Lange wurde darüber debattiert, ob sie nötig sind, nun kommen sie: Ab dem 1. September startete Rheinland-Pfalz mit den Auffrischungsimpfungen gegen das Coronavirus. Die Kampagne wende sich an die über 80-Jährige, an Personen mit Immunschwäche oder Immunsuppression sowie an Bewohner von Alten- und Pflegeheimen oder auch Pflegebedürftige in ihrer eigenen Häuslichkeit. Auch Beschäftigte in der Pflege sind die Zielgruppe, das Ziel: die Risikogruppen für den anstehenden Herbst bestmöglich schützen. Denn bei den früh Geimpften und den Hochbetagten lässt der Impfschutz wahrscheinlich derzeit wieder nach. Derweil kämpft Deutschland mit stagnierenden Impfzahlen – auch weil Impfgegner in den sozialen Netzwerken massiv Falschinformationen zu den Impfungen verbreiten.

Biontech-Impfstoff Comirnaty. - Foto: Biontech
Biontech-Impfstoff Comirnaty. – Foto: Biontech

Von Anfang an hatte das Mainzer Unternehmen Biontech immer wieder berichtet, man rechne bei dem Impfstoff gegen Sars-CoV-2 mit einer nachlassenden Wirkung nach einigen Monaten – es sei aber nur unklar, wann genau das sein könnte. Ungewöhnlich ist das nicht: Auch gegen die Influenza-Grippe muss jeden Winter neu geimpft werden, ebenso gegen Krankheiten wie Tetanus und Diphterie oder gegen die durch zecken ausgelöste Krankheit FSME muss immer wieder der Impfschutz neu angestoßen werden. Erst im Juli hatte Biontech mitgeteilt, man arbeite an einer angepassten Version des Pfizer-BioNTech COVID-19-Impfstoffs, der noch besser gegen die Delta-Variante wirken soll – und auch eine dritte Auffrischungsimpfung könne gegen alle Corona-Mutanten gut schützen.

Kritiker warfen Biontech und Pfizer daraufhin vor, lediglich Geld machen zu wollen, doch das widerspricht wissenschaftlichen Befunden: Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) warnte jüngst davor, dass sich der Impfschutz bei bestimmten Personen derzeit wieder abschwächen könne. Sichtbares Zeichen dafür sind die sogenannten „Impfdurchbrüche“; Infektionen mit dem Coronavirus, obwohl man vollständig gegen das Coronavirus geimpft ist. Nach Angaben des RKI gibt es derzeit in Deutschland rund 13.300 solche Impfdurchbrüche, Gründe könnten ein durch eine andere Krankheiten geschwächtes Immunsystem sein, aber auch ein ohnehin schwächeres Immunsystem vor allem bei älteren Menschen.

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Hochbetagte und Senioren wurden am Jahresbeginn 2021 als erste geimpft. - Foto: Stadt Wiesbaden
Hochbetagte und Senioren wurden am Jahresbeginn 2021 als erste geimpft. – Foto: Stadt Wiesbaden

Dazu passt, dass das Mainzer Gesundheitsamt gerade diese Woche eine erste neuerliche Infektionswelle in einem Altenheim im Kreis Mainz-Bingen meldete – mit ausschließlich leichten Verläufen. Die ersten Impfungen gegen das Coronavirus sind zudem inzwischen beinahe neun Monate her – es waren vor allem die Hochbetagten, die im Januar und Februar als erste geimpft wurden. Logisch ist deshalb, dass ihr Impfschutz als erstes auch wieder nachlässt.

Die Bundesregierung hatte deshalb Anfang August Auffrischungsimpfungen für besonders gefährdete Personengruppen wie Hochbetagte oder Menschen in Pflege- oder Altenheimen angekündigt, damit will Rheinland-Pfalz nun am 1. September starten. „Wir wollen die Risikogruppen für den anstehenden Herbst bestmöglich schützen“, betonte Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD), daher habe die Gesundheitsministerkonferenz Auffrischungsimpfungen beschlossen. Die dritten Impfungen sollen gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten durchgeführt werden, bei Bedarf wolle man zusätzlich mobile Teams einbeziehen. In Alten- und Pflegeheimen sowie weiteren Einrichtungen sollen die Impfungen vor Ort durch Ärzte, unterstützt durch mobile Impfteams durchgeführt werden.

Glückliche Senioren nach ihrer ersten Corona-Impfung. - Foto: Stadt Wiesbaden
Glückliche Senioren nach ihrer ersten Corona-Impfung. – Foto: Stadt Wiesbaden

Geimpft werden sollen Hochbetagte über 80 Jahren sowie Personen mit Immunschwäche oder Immunsuppression und Pflegebedürftige, bei denen der Abschluss der ersten Impfserie mindestens sechs Monate zurückliegt. Biontech und Pfizer hatten im Juli mitgeteilt, neue Studien zeigten, dass eine Auffrischungsimpfung sechs Monate nach der zweiten Impfung eine hohe Antikörperreaktion hervorrufe. Daten aus Israel zeigten, dass die Schutzwirkung des Impfstoffs gegenüber Infektionen und symptomatischen Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung sinke. Es werde „ein Rückgang der Wirksamkeit gegenüber symptomatischen Verläufen im Laufe der Zeit und das weitere Auftreten neuer Virusvarianten erwartet.“

„Deshalb sind wir nach wie vor der Ansicht, dass es auf Basis der uns bisher vorliegenden Daten wahrscheinlich ist, dass eine dritte Dosis innerhalb von 6 bis 12 Monaten nach der vollständigen Impfung erforderlich sein wird“, schrieben Biontech und Pfizer dazu. In den Studien seien die Antikörpertiter nach der dritten Impfung 5- bis 10-fach höher gewesen als nach den ersten beiden Impfungen. Man erwarte, dass dritte Dosis BNT162b2 es möglich mache, „das höchste Level an schützender Wirksamkeit gegenüber allen bisher getesteten Varianten, einschließlich der Delta-Variante, zu erhalten.“

Dritte Impfung für alle? Das könnte im Winter kommen. - Foto: Biontech
Dritte Impfung für alle? Das könnte im Winter kommen. – Foto: Biontech

Ob und wann es eine dritte Auffrischungsimpfung für die breite Bevölkerung geben wird, ist aber noch unklar: Bislang haben sich die Gesundheitsminister zu dem Thema noch nicht geäußert – auch, weil es unpopulär ist. Deutschland kämpft derzeit mit einer sich abflachenden Impfkurve, in Deutschland sind erst 64,8 Prozent der Bevölkerung einmal, und 59,9 Prozent vollständig geimpft. In Rheinland-Pfalz liegt die Quote derzeit bei 60 Prozent Erst- und 66,1 Prozent Zweitimpfungen. das reicht bei Weitem nicht für eine Herdenimmunität, die auch denen Schutz bieten würde, die nicht geimpft werden können – vor allem jüngere Kinder unter 12 Jahren.

Für eine Herdenimmunität braucht es laut RKI mindestens 85 Prozent vollständig Geimpfte, derzeit werden in Deutschland pro Tag aber nur rund 245.000 Impfungen pro Tag verabreicht – auf dem Höhepunkt der Impfkampagne waren es mehr als 1,3 Millionen Impfdosen an einen einzigen Tag. IN manchen Teilen der Bevölkerung gibt es trotz Forschung und Aufklärungskampagnen immer noch Vorbehalte und Vorurteile gegen die Impfung, die sich hartnäckig halten – zum Teil auf Fakenews wie die Befürchtung, die Corona-Impfung könne Frauen unfruchtbar machen, eine Behauptung, die längst widerlegt ist.

Querdenker und Impfgegner verbreiten zunehmend Falschinformationen über die Corona-Impfung. - Foto: Biontech
Querdenker und Impfgegner verbreiten zunehmend Falschinformationen über die Corona-Impfung. – Foto: Biontech

Im Juni hatte ein Studie des Deutschland-Ablegers des Londoner Thinktanks Institute for Strategic Dialogue nach einer Auswertung von mehr als 400.000 Posts von Impfskeptikern in sozialen Netzwerken vor einer gezielten Desinformationskampagne gegen das Impfen gewarnt: Die Wissenschaftler identifizierten sechs Narrative, mit denen Impfgegner in sozialen Netzwerken Ängste schürten, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete. Dabei gehe es um angebliche Impftote, um Impfschäden und eben um die angebliche Unfruchtbarkeit, in den Beiträgen suggerierten die Impfgegner, dass die Covid-Impfung angeblich ein hohes Sterberisiko berge und die Nebenwirkungen gefährlicher seien als das Virus selbst.

Dabei würden entweder Einzelfälle aufgegriffen und in falsche Zusammenhänge gestellt oder gezielt fehlinterpretiert, auch würden renommierte Wissenschaftler, Politiker und Institutionen wie etwa das RKI oder führende Virologen diskreditiert und angefeindet. „Es geht den Impfgegnern darum, den größtmöglichen Vertrauensverlust zu erzeugen“, warnte Mitautorin Hannah Winter gegenüber dem RND: Impfstoff­bezogene Desinformations­kampagnen im Netz seien nicht nur für die Pandemie­bekämpfung sehr gefährlich, die Verschwörungs­mythen und Falsch­informationen könnten auch zu einem generellen Misstrauen und einer „nachhaltig gespaltenen Gesellschaft“ führen.

mRNA-Impfstoff: Mit Superpower gegen das Coronavirus. - Foto: Mainzer Unimedizin
mRNA-Impfstoff: Mit Superpower gegen das Coronavirus. – Foto: Mainzer Unimedizin

Dabei hat der Impfstoff von Biontech inzwischen in den USA sogar die Vollzulassung erhalten, zudem wurden weltweit bereits Millionen Menschen geimpft – und die Zahlen beweisen: Die Corona-Impfungen verhindern mit sehr hoher Wirksamkeit vor allem schwere Erkrankungen und Todesfälle, seit der weitgehenden Durchimpfung der Senioren  in Deutschland etwa ist die Zahl der Todesfälle massiv gesunken. Mediziner berichten zudem, auf den Intensivstationen werde derzeit zu 95 Prozent vor allem eine Bevölkerungsgruppe eingeliefert: Ungeimpfte.

Die Impfkampagne in den Alten- und Pflegeinrichtungen habe „entscheidend dazu beigetragen, dass wir dort heute nur noch wenige Infektionen und so gut wie keine schweren Krankheitsverläufe mehr verzeichnen“, sagte denn auch Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD): „Jetzt geht es darum, dass wir diesen Fortschritt in der Pandemiebekämpfung durch Auffrischungsimpfungen sichern.“

Info& auf Mainz&: Die ganze Studie „Überdosis Desinformation“ über gezielte Desinformationen gegen die Corona-Impfungen könnt Ihr Euch hier im Internet als pdf herunterladen. Eine der jüngsten Biontech-Publikation zu den neuesten Impfdaten findet Ihr hier bei der Zeitschrift Nature im Internet. Warum Biontech sich sicher ist, dass der mRNA-Impftstoff auch gegen Mutationen des Sars-CoV-2-Virus wirkt, und wie er an neue Mutanten angepasst werden kann, haben wir hier auf Mainz& erklärt. Mehr dazu, wie die mRNA-Impfung funktioniert, lest Ihr auch in dem neuen Corona-Impf-Comic der Mainzer Universitätsmedizin, mehr dazu hier auf Mainz&.

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