen, das Investitionen fördert und die Region für Unternehmen attraktiv halte.

Die Ankündigung von Schott, in Mainz wieder Kurzarbeit einzuführen, sei „ein alarmierendes Zeichen für die aktuelle wirtschaftliche Lage“, sagte auch FDP-Wirtschaftsexperte und Bundestagskandidat David Dietz, und forderte: „Angesichts der dramatischen Weigerung in Berlin, sich mit den tatsächlichen Problemen in der Wirtschaftspolitik zu befassen, darf sich dieser Fehler nicht in Mainz wiederholen.“ Mainz dürfe nicht mi höheren Steuern für weitere Belastungen sorgen, sondern müsse etwa durch die sofortige Realisierung neuer, nachhaltiger Gewerbegebiete die regionale Ansiedlung von Betrieben fördern.

Neuwahl in Deutschland – womöglich an Fastnachtssonntag?

Aber wann wird denn nun in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt? Die Frage ist bislang völlig offen – am Freitagabend rückte Scholz erstmals von seinem Zeitplan einer Wahl Ende März ab. Zuvor war dem Kanzler auf dem EU-Gipfel in Budapest ebenfalls die Forderung entgegen geschlagen, das wichtigste Land der EU dürfe nicht so lange handlungsunfähig bleiben – gerade im Angesicht einer neuerlichen Trump-Präsidentschaft.

Wählt Deutschland womöglich ausgerechnet an Fastnacht einen neuen Bundestag? Einen närrischen Bundestag gab es ja schon einmal - beim GCV in der Kampagne 2018. - Foto: gik
Wählt Deutschland womöglich ausgerechnet an Fastnacht einen neuen Bundestag? Einen närrischen Bundestag gab es ja schon einmal – beim GCV in der Kampagne 2018. – Foto: gik

CDU-Chef Merz fordert Neuwahlen bereits Mitte Januar und brachte den 19. Januar ins Spiel, davor aber warnte am Freitag Bundeswahlleiterin Ruth Brand: „Eine im Falle der Auflösung des Bundestages stattfindende #Neuwahl bedarf in Bund, Ländern und Kommunen einer angemessenen Vorbereitung“, schrieb Brand in einem Brief an Scholz sowie auch auf dem Kurznachrichtendienst X: „Die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl ist für die Bundeswahlleiterin und alle Wahlorgane dabei von größter Bedeutung.“

Sollte die Vorbereitungszeit auf die Wahlen in die Weihnachtszeit oder in den Zeitraum zwischen den Jahren fallen, würde das zu einer Verkürzung des vorgesehenen Zeitraums von 60 Tagen zwischen der Vertrauensfrage und der Wahl führen, dies könne „zu unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen“ führen. Brand befürchtet offenbar eine Überlastung der Wahlämter in den Kommunen, fehlerhafte, weil überstürzt eingereichte Wahlvorschläge und Probleme bei der Briefwahl. Eine ordnungsgemäße Wahl sei für das Vertrauen der Bürger in die Demokratie „essenziell“, Fehler könnten dieses „Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzen.“

Allerdings galt die Warnung der Bundeswahlleiterin nur für einen Termin im Januar, eine Bundestagswahl könnte aber ja auch im Laufe des Februars stattfinden. In den Blickpunkt bei der Suche rückt deshalb auch noch ein weiterer Termin, der allerdings gerade den Mainzer Fastnachtern Bauchschmerzen bereiten dürfte: der 2. März – Fastnachtssonntag. Attraktiv könnte der Tag für die Planenden aber vor allem deshalb sein, weil an diesem Tag der Stadtstaat Hamburg eine neue Bürgerschaft wählt – zumindest Hamburg könnte dann zwei Wahlen kurz hintereinander vermeiden.

Info& auf Mainz&: Mehr über das dramatische Aus der Berliner Ampel könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen, wie die Parteien in Mainz reagiert haben, findet Ihr hier. Ihr wollt noch einmal den Närrischen Bundestag der Schnorreswackler sehen? Kein Problem – hier in unserem Mainz&-Youtube-Kanal.